Kundenzufriedenheit Bankkunden fühlen sich vernachlässigt

Die deutschen Banken sind für den Kampf um Privatkunden schlecht gerüstet. Eine Studie enthüllt: Die Verbraucher fühlen sich vernachlässigt.

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Kunden lockt das kostenlose Quelle: dpa

Anshu Jain, Chef der Investmentbanker bei der Deutschen Bank in London, galt lange Zeit als Favorit für die Nachfolge von Josef Ackermann an der Spitze des größten deutschen Geldhauses. Wer sonst, hieß es, könnte besser für den Posten geeignet sein, als derjenige, der das Kerngeschäft der Bank am besten beherrscht. Kaum einer dachte ernsthaft an Privatkundenvorstand Rainer Neske. Dessen Sparte brachte 2007 nur halb so viel Ertrag wie das Investment Banking und wurde bei der Deutschen Bank lange Zeit eher als Beiwerk abgetan.

Doch der Wind hat sich um 180 Grad gedreht — in Zeiten der Finanzkrise gilt ein Investmentbanker schlicht als nicht mehr durchsetzbar, und plötzlich wird Neske als heißester Anwärter für die Thronfolge gehandelt. Nicht nur bei der Deutschen Bank, in der gesamten Branche haben sich nach den Ereignissen der vergangenen Monate intern die Gewichte grundlegend verschoben: weg von riskanten Investments, hin zu stabilen Geschäften. Das Privatkundengeschäft, das lange Zeit als eher lästiges Stiefkind galt, soll nun zur Cashcow werden.

Das wünschen sich jedenfalls die Manager. Sie wollen nun Kontoinhaber, Sparer und Kreditkunden umwerben, um den Rückgang der Erträge im Investment Banking aufzufangen. Christoph Pape, der sich mit seiner Unternehmensberatung auf das Thema „Systematische Hebung von Ertragspotenzialen“ spezialisiert hat, spürt das im täglichen Kontakt mit den Bankern. Selbst solche, die seine Ideen vor einigen Jahren noch belächelt hätten, hörten neuerdings ganz genau zu.

Nicht erst seit der Finanzkrise ist der Ruf der Banken ramponiert

Die Frage ist nur – welche Bank besitzt überhaupt das Rüstzeug, um künftig die Gunst der privaten Kunden zu gewinnen? Nicht erst seit der Finanzkrise ist der Ruf der Banken ramponiert. Die Zahl der Kunden ist so hoch wie nie, die sich falsch beraten fühlen, denen Bankberater unter hohem Vertriebsdruck flaue Produkte aufgedrängt haben. Eine in dieser Woche veröffentlichte Studie der Unternehmensberatung Investors Marketing, für die 1200 Bankkunden befragt wurden, kommt zu einem verheerenden Ergebnis: Die deutsche Bankenlandschaft ist eine wahre Service- und Qualitätswüste.

Mehr als 80 Prozent der Befragten empfinden es bereits als außergewöhnliches Qualitätsmerkmal, wenn das Personal einer Bank freundlich ist, Aufträge fehlerfrei ausführt und zuverlässig ist — im Prinzip also die Mindestanforderungen erfüllt. Gleichzeitig aber werden die Kunden immer kritischer – und wählerischer: Ihre Hausbank zu wechseln, dazu waren vor zwei Jahren nur wenige bereit – zumeist notorische Preisfüchse, die immer nach dem günstigsten Produkt suchen.

Und heute? Der Befragung zufolge zieht es immer mehr Kunden weg von ihrem Institut. Selbst solche wandern ab, die der Preis nach eigenen Angaben gar nicht interessiert. Hochgerechnet vier Millionen der 18- bis 70-Jährigen wollen innerhalb der nächsten 24 Monate zu einer anderen Bank wechseln. Der Grund dafür sind entweder zu hohe Gebühren oder schlechte Erfahrungen mit der eigenen Hausbank.

Der größte Teil der Wechselwilligen kommt mit 43,6 Prozent von den Sparkassen und mit 13,6 Prozent von den Volks- und Raiffeisenbanken. Was zunächst erschreckend klingt, relativiert sich bei einem Blick auf die Marktanteile der Institute, die in derselben Größenordnung liegen. Auffällig hoch dagegen ist die Zahl der Wechselwilligen bei der Dresdner Bank. Mit 9,2 Prozent ist der Anteil der Dresdner-Kunden an der Gesamtheit der wechselwilligen Bankkunden mehr als viermal so hoch wie der Marktanteil.

Bankkunden wollen nicht auf Quelle: AP

Wohin es die Kunden zieht, sagt die Studie: Hauptsächlich zur Commerz- und zur Postbank. „Der Grund ist in den meisten Fällen das kostenlose Girokonto“, sagt Oliver Mihm, Chef von Investors Marketing. Bei der Wahl einer neuen Hausbank ist dies eines der wichtigsten Kriterien, rund sechsmal wichtiger als die Beratung.

Doch ein guter Preis allein reicht längst nicht mehr aus. Die Kunden wollen als Gegenleistung für geringe oder gar keine Gebühren Unannehmlichkeiten nicht mehr in Kauf nehmen. Waren bei einer Befragung im Jahr 2006 noch 24 Prozent der Interviewten bereit, für günstige Preise auf viele Geldautomaten zu verzichten, so sind es heute gerade einmal noch acht Prozent. Individuelle Beratung hielten vor zwei Jahren 27 Prozent für zweitrangig, jetzt sind es sechs Prozent weniger. Durch den jahrelangen Preiswettbewerb wurden die Angebote für die Kunden immer besser. Sie bekamen immer mehr Leistung für immer weniger Gebühr – dem haben sich die Erwartungen der Kundschaft angepasst.

Das wird nun zum Problem für die Banken. Denn auf diese neuen Ansprüche sind sie gerade nicht vorbereitet, zeigt die Kundenbefragung. „Das Qualitätsniveau ist aus Kundensicht einheitlich schlecht“, sagt Mihm. Mehr als 80 Prozent der Befragten empfinden es bereits als außergewöhnlich, wenn ihre Bank zugesagte Leistungen einhält oder Aufträge schnell ausführt.

Punkten mit außergewöhnlichem Tagesgeschäft

Ein niederschmetterndes Urteil. Die Kritik trifft alle Institute - von den privaten Banken über die Volks- und Raiffeisenbanken bis hin zu den Sparkassen. Keine Institutsgruppe fällt bei der Befragung positiv auf, ob es um die Beratung oder den Service bei alltäglichen Bankgeschäften geht.

„Dabei ist gerade ein guter Service eine einfache aber effektive Möglichkeit, um sich von anderen Banken abzusetzen“, sagt Pape. Viele Volksbanken und Sparkassen hätten sich bislang nicht einmal damit auseinandergesetzt, dass sie dadurch Kunden halten und neue gewinnen könnten.

Da sich die Produkte mittlerweile immer ähnlicher sind – wie Autos, die bald alle Airbag und Klimaanlage haben –, können sich die Institute hierüber kaum mehr von ihren Wettbewerbern abgrenzen. Hinzu kommt, dass der Kunde die Qualität eines Produkts und damit der Beratung in den meisten Fällen, wenn überhaupt, erst nach Jahren wirklich messen kann – auf seinem Konto. Schlussfolgerung für die Banken: Sie müssen mit einem außergewöhnlichen Tagesgeschäft punkten.

Doch bei vielen Banken mangelt es an ganz grundlegenden Dingen. Kunden empfinden der Studie zufolge beispielsweise das Personal als unfreundlich und oft auch inkompetent. Dadurch, dass viele Banken dazu übergegangen sind, die alltäglichen Dienstleistungen wie die Verwaltung von Sparbüchern, Bargeldauszahlungen oder die Vergabe von Konsumentenkrediten von fachfremden Servicekräften und nicht mehr von Bankern durchführen zu lassen, kommt es oft vor, dass der Kunde auf einen Angestellten trifft, der kompliziertere Fragen nicht beantworten kann.

Um den Trend zu drehen, ist Mihm überzeugt, müsste bei den Banken endlich „ein Paradigmenwechsel stattfinden“. Die Branche sei nach wie vor mehr auf Kosteneffizienz denn auf konsequente Kundenorientierung getrimmt. „Es machen sich zu wenige Institute nachhaltig Gedanken darüber, wie man die Kunden einmal wirklich positiv überraschen oder ihnen zeigen kann, wie wichtig sie einem sind.“

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