Kunstmarkt Der Händler, der nicht nein sagen konnte

Der Name Ernst Beyeler steht schon seit langem für Qualität in der Kunstszene. Die Museumsstiftung des Mitbegründers der Art Basel wird durch den Erlös einer Christie's-Auktion gesichert.

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Pablo Picasso: Der Verkauf der

In den New Yorker und Londoner Auktionen fiel seine schlanke, gepflegte Erscheinung in den hinteren Reihen des Saales auf. Er bot diskret, ohne die Allüre publizitätssüchtiger Händler, als Käufer und Verkäufer stets ein Grandseigneur. Doch nicht die Aura, sondern Taten zählen. Und zu denen gehören über 250 Ausstellungen, die Mitgründung der Kunstmesse „Art Basel“ und eine Museumsstiftung.

Die Rede ist von dem Baseler Galeristen Ernst Beyeler, der im Februar letzten Jahres verstarb. Er war über 50 Jahre einer der maßgeblichen Händler der Moderne in Europa, dessen Integrität und Seriosität in einem notorisch von Gerüchten zehrenden Markt sprichwörtlich waren.

Im Mai wurde die Galerie geschlossen. Ihr Gründer war im Februar 2010 mit 88 Jahren verstorben. Als am 21. und 22. Juni bei Christie’s Werke aus dem Galeriebestand und Beyelers Privatsammlung zugunsten einer „langfristigen Sicherung der Fondation Beyeler“ unter den Hammer kamen, so war das ein postumer Reflex auf ein Lebenswerk, das einen universellen Geschmacksradius hatte.

Werke der Galeriesäulen Picasso, Bonnard, Klee, Giacometti, Léger und Lichtenstein waren darunter sowie die für 6,4 Millionen Pfund (7,2 Millionen Euro) verkaufte Gauguin-Landschaft „Le Vallon“ neben Gemälden von Baselitz und Kiefer. Christie’s erzielte erwartungsgemäße 49,6 Millionen Pfund.

Es ist die letzte Blütenlese eines Händlerlebens, das 1945 nach einem Studium der Ökonomie und Kunstgeschichte an der Universität Basel begann. In diesem Jahr übernahm Ernst Beyeler das Antiquariat von Ernst Schloss in der Baseler Bäumleingasse. 1947 begann die Ausstellungstätigkeit mit japanischen Holzschnitten. Ab 1951 prägte die Klassische Moderne in Solo- und Kollektivausstellungen das Programm.

Es war die goldene Ära der Akquisition. Der Kunstmarkt war nicht annähernd so global wie heute, das vertrauensvolle Zusammenspiel von Händlern und Sammlern noch nicht durch die Bandagenkämpfe der Auktionshäuser belastet.

So fiel es dem zielstrebigen Händler nicht schwer, schon bis 1959 mit Ausstellungen Sammler, Künstler und Museumsleiter zu begeistern. Der finanzielle Einsatz war beträchtlich, mit jedem wichtigen Ankauf wuchs der Schuldenberg. „Dieses Nicht-nein-sagen-Können, wenn ein wichtiges Bild auftauchte, war meine Schwäche, es wurde jedoch meine Stärke“, betonte er 2001 in einer Rede zu seinem 80. Geburtstag.

Von Cézanne bis Pollock

So konnte er allmählich einen Stock aufbauen, dessen Wert sich mit dem Aufblühen des Kunstmarkts rapide steigerte, und sich die nach eigenen Worten „ergiebigste Goldmine“ seiner Laufbahn erschließen: die Sammlung des Pittsburgher Stahlmagnaten David Thompson. Daraus erwarb Beyeler im Laufe der sechziger Jahre über 600 Werke von Cézanne bis Pollock.

Der waghalsige Coup war von Anbeginn mit Erfolg gekrönt. 1960 erwarb die Landesregierung Nordrhein-Westfalen als Grundstock eines neu zu gründenden Landesmuseums 98 Werke von Paul Klee aus der Thompson-Sammlung. Beyeler hatte sie im Tausch gegen Bilder von Cézanne, Matisse und Bazaine erworben.

Schmalenbach, der als Leiter der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen über Hannover an den Rhein kam, hielt dem erfolgreichen Galeristen auch bei weiteren Ankäufen die Treue. So etwa bei Légers kubistischem Gemälde „Contraste de Formes“, das er 1962 für 320.000 DM bei Beyeler erwarb. Auch die amerikanischen Museen, allen voran das New Yorker Museum of Modern Art, wurden seine Kunden.

Der Thompson-Deal war das Tor zur Weltgeltung, die den Mann mit gutem Auge und großem Verhandlungsgeschick zu einem der „Power-Dealer“ der Welt machte. Hinzu kam die Gabe, früh zu erkennen, welche Künstler die Marktmagneten der Epoche würden, und in sie zu investieren. So erwarb er schon 1951 Kandinskys frühe Abstraktion „Improvisation No. 10“ für 18.000 Schweizer Franken von dem Kölner Kunsthändler Ferdinand Moeller. 20 Jahre später übernimmt er über 100 Werke aus dem Kandinsky-Nachlass.

Nachholbedarf bei Werken der klassischen Moderne

Um die „Improvisation No. 10“ gab es Ende der Neunziger einen Rechtsstreit. Das Gemälde gehörte zu einer von den Nazis enteigneten Gruppe von Werken aus dem Besitz von Sophie Küppers-Lissitzky, die auf Restitution klagte. 2002 einigten sich beide Parteien gütlich, und die vielpublizierte Ikone konnte in der Fondation Beyeler bleiben.

1962 erwirbt er aus der Thompson-Sammlung 90 Werke von Alberto Giacometti. Der größte Teil dieses Konvoluts wird bereitgestellt, um eine Alberto Giacometti-Stiftung zu gründen. Beyeler ermöglicht diese Gründung auch, nachdem der Gemeinderat der Stadt Zürich einen Kredit von vier Millionen Schweizer Franken für den Ankauf abgelehnt hatte. Zu dieser Zeit lagen die Höchstpreise für Giacometti-Skulpturen bei 60.000 Dollar. 2010 wurde bei Sotheby’s ein Rekordpreis von 104 Millionen Dollar für „L’Homme qui marche I“ geboten.

1970 gab der Galerist der „Badischen Zeitung“ zu Protokoll, dass 40 Prozent seiner Kunden aus Amerika stammten, zehn Prozent aus der Schweiz und noch mehr aus der Bundesrepublik, weil dort noch immer ein Nachholbedarf bei Werken der klassischen Moderne herrsche.

Waren Beyelers Ausstellungen mit ihren exemplarischen Katalogen – sie gelten als die schönsten ihrer Zeit – schon damals in aller Munde, wuchs seine Popularität in den Folgejahren weiter. Kein amerikanischer Sammler, der seine Europareise anlässlich der Biennale in Venedig und der Art Basel plante, sparte die Sommerausstellungen an der Bäumleingasse aus.

Als Arrangeur seiner Ausstellungen lief Beyeler stets zu hoher Form auf. „Das Aufregendste ist für mich das Hängen der Bilder: verschiedenartige Werke so zu platzieren, dass sie für eine bestimmte Zeit eine Art Gesamtkunstwerk darstellen“, bekannte er 2003 in Gesprächen mit dem Publizisten Christophe Mory.

Hochkarätige Retrospektiven

Wer die wichtigsten Ausstellungen der Galerie Revue passieren lässt, findet hochkarätige Retrospektiven: Cézanne, Matisse, Mondrian, Léger, Chagall, Matisse, Dubuffet, Bacon. Daneben gibt es immer wieder Einblicke in das Werk von Picasso, den Beyeler 1966 kennenlernt und der ihn spontan eine Auswahl aus seinem Atelierbestand treffen lässt. In den achtziger Jahren kommen Rauschenberg, Baselitz und Tàpies hinzu, alles was gut und teuer ist und museale Aura hat.

Immer wieder werden Leihgaben aus Privatsammlungen oder Museumsbesitz neben den verkäuflichen Werken gezeigt. Das Museum of Modern Art, zu dem der Galerist beste Beziehungen pflegt, leiht ihm besonders gern aus. 1989 hängt in einer Schau von Seerosenbildern Claude Monets auch ein verkäufliches Werk aus dem MoMA.

Es wandert neben drei weiteren Bildern der Ausstellung nach Japan. Auch Themenausstellungen waren Beyelers Spezialität. „Surrealisme et Peinture“ (1974), eine Schau mit 102 Werken, darunter acht von Picasso, Stillleben im 20. Jahrhundert (1979), expressive Malerei nach Picasso (1983), Wege zur Abstraktion (1989), „Joie de Vivre“ (1997) sind einige der Ausstellungen höchster Qualität, die eine unakademisch sinnliche Zusammenschau boten.

Als Sammler hatte Beyeler mit Kandinskys „Improvisation“ begonnen. Im Laufe der Jahrzehnte wuchs eine Sammlung, die nicht, wie die so manch eines Kollegen, aus Ladenhütern plus wenigen Highlights besteht, sondern hohen musealen Anspruch hat. Beyeler selbst bringt ihren Charakter auf den Punkt: „Ich habe immer darauf bestanden, der Qualität den Vorzug vor Namen zu geben: Ein starker Picasso gilt mehr als 15 weniger gute, von Picasso signierte Bilder.“

Wer heute durch das Museum der Fondation Beyeler im Baseler Vorort Riehen geht, kann diesen Leitsatz nachempfinden. Die Werkblöcke von Picasso, Léger, Mondrian, Klee, Dubuffet, Giacometti und Bacon sprechen für sich, nicht weniger die subtil integrierte Kunst aus Afrika und Ozeanien. Die Stiftung Beyeler, die das 1997 eröffnete Museum unterhält und die Ausstellungen finanziert, ist ein Fass ohne Boden, wie Beyeler selbst einmal zugab.

Schon 2003 hatte er ein Defizit ausgeglichen, als er bei Phillips de Pury sieben Werke in die Auktion einlieferte, einschließlich Bacons Porträtstudie Henrietta Moraes, die 6,7 Millionen Dollar erzielte. Der Erlös der Christie’s-Auktion wird den Bestand auf Jahre hinaus sichern, wenn auch nicht für die Ewigkeit.

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