Kochbuch der Seenotretter SOS steht auch für Senf oder Sahne

Sie retten Menschenleben aus rauer See, doch am Herd sind sie verspielt. Seenotretter haben Einblick in ihre Kombüse gewährt und verraten in einem Kochbuch die schönsten Rezepte - von Schlickwurmpfanne bis Huhn auf Dose.

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Dei Autorin Silke Arends schaute mehrere Seenotrettern wie Rettungsmann Ingo Heuser beim Brutzeln über die Schulter. Quelle: handelsblatt.com

Die Seenotretter würden sich selbst so nie bezeichnen, aber es stimmt: Sie sind Helden. Unermüdlich sind sie auf Nord- und Ostsee im Einsatz, um Menschen in der Not zu helfen. Viele verunglückte Matrosen, gekenterte Hobbykapitäne oder abgetriebene Surfer verdanken ihnen ihr Leben. Doch Helden müssen auch essen - und selbst wenn das nicht ganz ins Bild von den harten Kerlen passt, viele von ihnen schwingen mit großer Begeisterung den Kochlöffel.

Hausmannskost mit Kartoffeln und viel Fleisch, Hack in jeglicher Form und natürlich Fisch stehen ganz weit oben auf dem Speiseplan.

Aber auch Gerichte mit klanghaften Namen wie Norderneyer Retter-Teller, Schlickwurmpfanne und Sassnitzer Blechdorsch entstehen in den Kombüsen der Rettungskreuzer. Die Emder Autorin Silke Arends hat mehreren Besatzungen beim Brutzeln über die Schulter geschaut und die schönsten Rezepte in einem „Seenotretter-Kochbuch“ zusammengetragen.

Dafür besuchte sie 14 Stationen der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Bremerhaven. Und eines lernte Arends dabei ganz schnell. Dosenravioli und Tütensuppen werden an Bord nicht stapelweise gehortet. „Danach habe ich vergeblich gesucht.“ Die Seenotretter legen großen Wert auf ein leckeres Essen mit frischen und gesunden Zutaten. „Die Dose gibt es wirklich nur zu Not.“

Solange die Rettungsschiffe im Hafen liegen, kommt pünktlich um 12.00 Uhr das Mittagessen auf den Tisch. Am Herd wechseln sich die Männer meistens ab. Manche können richtig gut kochen und experimentieren gerne, andere verlassen sich lieber auf einfach zuzubereitende Klassiker. Ingo Henser, Maschinist auf dem im ostfriesischen Hooksiel beheimateten Kreuzer „Vormann Steffens“ gehört zur ersten Gattung. Sein Geheimtipp: Senf. Damit lasse sich so manches Gericht retten, verrät er im Buch.

„SOS könnte bei den Seenotrettern auch für Senf oder Sahne stehen“, erläutert Arends. Denn eins von beiden findet sich meistens auf dem Teller wieder. Neben Grillhaxe, Senfeiern, Schmorgurken und anderen gutbürgerlichen Rezepten hat die Seenotretter-Küche auch exotische Kreationen zu bieten. Viele der Besatzungsmitglieder sind früher zur See gefahren und haben sich von den Esskulturen in anderen Ländern inspirieren lassen. Mit Currypulver, Kümmel, Nelken und Piment sind die Gewürzregale in den Kombüsen immer gut gefüllt.

Wenn der Braten von den Wellen im Fett geschwenkt wird

Doch woher die Spezialität „Huhn auf Dose“ stammt, wollten die auf Helgoland stationierten Rettungsmänner nicht verraten. Samstags ist Putztag auf dem Seenotkreuzer „Hermann Marwede“. Tagsüber gibt es dann nur einen Havarietoast, der im Allgemeinen auch als Hawaiitoast bekannt ist. Abends kommt dafür als Belohnung das etwas eigenwillig auf einer aufgeschnittenen Getränkedose gegarte, aber nach Angaben von Arends köstlich zarte Huhn auf den Tisch. Sie muss es wissen: Zu Hause hat sie es gleich nachgekocht.

Die Schicht der Seenotretter geht immer zwei Wochen, danach haben sie genauso lange frei. Einige Hobbyköche nutzen die Zeit an Land, um neue Gerichte auszuprobieren, mit denen sie später an Bord punkten können.

Auch auf Lehrgängen in der Bremer DGzRS-Zentrale werden gerne Rezepte ausgetauscht, wie Arends erfahren hat. So hat die Besatzung an der Nordspitze der Halbinsel Darß in Mecklenburg-Vorpommern inzwischen eine Vorliebe für die süße Himbeeren-Creme „Grömitzer Schlaggermaschü“ entwickelt, die sie von ihren Kollegen aus Schleswig-Holstein abgeguckt hat.

Doch auch für geübte Kombüsenchefs kann die Mahlzeit schnell zur Herausforderung werden. Denn jederzeit kann ein Notruf reinkommen.

Dann muss die Pfanne mit dem halbgaren Schnitzel sofort vom Herd, die Suppe bleibt sich selbst überlassen. Doch nicht immer muss das in einer Geschmackskatastrophe enden. Noch immer schwärmt die Mannschaft der in Sassnitz auf Rügen stationierten „Wilhelm Kaisen“ von einem Wildschweinbraten, der während eines Einsatzes weiter im Ofen garen musste. Die unruhige See ist dem Fleisch gut bekommen. Dank der Wellen wurde es die ganze Zeit schön im Fett geschwenkt.

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