Konsolidierungsdruck Düstere Aussichten für internationale Autozulieferer

Die internationale Autozulieferindustrie hat sich schneller als erwartet erholt, die Margen sind höher als je zuvor. Aber die Freude darüber dürfte nur kurz anhalten: Der Druck der Autobauer und der hohe Kapitalbedarf belasten die Branche, der Konsolidierungsdruck hält an. Weltweit gilt ein Fünftel aller Zulieferer bei der nächsten Krise als insolvenzgefährdet. Das ist das Ergebnis zweier Branchenstudien der Unternehmensberatungen A.T. Kearney und Roland Berger.

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Trübe Aussichten: Roboter in Quelle: AP

Nach der Krise 2008 und 2009 hat sich die weltweite Automobilzulieferindustrie in diesem Jahr rasant erholt. Inzwischen haben die weltweiten Umsätze fast das Vorkrisenniveau erreicht, die Profitabilität wird nach Einschätzung der Strategieberater von Roland Berger und der Finanzspezialisten von Lazard mit einer Umsatzrendite von bis zu sechs Prozent in diesem Jahr vermutlich einen neuen Rekord markieren. Haupttreiber der Erholung sind die boomenden Automärkte Chinas, Brasiliens und Indiens. Etwas verhaltener verläuft die Entwicklung in den noramerikanischen Märkten, in Europa und Japan.

Eine Umfrage der Unternehmensberatung A.T. Kearney und der Marktforschung SupplierBusiness unter weltweit mehr als 220 leitenden Managern von Automobilzulieferern präzisiert den Trend: Danach rechnen in China und Indien 94 Prozent aller Zulieferer mit einem nachhaltigem Umsatzwachstum. In Amerika sind es 92 Prozent, in Europa 64 Prozent. "In Europa ist das Bild geteilt - die deutschen Premiumhersteller profitieren von der starken Auslandsnachfrage, andererseits leiden viele Volumenhersteller nach dem Auslaufen der staatlichen Unterstützungsprogramme unter schwächerer Nachfrage", sagt Andreas Gräf, Co-Autor der Studie.

76 Prozent aller Zulieferer sehen eine Verbesserung des Wirtschaftsklimas gegenüber 2009. Knapp 60 Prozent gehen sogar von einem mehr als 20-prozentigen Umsatzwachstum gegenüber dem Vorjahr aus. "Wir erwarten für die Automobilzulieferindustrie ein stabiles Wachstum und eine deutliche Verbesserung des Wirtschaftsklimas", sagt Martin Haubensak, Autospezialist bei A.T. Kearney.

Allerdings sind viele Zulieferer von der Größe der Auftragswelle überrascht worden: Teilweise kann die Nachfrage mit den im Zuge der Krise reduzierten Produktionskapazitäten derzeit nicht mehr abgearbeitet werden. "Vor allem Zulieferer, die in der Krise Kapazitäten stark abgebaut haben, kämpfen heute mit Lieferschwierigkeiten", sagt Gräf. Immer wichtiger werde deshalb die Einführung flexibler Konzepte, um dem kürzeren Bestellvorlauf und der gestiegenen Volatilität gerecht zu werden. „Teilweise hat sich der Planungsvorlauf auf wenige Wochen reduziert, damit steigen die schon hohen Anforderungen an Flexibilität nochmals deutlich an", sagt Haubensak.

Mittelfristig schwere Zeiten

Während der Krise hatten die Zulieferer allerdings kräftig Federn gelassen: "Die Branche hat weltweit rund 200 Milliarden Euro Umsatz, 75 Milliarden Euro Vorsteuergewinn und 15 Milliarden Euro Eigenkapital eingebüßt", schätzt Eric Fellhauer, Geschäftsführer bei Lazard. Rund um den Globus mussten 350 Zulieferer Insolvenz anmelden.

Trotzdem hat es die Branche geschafft, im Katastrophenjahr 2009 den Cashflow zu verbessern - durch Investitionskürzungen, Verringerung des Umlaufvermögens durch sparsamere Lagerhaltung und einer deutlichen Reduzierung vor allem der Personalkosten. Durch die steigenden Umsätze – der Branchenabsatz weltweit hat fast das Vorkrisenniveau erreicht – dürfte 2010 eine Rekord-Umsatzrendite von rund sechs Prozent erreicht werden, vermutet Marcus Berret, Partner bei Roland Berger Strategy Consultants.

Schon mittelfristig prophezeien die Berater den Automobilzulieferer allerdings schwere Zeiten: "Vor allem der wachsende Druck der Autobauer wird die Margen belasten", glaubt Berret. Erschwerend hinzu kommt: „Bis 2015 muss die Branche ein Volumen von rund 130 Milliarden Euro refinanzieren.“ Beides zusammengenommen sei eine enorme Herausforderung.

Die Autobauer selbst stehen dabei vor einem Dilemma: Einerseits können sie es sich nicht leisten, dass Wettbewerber sich bei Zulieferern bessere Konditionen sichern als sie selbst haben. Andererseits ist durch den Druck eine große Gruppe strukturschwacher Zulieferer mit nur noch begrenzter Innovations- und Investitionsfähigkeit entstanden. Die Risikogruppe schätzen die Berger-Lazard-Berater auf etwa 20 Prozent aller weltweiten Zulieferer.

Die Studie empfiehlt der Branche darum, ihre operative Leistung weiter verbessern, die Preisdisziplin zu steigern und sich auf profitable Geschäfte zu konzentrieren, statt um jedes einzelne Projekt zu kämpfen. Zudem müssten sie sich um neue Finanzierungsquellen bemühen. "Die Autohersteller sollten die Zusammenarbeit mit ihren Zulieferern intensivieren“, fordert Berater Berret. Außerdem sollten sie die Konsolidierung strukturschwacher Produktsegmente fördern.

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