Krankenversicherung Wie krank ist ihre Kasse?

Seite 4/4

Arbeiten am Quelle: AP

Doch selbst wenn sich die Kassen innerhalb ihrer Haftungsverbünde auf eine größere Transparenz verständigen könnten, bleibt das existenzielle Problem dieser Solidargemeinschaft ungelöst: Nach wenigen Pleiten geht ihr schlicht die Luft aus. Denn für den Haftungsfall wird kein Geld angespart, sondern es muss im Ernstfall von den anderen Kassen bis zu einer bestimmten Höhe auf Abruf zur Verfügung gestellt werden. Schon die Schließung der kleinen City BKK mit 167 000 Mitgliedern wird die anderen Betriebskrankenkassen geschätzte 150 Millionen Euro kosten. Bisher zahlen die Kassen anteilig nach eigener Größe. Aus Sorge vor weiteren Pleiten diskutiert der Verband nun über eine asymmetrische Verteilung: Wer finanziell belastbarer ist, soll auch mehr zahlen – damit die Sorgenkassen nicht als Nächste fallen.

Was bei den mehr als 100 BKKs im Einzelfall noch klappen kann, könnte die Ersatzkassen umwerfen. Zu dem Verband zählen Schwergewichte wie die beiden Branchenführer Techniker Krankenkasse und Barmer-GEK mit zusammen mehr als 16 Millionen Versicherten. Nicht die, sondern die DAK mit ihren 5,8 Millionen Versicherten schlägt den Vorständen der anderen Ersatzkassen aufs Gemüt. Das Versicherungsamt ließ wissen, aufgrund der Faktenlage hätten die Hamburger Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzsituation zu ergreifen – klare Worte wie selten.

Dominoeffekt, wenn große Kasse insolvent geht

Die Kasse argumentiert, dass sie allein die schwerkranken Kunden 700 Millionen Euro im Jahr mehr kosteten, als der Gesundheitsfonds ihr zuweise. DAK-Chef Herbert Rebscher erklärt: „Wir sind nicht von Schließung oder Fusion bedroht.“ Experten kalkulieren bereits, dass die Ersatzkassen-Gemeinde nach den gesetzlichen Vorgaben mit bis zu 1,2 Milliarden Euro haften müsste. Ein Mitglied des Ersatzkassen-Verbundes prophezeit: „Wenn eine große Kasse insolvent würde, führte das zu einem Dominoeffekt innerhalb der Ersatzkassen. Das ließe sich nicht mehr auffangen.“ Betroffen wären zunächst die rund 24,5 Millionen Ersatzkassen-Versicherten, aus deren Beiträgen die Rettung bezahlt werden müsste. Darüber hinaus müssten dann alle GKV-Versicherten einspringen.

Eine weitere Zeitbombe schlummert bei den Rentenverpflichtungen für die Kassenmitarbeiter. Die Kassen müssen gesetzlich vorgeschriebene Rückstellungen bilden. Schon 2007 wurde die Höhe auf 10 Milliarden Euro taxiert, eine neue Umfrage des Versicherungsamtes läuft gerade. „Da kommen milliardenschwere Verpflichtungen auf viele Kassen zu, die finanziell kaum zu überblicken sind und zu den am leichtesten zu versteckenden Posten in den Kassenbilanzen gehören“, sorgt sich SBK-Chef Unterhuber. „Ich schätze, dass nur ein Bruchteil bilanziert wird, und ob die jetzt vorgeschriebenen Angaben im Anhang der Bilanz vollständig gemacht werden, ist nicht sicher.“ Auch Thierhoff von der Techniker Kranken-kasse sieht das Problem: „Da werden bei vielen Krankenkassen Rücklagen und die Kosten für ihre Verwaltung nur in die Zukunft verschoben.“

Die Politik weiß das und hat das Pensionsproblem aus ihrer Sicht erfolgreich wegorganisiert. Die Kassenverbände einigten sich mit der Aufsicht darauf, den Rücklagenaufbau für diese Milliardenverpflichtungen bis zum 31. Dezember 2049 zu strecken.

Passt schon. Irgendwie. Vielleicht.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%