Lufthansa Die ungewöhnlichen Methoden des neuen Chefs

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Pilot Quelle: REUTERS

Die Stimmung in der Belegschaft ist gereizt, weil die Anforderungen vor allem in der Verwaltung wachsen. „Das bedeutet, dass Arbeitsbelastung und Krankheitsrate weiter steigen“, klagt der Betriebsratsvorsitzende Karlheinz Krolzig. Am schlimmsten lief im Jahr zuvor eine Belegschaftsversammlung der Piloten. „Da ging Franz guten Mutes rein und war wohl echt überrascht, wie sehr da die Nerven blank lagen“, sagt Jörg Handwerg, Vorstandsmitglied der Pilotengewerkschaft Cockpit. Gegen diese Ablehnung kämpft Franz. „Es hat den Eindruck, als habe er erkannt, dass man Dienstleistungsunternehmen am besten mit und nicht gegen die Angestellten führt“, sagt Handwerg.

Franz muss stärker als seine Vorgänger um Rückhalt in der Belegschaft werben: Er ist der einzige der fünf Lufthansa-Chefs seit der Neugründung vor gut 50 Jahren, der länger außerhalb des Unternehmens gearbeitet hat. Zuerst verordnete Franz dem Konzern mehr Offenheit. „Er ist weniger hierarchisch, menschlicher und deutlich offener im Umgang“, sagt ein Gewerkschafter. Die Hauspostille „Lufthanseat“, die viele Beschäftigte am Ende der Ära Mayrhuber wegen vieler Jubelarien mit der sowjetischen Parteizeitung „Prawda“ verglichen, wurde nun wieder dicker und druckte auch Unangenehmes. Dazu zählte etwa ein Bericht darüber, dass die Behörden Bußgelder verhängten, weil die Mitarbeiter wegen des Personalmangels wiederholt die gesetzliche Höchstarbeitszeit überschreiten mussten.

Parallel ging Franz konzernweit Klinken putzen. An seinen ersten drei Arbeitstagen besuchte der oberste Angestellte zwei Dutzend Orte in sechs Städten – darunter den Crewkeller am Frankfurter Flughafen, wo sich die Besatzungen auf ihre Flüge vorbereiten. „Wir waren erstaunt“, so ein Mitarbeiter. „Sonst kennen wir die Herren Konzernvorstände ja nur vom Bildschirm und aus der Zeitung.“

Ungewohnter Beifall

Die Stimmung nach den Treffs war dem Vernehmen nach positiv. Dafür sorgte vor allem die ungewohnte Art des Chefs. „Der hat nicht wie seine Vorgänger Kritik eher abgebügelt oder mit einem nichtssagenden ,Ich habe verstanden‘ geantwortet, sondern detailliert nachgefragt und unsere Gedanken in seinen eigenen Worten wiederholt“, erinnert sich ein Mitarbeiter.

Überraschend gut kam Franz bei den Piloten an, die sich von seinem Vorgänger wie bessere Busfahrer behandelt fühlten. „Bisher haben wir den Eindruck, dass Franz kein Hardliner ist, sondern endlich einer, der mit uns sachlich umgeht und uns ernst nimmt“, lobt Pilotenvertreter Handwerg. Dazu passt Franz’ uneitles Auftreten im Alltag. Bis er Konzernchef wurde, stand sein Schreibtisch nicht in der etwas abseits gelegenen modernen hochtechnisierten Lufthansa-Konzernzentrale mit ihrenklimatisierten Themengärten, sondern in einem kargen Zweckbau im Flughafen-gelände. Noch heute lässt er sich nicht jeden Tag im schwarzen BMW chauffieren. Wenn er nicht gleich zu Fuß von der S-Bahn kommt, fährt er persönlich vor, in einem VW-Bus, mit dem er und seine Frau in der Freizeit ihre fünf Kinder kutschieren.

Bei Mitarbeitern beliebt, vom Management argwöhnisch beäugt

Geprägt hat Franz auch ein Karriereknick. Nach einer Blitzkarriere zuerst bei Lufthansa und dann der Deutschen Bahn opferte ihn der damalige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn, als das von Franz erdachte neue Preissystem mit flexiblen Tarifen je nach Reisezeit bei den Kunden durchfiel. Franz stand mit 43 Jahren quasi vor dem » » Nichts. „Die Erfahrung lässt mich viele Dinge anders sehen“, sagt Franz heute. Dazu gehört wohl vor allem der Umgang mit Mitarbeiten. Anders als die Belegschaft tut sich das Management mit der offenen Art des neuen Chefs etwas schwer. Im Gegensatz zu Mayrhuber, der Widerreden gern klein hielt, schätzt Franz Diskussionen.

„Er antwortet oft erschöpfend – sowohl vollständig als auch im Sinne von ermüdend“, sagt ein Lufthansa-Manager. „Wir sind kurze Entscheidungen mit Anweisung gewohnt und bekommen eine gründlich hergeleitete Lösung. Das geht oft so lange, bis Franz meint, er habe wirklich alle überzeugt.“ Die offene Art sollte aber keiner für Schwäche halten. „Er ist nur schonender im Umgang, aber nicht bei den Zielen und den Wegen dahin“, ergänzt ein lange für das Haus tätiger Unternehmensberater. Das zeigte Franz beim zweiten Schritt seiner Taktik, dem Tabubruch nach der Charmeoffensive. Als Erstes verkündete er ein Ende der Zukäufe, mit denen Mayrhuber die Lufthansa zwischen 2005 und 2010 um gut 50 Prozent wachsen ließ. „Wir müssen erst mal den heutigen Verbund stärken“, lautet Franz’ Vorgabe. „Zudem machen die wachsenden Auflagen der Kartellbehörden ohnehin einen immer größeren Teil der Synergien zunichte.“

Damit düpiert Franz indirekt auch Aufsichtsratschef Weber, der noch Ende 2010 über eine Übernahme notleidender Partner wie der skandinavischen SAS nachdachte. Doch Franz hat keine Wahl. Außer Swiss hat noch kein Zukauf Geld gebracht.

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