Lukrativstes Fußball-Imperium Die Erfolgsstrategie von Geldmeister FC Bayern

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Allianz Arena in München Quelle: AP

Der Verein sei ein Phänomen, vergleichbar mit großen Markenartikeln wie Coca-Cola, McDonald’s oder auch der "Bild"-Zeitung, urteilt der Hamburger Markenexperte Klaus Brandmeyer: "Jeder hat etwas an ihnen auszusetzen, sie werden teils ethisch motivierter Kritik unterzogen." Das Individuum wolle zeigen, dass es dem Sog dieser Marken etwas entgegenzusetzen hat, sagt Brandmeyer: "Cola schmeckt toll, ist aber für Kinder unter zehn Jahren nicht gut", heiße es dann. Ähnlich sei das mit den Bayern: "Alle möchten sie siegen sehen im Champions-League-Finale; aber sie sind eben auch arrogant."

Ihre Anhänger strömen bereitwillig zur lebenden Dauerwerbesendung FC Bayern. So am 8. August, als der Verein in der Allianz Arena zum Familientag lud und im Kreis der Sponsoren die Saison eröffnete. Höhepunkt war ein seltsamer Kick der Profis gegen die von einem neuen Sponsor zusammengebastelte "FitnessFirst Winter Stars"-Gaudi-Truppe um Ex-Rodel-Weltmeister Georg "Schorsch" Hackl. Die 30 000 Fans zahlten dafür willig fünf Euro. Die Bayern schickten den Erlös als Spende direkt weiter an Münchens Olympiabewerbung.

Längst machen die Bayern in Sachen Vermarktung so viel, dass selbst Vorstandschef Rummenigge schwant, so langsam sei "die Dachkante erreicht".

Mindestens 22 Millionen jährlich von der Telekom

Sind die Verträge mit den Sponsoren auch auf Jahre angelegt – die Telekom verlängerte ihren mit jährlich mindestens 22 Millionen Euro dotierten Trikotvertrag gerade bis 2013 –, hängt für die Bayern der wirtschaftliche Erfolg dennoch stets eng zusammen mit dem sportlichen Abschneiden ihrer Kicker um den Mittelfeldstrategen van Bommel. Vieles hängt hier am neuen Sportdirektor Nerlinger – hat er das Ohr so nah an Mannschaft und dem eigenwilligen Trainer Louis van Gaal wie zuvor Hoeneß?

Zwar ist es dem Holländer van Gaal zuzuschreiben, dass Nachwuchskicker wie Thomas Müller ihren Marktwert auch durch gute Auftritte bei der WM steigern konnten. Und doch rumort es noch immer in München: Schließlich sitzen mit Nationalspieler Mario Gomez und dem Ukrainer Anatoli Tymoshchuk laufende Kosten meist einträchtig auf der Ersatzbank – das lässt ihren Marktwert sinken. Auch darauf muss Nerlinger ein Auge haben.

Heißt es intern, eine Spielzeit ohne Teilnahme an der lukrativen Champions League sei noch zu verkraften, räumt mancher hinter vorgehaltener Hand auch ein, eine drei- oder gar vierjährige Abstinenz in der Königsklasse könnte selbst die sehr solide finanzierten Münchner vom Platz fegen. Zunächst fallen Sonderprämien der Sponsoren für Erfolge aus, und dann dürfte es in künftigen Vertragsverhandlungen schwer werden, die Preise zu halten. Am Ende stünde weniger Geld für Stars zur Verfügung.

Bayerns schreiben stets schwarze Zahlen

Dabei haben die Bayern gegenüber den meisten ihrer internationalen Konkurrenten den Vorteil eines prall gefüllten Kontos. Sie schrieben zuletzt stets schwarze Zahlen, das Eigenkapital der AG betrug im vergangenen Jahr 177 Millionen Euro. Wettbewerber FC Barcelona dagegen verbuchte in der abgelaufenen Saison fast 80 Millionen Euro Miese – insgesamt belaufen sich die Schulden des spanischen Meisters auf mehr als 440 Millionen Euro.

Für die Bayern wäre das undenkbar. Doch mit ihrem strikten Finanzkurs, der auf den Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben achtet und die Spielergehälter möglichst nicht über einen Anteil von 60 Prozent an den Umsätzen hinausschießen lässt, stehen die Münchner in Europas Eliteliga bislang weitgehend allein.

Die Beratung A.T. Kearney hatte kürzlich Europas fünf größte Fußballligen – als die Summe der Vereine – unter die Lupe genommen. Ergebnis: Wären sie normale Unternehmen, würde den Ligen in England, Spanien und Italien wegen enormer Rentabilitätslücken in den kommenden zwei Jahren der Bankrott drohen, vor allem wegen wahnwitziger Spielergehälter und Transferzahlungen.

Dennoch zahlen die Vereine munter weiter – weil der erhoffte sportliche Erfolg den Kamikazekurs rechtfertigt. Zwar gebe es einen direkten Zusammenhang zwischen hohen Transferzahlungen und sportlichen Erfolg, wobei die deutschen Bundesligavereine am effektivsten sind. Aber andersherum führe "vernünftiges Wirtschaften in Europa oft zu sportlichen Nachteilen", sagt A.T. Kearney-Partner Jürgen Rothenbücher.

Neue Finanzregeln ab 2012

Ändern könnte sich das, wenn von 2012 an die neuen Finanzregeln des europäischen Fußballverbandes UEFA greifen. Die haben vor allem ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben im Visier. Auch Investoren wie dem Milliardär und FC-Chelsea-Eigner Roman Abramowitsch soll es dann nicht mehr möglich sein, ihre Vereine mit Kapital vollzupumpen.

Stattdessen, heißt es bei der UEFA, sollen Finanzspritzen auf maximal 15 Millionen Euro im Jahr beschränkt werden. Zum Vergleich: In Fußballkreisen heißt es, Massimo Moratti, Öl-Tycoon, Eigner und seit 1995 Präsident von Inter Mailand, habe in den vergangenen zehn Jahren bis zu einer Milliarde Euro in den diesjährigen Champions-League-Sieger gesteckt. Bei der Pokalübergabe im Mai nach dem 2:0 über den FC Bayern hielt er nicht zufällig den Pott als Erster in der Hand.

Die UEFA-Regelungen klingen auf den ersten Blick vernünftig. Experten wie Frank Koch von der Wirtschaftskanzlei Taylor Wessing kritisieren jedoch, dass dabei das Eigenkapital der Vereine außer Acht bliebe – wer über ein gutes Polster verfügt, sollte auch investieren dürfen, so wie 2009 die Bayern beim 24-Millionen-Einkauf von Stürmer Robben.

Außerdem, so der Hamburger Sportrechtsexperte, verhindere die UEFA einen möglichen Aufstieg neuer Vereine in die Ränge der Etablierten. Denn dem Engagement von Investoren schiebe der Verband einen Riegel vor. Sie könnten nicht mehr über einige Jahre Geld in einen Verein stecken und es sich anschließend nach sportlichen Erfolgen über Sponsoren und Fans zurückholen: "Die neuen Regeln zementieren den sportlichen Status quo", sagt Koch, "Clubs, die auch jetzt schon Zugang zur Champions League haben, werden das Rennen auch künftig unter sich ausmachen."

Das, wiederum, dürfte an der Isar mancher nicht ungern hören.

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