Letzter Auftritt für Microsoft Warten auf Bill

Bill Gates letzte große Show im Dienst von Microsoft war perfekt – doch an Neuigkeiten mangelte es.

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Microsoft-Mitbegründer Bill Quelle: dpa

Der Mann hat viele Kritiker. Aber die Fans überwiegen – vor allem in den USA und Asien. Dort gilt Microsoft-Mitbegründer Bill Gates; der Mann, der uns Windows und Office bescherte, als der Prototyp des erfolgreichen Unternehmers. Wer Gates live bestaunen wollte, konnte dies am Wochenende in Las Vegas tun. Nicht an den Roulettetischen, einarmigen Banditen oder am Buffet – obwohl der Multimilliardär auch dort schon gesichtet wurde – sondern am Vorabend der Unterhaltungselektronikmesse CES. Dort präsentiert Gates traditionell persönlich in einer anderthalbstündigen Show seine Sicht der Dinge sowie die neuesten Produkte und Trends von Microsoft. Zumindest war das in den vergangenen elf Jahren so. Doch Gates zieht sich Ende Juni bekanntlich aus Microsofts Tagesgeschäfts zurück und wird sich auf seine Stiftung konzentrieren. Die renommierte Präsentation wird künftig ein Microsoft-Manager halten. Heute wird in der Spielerstadt die größte Unterhaltungselektronikmesse der Welt eröffnet. Und vor wenigen Stunden - am heutigen Morgen deutscher Zeit - gab Gates seine letzte große Microsoft-Show in Las Vegas.

Die Fans haben sich schon fünf Stunden vor Beginn strategisch postiert. Eine Stunde vor dem Start harren rund 2000 Zuschauer in den Treppenaufgängen des Venetian Kasinos aus. Rob Lee ist einer von ihnen. Er ist extra einen Tag früher angereist. "Bill ist mein Vorbild", schwärmt der Fabrikant aus Hongkong, der jedes Jahr die Werke der Konkurrenz auf der Unterhaltungselektronikmesse CES ausgiebig studiert. "Wer weiß, vielleicht ist es letzte Gelegenheit für mich, ihn persönlich zu sehen." Die Wartenden vertreiben sich die Zeit mit Spekulationen. Was wird Gates in seiner letzten großen Microsoft-Präsentation zeigen? Wird es eine neue X-Box sein? Oder eine Neuauflage des Zunes – Microsofts Anwort auf Apples populären iPod? Und welche Panne wird diesmal passieren – stürzen wieder Computer ab oder versagen Fernbedienungen wie in den Vorjahren? Nichts dergleichen. Die Präsentation läuft glatt. Gates, in schwarzer Hose, violettem Hemd und Pullover gekleidet, beherrscht souverän die Bühne, wirkt so locker und gelöst wie lange nicht mehr. Die Zuschauer werden mit einer perfekten Show und einer Menge Lacher unterhalten. Der Microsoft-Mitbegründer hat wie immer ein lustiges Filmchen im Stil der in den USA populären TV-Serie "The Office" drehen lassen, mit sich selbst in der Hauptrolle. Wie wird sein letzer Tag bei Microsoft aussehen? In einem dunkelblauen Ford Focus Kleinwagen fährt der Milliardär im Hauptquartier vor. Dort nervt der angehende Frühpensionär per Telefon alle möglichen Prominente mit Jobangeboten. Doch weder Bono will ihn als Gitarristen haben – obwohl Gates fleißig an seiner X-Box mit Guitar Hero geprobt hat – noch will Steven Spielberg ihn als Schauspieler verpflichten. Auch George Clooney lässt sich nicht erweichen. Selbst Hilary Clinton und Barack Obama haben keine Verwendung für ihn als US-Vizepräsidenten. Ex-Vize und Dokumentarfilmer Al Gore, von Gates gefragt, ob er zu einer "unbequemen Zeit" anruft, wiegelt ab. Dem so Abgebürsteten bleibt nichts anderes übrig, als seine Habseligkeiten zusammenzupacken – Punkt 6 Uhr verlässt er das Firmengelände. Das ist alles lustig und wie immer nimmt sich Gates ohne Rücksicht selbst auf die Schippe. Doch neue, bahnbrechende Produkte? Fehlanzeige. Mitten in der Gates-Parodie meldet der Online-Dienst des Wall Street Journal die einzige größere Neuigkeit schon vorab: Die Medienunternehmen NBC Universal, Walt Disney sowie Viacom werden künftig Filme und Fernsehsendungen über Microsofts Spielkonsole X-Box und dessen Online-Dienste anbieten. Der Softwarekonzern bekommt damit Zugriff auf attraktive Inhalte und kann so besser gegen Wettbeweber wie Apple oder Googles YouTube konkurrieren.

Zusammen mit NBC wird Microsoft zudem Videos von den Olympischen Sommerspielen in Peking ins Internet bringen. Zum Einsatz wird dabei die Internet-Multimedia-Technologie Silverlight kommen, mit der Microsoft gegen den Platzhirsch Adobe antritt. Als Trost für die mickrigen Nachrichten gibt es ein paar Zahlen. 100 Millionen Kopien von Vista hat Microsoft ein Jahr nach Start verkauft, mehr als Analysten erwartet haben. 420 Millionen Nutzer hat Microsofts Online-Service Windows Live, sein Internet-Fernsehdienst – IP-TV – hat rund eine Million Abonnenten. Wie viel Zune-MP3-Player Microsoft verkauft hat, darüber schweigt sich Microsoft-Topmanager Robbie Bach, den Gates als Gehilfen auf die Bühne geholt hat, aus. "Zune hat sich als klare Alternative zu Apples iPod etabliert", behauptet Bach trotzdem kühn. Doch der Zune bleibt erstmal den nordamerikanischen Kontinent vorbehalten. Pläne, ihn auch in Europa zu verkaufen, wurden auf Eis gelegt. Zumindest will Microsoft das Gerät in Kürze auch in Kanada verkaufen. Bach kündigt zudem eine Offensive im Bereich Online-Anzeigen an. Dort hinkt Microsoft den Konkurrenten Goolge und Yahoo hinterher. Richtig zufrieden macht das die Zuhörer aber auch nicht. Ein Bonbon hat sich Gates immerhin zum Schluss aufgehoben. Er zeigt ein Handy, dessen Kamera in der Lage ist, Gegenstände automatisch zu identifizieren und zusätzliche Informationen einzublenden – also beispielsweise ein Kino mit dem aktuellen Programm oder ein Restaurant mit Menü und Preisen. Noch exisitiert der "mobile Navigator" nur das Forschungsprojekt in den Microsoft Labors. Eins ist nach der Rede klar – ohne Gates als Promi-Köder - könnte Microsoft bei der kommenden Präsentation echte Probleme bekommen. Aber vielleicht werden ja auf der CES 2009 die bahnbrechenden Produkte, auf die alle hofften, vorgestellt.

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