Lufthansa Lufthansas neue First Class verspricht Ruhe an Bord

In der neuen First Class der Lufthansa im Airbus A380 sollen Passagiere gesünder reisen. Ihren besten Gäste bietet die Lufthansa deshalb Luftbefeuchter, neuen Stühle und eine Extraportion Schalldämmung.

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Lufthansa First Class Quelle: REUTERS

Die fünf Herren im dunklen Anzug sind aufgekratzt wie kleine Jungs vorm Weihnachtsbaum. Vor ihnen steht im Hamburger Airbus-Werk der erste Airbus A380 der Lufthansa. Sie sind Top-Kunden und haben Meilen in Millionenhöhe auf ihrem Konto. Darum dürfen sie mit beim Jungfernflug nach Frankfurt. Sie fotografieren sich gegenseitig mit ihren Blackberrys und iPhones vor dem größten Passagierflugzeug der Welt. Auf jeder Stufe hinauf zur Maschine wird die Freude größer. Die letzten Stufen in der Maschine ins Obergeschoss verwandelt ihre Vorfreude zunächst in Ergriffenheit. Dort residiert die neue First Class. „Ein einmaliges Erlebnis“, hat ihnen Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber beim Festakt versprochen. „Ich habe selbst Gänsehaut.“

Die Männer treten in das First-Class-Abteil, schauen kurz und dann erlischt das Leuchten in ihren Augen. „Aha“, konstatiert einer. „Sehr, äh, zurückhaltend“, ergänzt ein anderer. Nicht ganz die Art von Überraschung, die sich Entwickler erhoffen, wenn sie ein Produkt vorstellen.

Doch die bleiben gelassen. Die neue beste Art, Lufthansa zu fliegen, ist auf den ersten Blick so nüchtern wie Lufthansa selbst. Sie entlockt keine „Ah!“-Rufe wie zuvor Singapore Airlines mit den Doppelbetten. Auch kein „Oh!“ wie bei Emirates mit der Dusche. Neben den dezenten Farben und dem schieferähnlichen Boden aus dem Lufthansa First Class Terminal und den Lounges ist die einzige sichtbare Neuerung das Urinal, das sich im Badezimmer hinter einer Blende versteckt.

Dabei ist die neue First Class der Auftakt für ein gewaltiges Renovierungsprogramm. Für 1,2 Milliarden Euro will die Lufthansa bis zur Mitte des Jahrzehnts ihre mehr als 500 Flieger in allen Klassen neu einrichten. Laut Konzernkreisen sind weitere mehrere Hundert Millionen für Produktneuerungen in der Pipeline.

Die Zurückhaltung sei jedoch gewollt, heißt es. Die First Class stecke dafür voller Ideen und kleiner Revolutionen für Linienflugzeuge. „Wir haben uns auf die Bedürfnisse unserer Kunden konzentriert – unsere Gäste wollen Funktion, Luxus und Exklusivität, die man spüren und erleben kann – und keine vordergründige Pracht“, sagt Christian Körfgen, Leiter des Bereichs Produktmanagement und Innovation. An technischer Ausstattung soll es dennoch nicht mangeln.

Innere Werte

Die Idee zum bescheidenen Auftritt entwickelten nicht Körfgen oder Konzernchef Mayrhuber, sondern die Kunden. In gut sechs Jahren hat die Lufthansa gut 2000 Kunden in Umfragen und Workshops gefragt, was sie gerne hätten. Damit die Tests möglichst realistisch sind, betreibt die Lufthansa ein eigenes Entwicklungszentrum für alle Fragen rund um Sitze, Bordunterhaltung oder Farbschemata. In einer unscheinbaren Lagerhalle im Frankfurter Vorort Raunheim bauen die Entwickler die Sitze erst in Styropor, dann aus Holz und schließlich im Original. Am Ende kaufte die Lufthansa fast 1000 Sitze vom britischen Hersteller Contour Premium Aircraft Interiors jeweils zum Preis eines üppig ausgestatteten Luxusautos.

Wenn die Modelle fertig waren, riefen die Experten die Passagiere zum Sitzen und Liegen auf Probe. Einige Manager, unter anderem Konzernchef Mayrhuber, und extreme Vielflieger verbrachten gar eine Nacht in dem Erlkönig am Boden. Zu guter Letzt bauten Körfgen und sein Team die Sitze in ein Flugzeug. Das pendelte sechs Wochen im Linienverkehr zwischen Frankfurt und Detroit, und auf jeder Reise durften bis zu vier Passagiere in der Zukunft der Lufthansa probeschlafen. Ihre Eindrücke wurden detailliert dokumentiert. Und sie mussten unterschreiben, dass sie niemandem davon erzählen.

Ergebnis des Marathontests: Lufthansa-Kunden wollen keinen Schnickschnack und blickdichte Einzelkabinen, sondern schätzen die offene Clubatmosphäre, Sessel mit inneren Werten und vor allem Ruhe. „Wir bieten die entspannendste und gesündeste Art zu fliegen“, sagt Körfgen. Lufthansa-Top-Kunden, so sein Credo, erkenne man künftig daran, dass sie nach einem Interkontinental-Flug die Maschine weder leicht schwerhörig noch ausgedörrt, sondern besonders gut erholt verlassen.

Der Fortschritt ist dringend nötig. Denn für Linien wie Lufthansa sei die First Class ein unerlässliches Aushängeschild, sagt Markus Franke, Unternehmensberater aus Düsseldorf. „So zeigt eine Fluglinie, dass sie auch nach der Krise ein Premiumangebot darstellen will und kann.“ Mögen auch immer weniger Kunden die – etwa auf der Strecke nach Tokio – bis zu 14.000 Euro teuren Tickets voll bezahlen. „Aber für Vielflieger ist ein Upgrade gerade in die First Class die effizienteste Art, ihre Bonusmeilen zu nutzen“, sagt Franke. „Und das ist selbst für verwöhnte Kunden ein Anreiz, ihr Meilenkonto durch möglichst viele Flüge weiter zu füllen.“

Wer keine attraktiven Upgrades bietet, riskiert die Bindung zu den besonders hochwertigen Kunden. Damit tat sich die Lufthansa zuletzt schwer. Nicht nur die Krise hat Europas größter Linie zugesetzt, auch bei der Produktgestaltung verlor sie gegenüber Wettbewerbern an Boden. Lufthansa hatte ihre First Class zuletzt im Jahr 1997 renoviert und wirkte damit im Vergleich zu Premium-Konkurrenten wie British Airways oder Singapore Airlines über die Jahre zunehmend altbacken.

Luftbefeuchter eingebaut

Um auch in den kommenden Jahren konkurrenzfähig zu bleiben, hat sich die Lufthansa teils verborgene, aber umso wichtigere Innovationen einbauen lassen. Die wichtigste sind die Luftbefeuchter oben an der Seitenwand. Sie blasen statt der bisher üblichen wüstenähnlichen Trockenluft mit fünf Prozent Feuchtigkeit eine bodenähnliche Atmosphäre mit bis zu 25 Prozent Feuchtigkeit in die Kabine. Das erspart der Nobelkundschaft nicht nur rote Augen und trockene Nasen. „Auch das Essen und die Getränke schmecken besser – und der Schlaf ist wesentlich erholsamer “, verspricht Körfgen.

Bisher sträubten sich die Fluglinien gegen die Befeuchter, weil der Wasserdampf die Metallteile im Flugzeug in die Korrosion treibt. Doch Lufthansa bannte das Problem, durch ein paar Entfeuchter am Rande der First-Kabine.

Entspannung als höchstes Ziel

Ebenso unsichtbar ist die zweite Säule der Innovationen: Ruhe. Zwar ist der A380 dank neuer Triebwerke bereits deutlich leiser als andere Maschinen. Dazu hat Lufthansa um den ganzen Rumpf als bislang Einzige einen zusätzlichen Lärmschutz gezogen – und den in der First noch mal verdickt. Damit die Wände die Gespräche nicht reflektieren, sind sie mit einem samtähnlichen Stoff überzogen. Am Boden liegen Teppiche, die fast alle Gehgeräusche schlucken. Zu guter Letzt hängen vor den Eingängen dicke Vorhänge mit Klettverschluss, durch die weder Küchenlärm noch Kinderschreien dringt. Die üblichen Kopfhörer, die dank Elektronik die Umgebungsgeräusche unterdrücken, sind in der First kaum nötig.

Entspannt ankommen, das ist das Ziel. Die Matratze, die den Sessel zu einem 80 Zentimeter breiten und 2,08 Meter langen Bett macht, ist dicker als eine Hand. Die Bildschirme sollen den Passagieren ebenso helfen, die Filme mit so wenig Anstrengung wie möglich zu schauen. Dafür beschränkte sich die Lufthansa bei der Größe der Monitore, die mit 43 Zentimeter Diagonale gut 15 Zentimeter kleiner sind als die einiger Mitbewerber. Der Kopf danke es, lobt Körfgen die Bescheidenheit. „Bei unseren Tests hat kein Proband etwas vermisst, weil er immer das ganze Bild im Blick hatte.“ Größere Bildschirme könnten dagegen das Gehirn anstrengen, weil Betrachter öfter Kopf und Augen gleichzeitig bewegen müssen. Im Flug müssen Filmfreunde nicht nur die vielen oft kaum spürbaren Bewegungen des Flugzeugs ausgleichen. Da sie nie den ganzen Monitor im Blick haben, wandern die Augen unbewusst auf dem Schirm hin und her, was auf Dauer ermüdet.

Ähnlich argumentiert die Lufthansa auch beim Verzicht auf Duschen für die acht Passagiere der First. „Das ginge nicht ohne eine Regulierung unserer Kunden“, sagt Körfgen. So müssten die Duschzeiten vom Bordpersonal zugeteilt werden, da sich mindestens vier Passagiere eine teilen und höchstens bis zu 25 Minuten im Bad verbringen könnten. Der erste in der Schlange müsste spätestens drei Stunden vor Landung geweckt werden. Laut Befragungen ziehen es die Passagiere vor, in einer speziellen Lufthansa Lounge direkt nach der Landung zu duschen – und sich derweil das Hemd aufbügeln zu lassen.

Neue Business-Class

Nach dem Start der neuen First Class im A380 beginnt für die Kabinenplaner die Arbeit von vorn. Alle neuen Langstrecken-Flugzeuge bekommen die neue First Class, und ab dem kommenden Frühjahr werden die Sitze sukzessive in die bestehende Interkontinental-Flotte eingebaut und dem jeweiligen Flugzeugtyp angepasst. Körfgens aktuell größtes Projekt ist jedoch die neue Businessclass. Sie soll im kommenden Jahr starten, wenn Lufthansa die ersten Großraumflugzeuge vom Typ Boeing 747–8I in Betrieb nimmt. Die Sessel entwickelt Körfgen mit dem gleichen Aufwand wie dem für die teuersten Plätze. Ein wesentlicher Wunsch der Businessclass-Passagiere: eine vollständig ebene Liegefläche mit ausreichender Länge und Breite auch für großgewachsene Menschen. „Das werden wir umsetzen.“

Und hoffen, dass die Vielflieger diesmal nicht nur vor, sondern auch in der Kabine aufgekratzt und begeistert sind.

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