Louis Vuitton "Die Deutschen lieben Qualität"

Philippe Schaus vom Luxuskonzern Louis Vuitton, über stillose Kundinnen und die wachsende Lust der Deutschen an Edlem.

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Philippe Schaus

Monsieur Schaus, Ihre Läden in Frankreich sollen bis Ende November eine -Stunde früher schließen, weil Ihre Werkstätten mit der Lieferung der Ware nicht nachkommen. Ist das nicht nur Marketing?

Wir wollen mit den verkürzten Öffnungszeiten sichern, dass unsere Lager zum Weihnachtsgeschäft nicht geleert sind. Wir hatten ja bereits während der Krise kaum Einbrüche. Jetzt hat das Geschäft noch einmal angezogen. Wir produzieren alles selbst. Und unsere Werkstätten arbeiten jetzt am Limit.

Freunde von Vuitton-Handtaschen haben es zurzeit auch in Deutschland nicht ganz einfach – lauter Baustellen. Wie kommt’s?

Wir engagieren uns sehr in Deutschland. Nächste Woche eröffnen wir in Düsseldorf einen völlig erneuerten, von 450 auf 550 Quadratmeter erweiterten Laden. In München haben wir eine Riesenbaustelle an der Maximilianstraße, wo wir in zwei Jahren eine Maison eröffnen, ein besonders großes und aufwendig eingerichtetes Haus. Wir führen weltweit nur elf Maisons. Das zeigt, welche Bedeutung der deutsche Markt für uns hat.

Woher kommt der Schwung?

Deutschland gehört für uns zu den zehn größten Märkten weltweit. Und der deutsche Luxusmarkt wächst. Er war auch während der Krise erstaunlich robust. Die Deutschen entdecken immer stärker die Freude am Luxus und der Mode.

Aber die Deutschen gelten doch gemeinhin als Luxusmuffel?

Nicht mehr. Die Einstellung zum Luxus wandelt sich. Wir haben den deutschen Markt schon immer ernst genommen. Die erste Expansion war schon in den Achtzigerjahren, als wir in Städten wie Hamburg und Düsseldorf Läden eröffnet haben. Die zweite Welle kam nach der Wiedervereinigung mit Stores in Stuttgart oder Nürnberg. Eine gewisse Affinität zu grundlegenden Elementen des Luxus war bei vielen deutschen Verbrauchern schon immer vorhanden.

Auf welche Elemente des Luxus fahren die Deutschen denn ab?

Deutschland ist ein Land der Produktion, mit einer stark handwerklichen Tradition. Und die Deutschen lieben Qualität. Handwerkliche Tradition und Qualität gehören zu den grundlegenden Werten unserer Marke. Dazu kommt die Sensibilität für Nachhaltigkeit. Viele Deutsche lehnen die Wegwerfkultur ab. Luxus ist eben keine Verschwendung, sondern der sorgfältige Einsatz kostbarer Ressourcen – auch weil die Artikel oft Jahre oder gar Jahrzehnte in Gebrauch bleiben.

Aber eine Tasche von Louis Vuitton kann locker bis zu 25 000 Euro kosten. So etwas sollen die als sparsam bekannten Deutschen künftig vermehrt kaufen?

Ja. Deutsche lassen beim Einkauf gern die Vernunft walten. Wenn sie zum Beispiel eine Neverfull-Tasche von Louis Vuitton für rund 500 Euro kaufen, dann ist das ein rationaler Kauf, denn diese Tasche hält ewig und macht wegen ihrer sorgfältigen Verarbeitung und dem Aussehen dem Käufer mehr Freude als ein Billigprodukt. Dazu kommt: Der Verbraucher wird bei uns nie die Enttäuschung erleben, dass er ein Produkt für einen hohen Preis kauft und einen Monat später sieht, dass der Preis herabgesetzt wurde. Auch diese Zuverlässigkeit kommt in Deutschland an. 

Glänzende Gewinne

Warum entwickelt sich der deutsche Luxusmarkt erst jetzt so richtig?

Früher war hier das mittlere Preissegment stark vertreten. Diese Preisklasse ist in den vergangenen 15 Jahren unter Druck gekommen durch die Lieferungen aus Schwellenländern, vor allem aus China. Der Markt hat sich polarisiert. Die Preise unten sind gerutscht. Die Differenzierung im mittleren Segment ist schwieriger geworden. Luxus ist deshalb für viele Konsumenten die einzige Möglichkeit, sich von anderen zu unterscheiden.

In anderen Ländern ist das längst nicht mehr so. In Japan besitzen 85 Prozent der 25- bis 50-jährigen Frauen ein Produkt von Louis Vuitton. Ist Louis Vuitton überhaupt noch so exklusiv, um sich abzuheben?

Aber sicher. Schon allein wegen des Preises. Aber die Exklusivität kommt vor allem aus dem Produkt an sich. Wir verwenden nur hochwertigste Materialien, die unsere Spezialisten sorgfältig verarbeiten. Und wir fertigen, abgesehen von einer Lederwerkstatt in Kalifornien, nur in Westeuropa.

Ist die Herkunft von Luxus noch wichtig?

Ja, wichtig ist aber auch die Art, wie wir unsere Produkte verkaufen. Sie finden Louis-Vuitton-Produkte nur auf unseren eigenen Flächen. Unsere Stores sind Kunstwerke, und sie enthalten Kunstwerke wie den berühmten Aufzug der Stille von Olafur Eliasson oder das Objekt „The Traveller“ vor der Filiale in Düsseldorf von Hans-Peter Feldmann. Wir haben wahrscheinlich die schönsten Geschäfte im ganzen Luxussektor, aber die wenigsten Verkaufspunkte. An unserem Stammgeschäft an den Champs-Élysées in Paris ist der Andrang so stark, dass wir die Kunden nur in kleinen Gruppen einlassen können.

Sie können sich Ihre Kunden nicht aussuchen. Aber beschädigen Kunden, die ostentativ ihre Louis-Vuitton-Tasche mit gut sichtbarem Logo vor sich hertragen, nicht die Exklusivität Ihrer Marke?

Nein, unsere Marke ist vielfältig. Es gibt Produkte, die Sie sofort am Logo erkennen. In vielen Regionen, vor allem in Asien, haben die Menschen kein Problem zu signalisieren: Ich war erfolgreich mit dem, was ich gemacht habe. Warum nicht? Aber es gibt auch viele Produkte von Louis Vuitton, die sehr diskret sind.

Sie meinen in der Mode oder bei den Schuhen...

...nicht nur da. Auch bei den Taschen gibt es eine große Auswahl von Produkten ohne äußerliches Monogramm. Und vergessen Sie nicht, dass Louis Vuitton auch auf Bestellung nach Maß anfertigt. Im Übrigen ist unser Monogramm keine neue Erfindung von cleveren Marketingmanagern. Der Sohn des Gründers hat es Ende des 19. Jahrhunderts entworfen. Das ist ein Teil unserer Identität.

Woher kommt der Erfolg in Asien?

Louis Vuitton tradiert die Idee des europäischen französischen Luxus des 19. Jahrhunderts. Damals war Europa wirtschaftlich und geistig weltweit führend. Die meisten europäischen Marken entstanden in dieser Epoche, und das fasziniert die Menschen in Asien, einem Kontinent, der sich heute mit einer unglaublichen Dynamik entwickelt. Natürlich spielt auch die Faszination des anderen eine Rolle, so wie uns die chinesische oder die japanische Kultur interessiert. Dazu kommt die asiatische Neigung zur Perfektion, die sie in unseren Produkten wiederfinden.

Hat China inzwischen Japan als führendes Land für Luxushersteller abgelöst?

Zumindest im Wachstum. Der japanische Markt ist nach wie vor sehr groß, aber er stagniert. Japan hat eine schrumpfende Bevölkerung. In China wächst dagegen die Zahl der Menschen, die sich Luxus leisten können.

Ist eine Sättigung in China absehbar?

Nicht aktuell. Die Wirtschaft wächst, das Land modernisiert sich kulturell. Noch vor fünf Jahren waren wir der Meinung, dass es abgesehen von Peking und Shanghai zwei oder drei Städte in China gibt, in denen es sich lohnt, Stores zu eröffnen. Heute sind wir in fast 20 Städten mit 32 Stores vertreten. Allein 2005 haben wir fünf neue Geschäfte eröffnet. In diesem Jahr werden wir insgesamt drei Läden eröffnen, für 2011 sind zwei Neueröffnungen geplant.

Was unternehmen Sie gegen die immer dreisteren Fälscher?

Wir haben jährlich über 8800 Beschlagnahmungen weltweit, also täglich 30. Im vergangenen Jahr haben wir 22 000 Prozesse geführt. Wir gewinnen viele Schlachten, aber der Kampf geht weiter. Es ist wichtig, das Bewusstsein der Verbraucher dafür zu schärfen, dass die Fälschungsindustrie von Banden geführt wird, die oft auch im Drogenhandel oder der Zwangsprostitution tätig sind. Im Übrigen ist in der Fälscherbranche Kinderarbeit üblich, das sollte sich jeder vergegenwärtigen, der sich billig mit unseren Insignien schmücken möchte.

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