Kommentar Ein Abschwung sieht anders aus

Die Quartalssaison hat begonnen - und viele Dax-Unternehmen melden nahezu stagnierende oder sinkende Gewinne. Angst vor einem Abschwung braucht man trotzdem nicht zu haben.

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Bei den deutschen Unternehmen geht es zwar nicht mehr so rasant aufwärts wie noch vor ein paar Monaten, einen Abschwung brauchen sie dennoch nicht zu fürchten. Quelle: handelsblatt.com

Auf den ersten Blick könnte man meinen: Jetzt erwischt es auch die erfolgsverwöhnten deutschen Konzerne. Die Gewinne steigen nicht mehr, so wie im dritten Quartal beispielsweise bei BASF, oder sie sinken gar, so wie bei Daimler. Der 2009 nach der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte so fulminant gestartete Boom geht offenbar zu Ende. Doch so einfach funktioniert Wirtschaft zum Glück nicht. Wenn die Gewinne nicht weiter steigen, aber noch ungebrochen sprudeln, dann heißt das keineswegs, dass dem Aufschwung jetzt der Abschwung folgt.

Bei Europas größtem Chemiehersteller BASF steigen die Gewinne deshalb nicht weiter, weil die Nachfrage auf hohem Niveau stagniert und die Kunden ihre Vorräte abbauen. Beides heißt aber nicht, jetzt auf eine Rezession setzen zu müssen. Gut möglich, dass die Kunden bald schon wieder mehr Grundstoffe bei BASF bestellen, wenn sie ihre angehäuften Vorräte abgebaut haben.

Auch bei Daimler geht die Erfolgsserie nur vermeintlich zu Ende. Richtig ist zwar, dass der operative Gewinn um 15 Prozent gegenüber dem starken Vorjahresquartal gesunken ist. Doch dafür zeigt nicht etwa eine schwächere Nachfrage verantwortlich. Im Gegenteil: Daimler verkaufte im dritten Quartal so viele Autos wie noch nie. Die Einführung neuer Modelle und höhere Materialkosten ließen jedoch die Kosten steigen - und schmälerten den Gewinn.

Zeichen des robusten Aufschwungs

Das Beispiel Daimler ist typisch: Zu Beginn eines Aufschwungs, so wie zuletzt 2009, steigen die Gewinne stark überproportional zu den Umsätzen. Der Grund: Die Unternehmen ernten die Früchte, die sie zuvor (im Abschwung) gesät haben, indem sie ihre Kosten drastisch herunterfuhren und damit aber auch weniger in die Zukunft investierten. Deshalb stiegen die Gewinne und Margen überdurchschnittlich. 

Je mehr und je nachhaltiger der Aufschwung aber an Fahrt aufnimmt, so wie im laufenden Jahr, desto mehr investieren die Unternehmen in neue Technologien, Plattformen und Mitarbeiter. Am Ende bleibt mit jedem erwirtschafteten Euro Umsatz vielleicht etwas weniger Gewinn übrig als zu Beginn des Booms. Das ist aber noch kein Warnsignal, sondern ein Zeichen des robusten Aufschwungs.

Wenn die Unternehmen in ihren Ausblicken jetzt mehrheitlich die Erwartungen dämpfen, dann bezwecken sie damit vor allem eines: Die erfolgsverwöhnten Anleger auf den Boden der Tatsachen zurückholen und ihnen klarzumachen, dass sich die Steigerungsraten, wie wir sie zu Beginn des Aufschwungs kannten, nicht fortsetzen. Doch aber ist eher eine Frage der Mathematik, denn der Wirtschaft. 

Denn: Wer tief unten steht, so wie viele konjunktur-empfindliche Unternehmen im Frühjahr 2009, darunter auch Daimler, der hat es nicht schwer, im Aufschwung prozentual zwei- oder gar dreistellig zuzulegen. Wer dagegen so gut dasteht wie jetzt BASF, Daimler, Volkswagen, Siemens und viele andere deutsche Großkonzerne, der darf sich schon glücklich schätzen, wenn die Gewinne 2012 "nur" noch stagnieren. Stagnieren bedeutet für die Hälfte der Dax-Konzerne, dass sie ihre Rekordgewinne aus dem laufenden Geschäftsjahr wiederholen. Das wäre doch nicht die schlechteste aller Welten. 

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