Konjunkturindikatoren Erste Signale der Hoffnung

Die wichtigsten Konjunkturindikatoren im Überblick: Von Earlybird bis Zinsstrukturkurve. Die WirtschaftsWoche erklärt, wie sie funktionieren, was sie aussagen und wie sie sich entwickelt haben.

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Baltic Dry Index (BDI)

Handel-ahoi

Struktur Der BDI misst die Entwicklung der Frachtraten, vor allem für Kohle, Eisenerz und Getreide, auf Standardrouten in der Seeschifffahrt. Er wird seit 1985 von der Warenbörse Baltic Exchange in London ermittelt und setzt sich aus vier Sub-Indizes zusammen, die verschiedene Schiffsklassen und Strecken abbilden. Die Ursprungsdaten für den Index kommen von Maklern, Reedern und Charterern.

Aussagekraft Mehr als 90 Prozent des Welthandels und rund 75 Prozent des deutschen Exports laufen über den Seeweg. Belebt sich der Welthandel, dann verknappen sich die Transportkapazitäten für Rohstoffe – und die Frachtraten steigen. Der Baltic-Dry-Index hat sich daher als guter Frühindikator für die Weltwirtschaft etabliert. 

Entwicklung Im Januar ist der Index erstmals seit sechs Monaten wieder gestiegen, nachdem er 2008 im Schnitt auf den tiefsten Stand seit gut sieben Jahren heruntergekracht war. Im Februar hat sich der Aufwärtstrend fortgesetzt. Allerdings beruht dies womöglich auf einem Saisoneffekt. Deshalb bleibt abzuwarten, ob der Anstieg in den kommenden Monaten anhält.

Einkaufsmanagerindex

EK-Manager-Index

Struktur Der Einkaufsmanager-Index (EMI) wird von Markit Economics, einem Spezialanbieter von Konjunkturumfragen, in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik monatlich ermittelt. Grundlage des Index sind Befragungen von Einkaufsleitern und Geschäftsführern in rund 500 repräsentativ ausgewählten deutschen Industrieunternehmen. Der EMI setzt sich aus mehreren Teilindizes zusammen, darunter für Auftragseingänge, Preise und Beschäftigung.

Aussagekraft Der Einkaufsmanagerindex wird an den Finanzmärkten und in den Zentralbanken stark beachtet, da er als verlässlicher Indikator für die wirtschaftliche Aktivität gilt. Allerdings hat er nur einen vergleichsweise kurzen Vorlauf vor der Produktion. Werte unter 50 spiegeln eine Kontraktion der Produktion wider, Werte über 50 signalisieren einen Anstieg. Neben Deutschland ermittelt Markit Economics Einkaufsmanagerindizes für weitere 25 Länder, was internationale Konjunkturvergleiche erleichtert. 

Entwicklung Der EMI für die deutsche Industrie ist in den zurückliegenden Monaten drastisch gefallen. Im Januar sackte er auf das Rekordtief von 32,0 Punkten ab.

Kurz- und Langfristzins

Zinsstruktur

Struktur Die Zinsstruktur misst die Differenz zwischen den langfristigen und den kurzfristigen Zinsen. Meist werden die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen und der Zins für Drei-Monats-Geld betrachtet. Im Normalfall liegen die langfristigen über den kurzfristigen Zinsen, da die Kapitalgeber als Ausgleich für die mit längeren Laufzeiten verbundenen Risiken höhere Zinsen fordern. Es kann jedoch Phasen geben, in denen die kurzfristigen über die langfristigen Zinsen klettern. Man spricht dann von einer inversen Zinsstruktur. Sie ist häufig die Folge einer restriktiven Geldpolitik, bei der höhere Leit‧zinsen die kurzfristigen Zinsen nach oben treiben, während sich die langfristigen Zinsen infolge der sinkenden Inflationserwartungen zurückbilden. 

Aussagekraft Ein Wechsel von einer inversen zu einer normalen Zinsstruktur war in der Vergangenheit meist ein Zeichen für ein bevorstehendes Ende einer Rezession. Allerdings liegt der zeitliche Vorlauf gegenüber der Konjunktur bei mehreren Quartalen. 

Entwicklung Seit Ende vergangenen Jahres hat sich die Zinsstruktur normalisiert – das deutet auf ein Ende der Rezession in der zweiten Jahreshälfte hin.

Geldmenge M1

Geldmenge-m1

Struktur Die Geldmenge M1 (M steht für „Money“) umfasst den Bargeldumlauf (Münzen und Banknoten) sowie täglich fällige Sichteinlagen, etwa auf Girokonten. Sie ist das am engsten gefasste monetäre Aggregat und spiegelt die Liquiditätslage der Verbraucher und Unternehmen wider.

Aussagekraft M1 gilt als zuverlässiger monetärer Frühindikator, der gegenüber der Realwirtschaft einen Vorlauf von rund drei Quartalen hat. Da die in M1 enthaltenen Geldbestände unmittelbar für den Zahlungsverkehr zur Verfügung stehen, signalisiert ein Anstieg eine wachsende Ausgabebereitschaft der Verbraucher und Unternehmen.

Entwicklung M1 ist im Dezember um nominal 3,2 Prozent und real um 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. Dies war der höchste Wert des gesamten Jahres. Allerdings besteht die Gefahr, dass der Anstieg auch auf Portfolioumschichtungen der Bürger und Unternehmen beruht, die wegen der Finanzkrise und eines trotz Rettungsschirm bestehenden Misstrauens gegenüber den Banken verstärkt Bargeld halten. Die Januar-Daten will die Europäische Zentralbank am 3. März bekannt geben.

ifo-Geschäftsklima

ifo-Geschhäftsklima

Struktur Der seit 1971 erstellte Geschäftsklimaindex geht auf monatliche Befragungen von rund 7000 Unternehmen aus verarbeitendem Gewerbe, Bau, Groß- und Einzelhandel zurück. Die Unternehmen beurteilen ihre aktuelle Geschäftslage (gut/befriedigend/schlecht) und ihre Erwartungen für die nächsten sechs Monate (günstiger/gleich/ungünstiger). Der Saldo der Geschäftslage ist die Differenz der Prozentanteile der Antworten „gut“ und „schlecht“, der Saldo der Erwartungen die Differenz der Prozentanteile der Antworten „günstiger“ und „ungünstiger“. Das Geschäftsklima ist ein Mittelwert beider Salden. 

Aussagekraft Der Index hat unter Ökonomen einen guten Ruf. Faustregel: Dreht der Index dreimal hintereinander in die gleiche Richtung, zeigt dies einen bevorstehenden konjunkturellen Wendepunkt an. Zwischen 1970 und 2006 hat der Index laut ifo die „weitaus überwiegende Zahl der Wendepunkte frühzeitig signalisieren“ können. Die Realwirtschaft folge im Schnitt 1,3 Quartale später. 

Entwicklung Das Geschäftsklima hat sich im Januar erstmals seit Mai 2008 verbessert, vor allem dank besserer Werte in Handel und Baubranche. Während die Betriebe ihre aktuelle Lage schlechter als im Vormonat bewerteten (der Teilindex sank auf den niedrigsten Stand seit April 2003), stieg der Erwartungsindex um 2,5 auf 79,4 Zähler.

ZEW-Finanzmarkttest

ZEW-Index

Struktur Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim befragt seit 1991 monatlich rund 350 Finanzexperten bei Banken, Versicherungen und großen Industrieunternehmen, wie sie die Entwicklung der kommenden sechs Monate sehen. Der Saldo von positiven und negativen Prognosen ergibt den „Index der Konjunkturerwartungen“. Glauben zum Beispiel 35 Prozent der Analysten, es gehe aufwärts, und 40 Prozent, die Lage werde schlechter, so liegt der Indikator bei minus fünf Punkten. Zusätzlich ermittelt das ZEW einen Lageindex, der die Einschätzungen zur aktuellen Situation widerspiegelt. 

Aussagekraft Die ZEW-Zahlen sind volatiler als die des ifo Instituts, und die Zahl der Befragten ist nicht übermäßig hoch. Manche Ökonomen betrachten das ZEW-Barometer als ein von Tageslaunen abhängiges Leichtgewicht. Gleichwohl hat der Index in der Vergangenheit konjunkturelle Wendepunkte nicht selten eher angezeigt als der große ifo-Bruder, da die Akteure an den Finanzmärkten – stärker als Industriemanager – die monetären Einflussfaktoren der Konjunktur im Blick haben. 

Entwicklung Der Lageindex sinkt weiter, der Erwartungsindex aber ist im Januar gestiegen. ZEW-Chef Wolfgang Franz: „Niemand denkt, die Finanzkrise sei vorbei. Aber das Vertrauen in den Rettungsschirm wächst. Die Analysten glauben, dass der Abwärtstrend Mitte des Jahres endet.“

Konsumklima

GFK-Konsum

Struktur Das Marktforschungsunternehmen GfK befragt seit 1980 monatlich 2000 Verbraucher über ihr Ausgabe- und Sparverhalten sowie ihre aktuellen Einkommens- und Konjunkturerwartungen. 

Aussagekraft Der private Konsum macht rund 56 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts aus, daher ist ein Stimmungsbild aus dem Lager der Konsumenten wichtig. Allerdings sind Stimmungen noch lange keine Käufe – konkrete Geschäftsprognosen für den Handel lassen sich daraus kaum ableiten.

Entwicklung Die Verbraucher trotzen (noch) der Krise: Der Einzelhandel murrt zwar, weil die Umsätze real schrumpfen, doch von echter Kaufverweigerung ist derzeit wenig zu spüren. Das Konsumklima hat sich nach seinem Jahrestief im September sogar etwas erholt und blieb im Februar trotz täglicher Horrormeldungen aus der Wirtschaft stabil. Die Bereitschaft der Bürger zu größeren Anschaffungen ist sogar gestiegen – der entsprechende Teilindex liegt nun sogar über seinem langfristigen Mittelwert. Allerdings: Ein anhaltender Einbruch am Arbeitsmarkt könnte den Trend schnell wieder in die andere Richtung drehen. Die von der GfK ebenfalls erhobenen Einkommenserwartungen der Bundesbürger sind zuletzt deutlich gesunken. 

Den nächsten Konsumklimaindex gibt die GfK am 26. Februar bekannt.

Earlybird

Earlybird-Index

Struktur Der Earlybird-Indikator wird von der Commerzbank jeden Monat exklusiv für die WirtschaftsWoche berechnet. Er setzt sich aus drei Komponenten zusammen – dem realen Dreimonatszins als wichtige monetäre Größe (Gewichtung: 50 Prozent), dem realen Euro-Außenwert als Signal für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Exportwirtschaft (Gewichtung: 25 Prozent) und dem US-Einkaufsmanagerindex ISM als Barometer für die Weltkonjunktur (Gewichtung: 25 Prozent). 

Aussagekraft Der Indikator hat einen Vorlauf vor der Konjunktur von sechs bis neun Monaten. Nach einer Studie von Ökonomen der Berliner Humboldt-Universität, die 2002 die Qualität verschiedener Frühindikatoren untersuchten, besitzt „der von der WirtschaftsWoche publizierte Earlybird die besten Vorlaufeigenschaften“.

Entwicklung Der Earlybird hat im Januar zum dritten Mal in Folge zugelegt – um 0,5 auf minus 0,25 Punkte. Ein „Hoffnungssignal für die Wirtschaft“, sagt Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. „In den kommenden beiden Monaten dürfte der Earlybird wieder über die Nulllinie steigen.“ In der Vergangenheit war dies ein Signal für eine Trendwende. Grund für den aktuellen Anstieg: Der US-Einkaufsmanagerindex ist gestiegen, und die Entspannung am Geldmarkt ließ den Dreimonatszins im Monatsschnitt um über 80 Basispunkte fallen.

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