Krisenmanagement Siemens setzt auf Kurzarbeit

Die Wirtschaftskrise ist nun auch bei Siemens angekommen. Da die Bestellungen sinken, soll die Kurzarbeit ausgeweitet werden. Seine Gewinnprognose wird der Konzern kaum halten können.

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Nicht für jeden Quelle: AP

Lange Zeit schien der Mischkonzern Siemens glimpflich durch die Wirtschaftsflaute zu kommen, doch nun kommen die konjunkturellen Einschläge näher. Die Bestellungen sinken, die Kurzarbeit wird in der Folge ausgeweitet. Und ein Ende des Abwärtstrends ist nicht in Sicht.

„Wir müssen uns auf eine deutliche Anpassung der Nachfrage über einen längeren Zeitraum einstellen“, sagte Finanzchef Joe Kaeser am Donnerstagabend in München. Die Durstrecke werde „eher zwei Jahre denn zwei Quartale“ andauern. „Ich glaube, dass wir in vielen Geschäften den Boden noch nicht gesehen haben.“

Auf die Siemens-Beschäftigten kommen damit härtere Zeiten zu. „Sie können davon ausgehen, dass wir die Kurzarbeit deutlich über die kommunizierten 7.000 Mitarbeiter ausweiten werden“, sagte Kaeser. Dabei würden auch mehr Konzernbereiche betroffen sein als bisher. „Wir sind der Auffassung, dass Kurzarbeit ein sehr probates Mittel ist.“ Die Kosten würden gesenkt, gleichzeitig aber sichergestellt, dass die Produktion schnell wieder aufgenommen werden könne.

Krise im Industriegeschäft und bei der Lichttechnik

Bei Siemens leidet insbesondere das Industriegeschäft, das immerhin gut die Hälfte zum Konzernumsatz beisteuert. Besonders schlimm trifft es dabei die Industrieautomatisierung. Die bisherige Ertragsperle hängt stark am Maschinenbau, wo die Bestellungen in den vergangenen Monaten in noch nie dagewesenem Umfang eingebrochen waren. Bei der Lichttechnik-Tochter Osram hat die Absatzkrise der wichtigen Autokunden tiefe Spuren hinterlassen. Kaeser prophezeite „enttäuschende Ergebnisse“.

Siemens hat schon viele Beschäftigte in den Sparten Industrieautomatisierung und Lichttechnik auf Kurzarbeit geschickt. Wie Kaeser ausführte, reicht das aber nicht mehr aus, um den Abschwung abzufedern. Er kündigte die Ausweitung der Kurzarbeit auch auf andere Konzernbereiche an.

Im zweiten großen Standbein Medizintechnik läuft etwa das Geschäft mit bildgebenden Verfahren wie der Kernspintomographie nur noch schleppend. Auch der Bereich Verkehrstechnik macht Sorgen. Zwar konnte Siemens kürzlich einen Großauftrag für 100 Hochgeschwindigkeitszüge in China ergattern, doch Fehlplanungen wie bei der reparaturanfälligen Combino-Straßenbahn führten immer wieder zu hohen Verlusten.

Konzern übernimmt immer öfter die Finanzierung

Uneingeschränkt gut sieht es nur noch im Geschäft mit Kraftwerken, Windkraftanlagen und Stromnetzen aus. „Der Energiezyklus ist noch intakt“, sagte Kaeser.

Angesichts dessen rechnet der Finanzchef auch noch im laufenden zweiten Geschäftsquartal damit, dass der Auftragsbestand steigt. Dabei muss der Konzern aber immer häufiger für die Finanzierung selbst in die Bresche springen, weil Banken den Kunden keine Kredite mehr gewähren. „Die Nachfrage hat ganz massiv zugenommen“, sagte Kaeser.

Doch trotz dieser Stützung sinken die Bestellungen, wie er einräumte. Zu Stornierungen sei es dagegen noch nicht in nennenswertem Umfang gekommen, wohl aber zu Verschiebungen in einzelnen Geschäften. „Wir gehen sehr konservativ mit der Auftragsbuchung um.“

Siemens-Chef Peter Loescher Quelle: REUTERS

Das Ergebnis im Kerngeschäft will Deutschlands größter Industriekonzern trotz aller Negativnachrichten im laufenden Quartal deutlich steigern. Das ist allerdings insofern leicht, als im Vorjahreszeitraum hohe Abschreibungen den Gewinn kräftig auf knapp 1,3 Milliarden Euro gedrückt hatten. Im Gesamtjahr will Siemens weiterhin ein Rekordergebnis von 8,0 bis 8,5 Milliarden Euro einfahren. „Solange es keine neue Zahl gibt, gilt die alte“, sagte Kaeser. Er schränkte aber ein: „Wir werden das neu bewerten.“

Erst am Mittwoch hatte Konzernchef Peter Löscher in einem Interview Zweifel daran geweckt, dass Siemens das Ziel erreichen wird. „Seit Januar ist das Umfeld noch einmal erheblich schlechter geworden“, sagte Löscher. „Wir werden die Situation neu bewerten und uns bei Vorlage der Quartalszahlen am 29. April zur Gewinnprognose äußern.“ Auch Siemens könne sich der Krise nicht entziehen. „Wir sind nicht immun.“

Analysten rechnen schon länger mit einer Prognosesenkung. Sie gehen im Schnitt von einem operativen Gewinn aus, der mehr als eine Milliarde Euro unter der unternehmenseigenen Prognose liegt.

Milliardenschwere Einsparungen sollen helfen

„Dass die Zeiten nicht einfacher geworden sind, ist klar“, räumte Kaeser ein. „Die Weltwirtschaft befindet sich in der größten Krise seit dem zweiten Weltkrieg.“ Von den weltweit anlaufenden staatlichen Konjunkturhilfen verspricht er sich erste Aufträge erst im kommenden Jahr und Umsatz noch später. „Wir sollten nicht mit einer kurzfristigen Belebung aus diesen Programmen rechnen.“

Kaeser setzt bis zur Besserung der Lage auf die milliardenschweren Einsparungen in Vertrieb und Verwaltung und auf strikte Kostendisziplin. Der Vorstand schränkt die Investitionen ein, lässt den Aktienrückkauf bis auf Weiteres ausgesetzt und setzt sich auch bei Übernahmen enge Grenzen. „Oberste Priorität hat die Sicherung der Liquidität“, betonte der Finanzchef. Wie es genau um das Unternehmen steht, wird die Zwischenbilanz Ende April zeigen. Kaeser warnte aber vor Panikmache: „Die Krise hat Siemens erreicht, aber Siemens ist nicht in der Krise.“

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