Luxusmarke Cartier: "Wir sind der Luxus vom Luxus"

Patricia Gandji, Chefin von Cartier Northern Europe, über das Luxusgeschäft in Zeiten der Krise, neureiche Kunden und Cartier als männliche Marke.

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Die Chefin von Cartier Northern Europe Patricia Gandji Quelle: Steffen Jaenicke

WirtschaftsWoche: Frau Gandji, erinnern Sie sich noch an Ihre erste Uhr?

Patricia Gandji: Natürlich. Es war eine Plastikuhr, die ich als Kind geschenkt bekam. Aber schon im Alter von 14 Jahren habe ich meine Eltern bekniet, mir eine Cartier Santos Galbee zum Geburtstag zu schenken.

Und, ging Ihr Geburtstagswunsch in Erfüllung? Sie haben sich sehr zu meiner Freude darauf eingelassen. Dafür musste ich die nächsten zwei Jahre auf alle Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke verzichten. Später habe ich mir zum 30. Geburtstag, also vor meiner Zeit bei Cartier, dann eine Tank Française in Weißgold geschenkt, die ich heute bei besonderen Anlässen trage.

Was fasziniert Sie so an Cartier? Die über 160-jährige Tradition, die handwerkliche Qualität und der Pioniergeist des Hauses. Das mag sich bei einem traditionellen Unternehmen ungewöhnlich anhören. Aber Cartier war immer schon Vorreiter: Wir waren kurz nach der Gründung des Unternehmens einer der ersten Juweliere auf der heutigen Pariser Uhren- und Schmuckmeile, der Rue de la Paix. Und wir definieren in den neuen Märkten in Osteuropa oder den asiatischen Schwellenländern noch immer, wo das künftige Luxuszentrum einer Stadt sein wird. Wo wir ein Geschäft eröffnen, folgen in der Regel andere Juweliere.

Cartier galt als König der Juweliere und als Juwelier der Könige. Heute sind oft Neureiche Ihre Kunden? Stört Sie das? Das Wort neureich hat bei uns in Deutschland so einen negativen Beiklang. Aber Cartier hat nichts gegen die sogenannten Neureichen. Das sind Menschen, die Ideen hatten und konsequent dafür gekämpft haben, diese Ideen dann auch zu verwirklichen. Soweit sie Gründer sind, haben sie oftmals viele Arbeitsplätze geschaffen. Wenn sie ihr wohlverdientes Geld für Kulturgüter wie Schmuck oder hochkomplizierte Uhren ausgeben – was ist daran verwerflich?

Aber schadet das neue, vielleicht etwas lautere, protzigere Klientel nicht der Marke? Wir haben Kunden, deren Familien schon seit mehreren Generationen Geld haben, und Kunden, die ihren Wohlstand selbst aufgebaut haben. Das sind dann oft auch jüngere Kunden, deren Kinder und Kindeskinder uns treu bleiben. Wir wollen diese Kunden – auch um in Zukunft weiter wachsen zu können.

Mit den jungen Kunden zum Beispiel aus der Finanzbranche dürfte es im Moment auch nicht mehr so leicht sein. Die Boni der Banker sprudeln nicht mehr wie früher, und die Aktien vieler Anleger sind nur noch die Hälfte wert. Ist die Krise inzwischen schon bei Cartier angekommen?  Im vergangenen Geschäftshalbjahr, das mit dem September endete, ist der Richemont Konzern um elf Prozent gegenüber Vorjahr gewachsen. Jedoch gehen wir davon aus, dass es im kommenden Jahr schwieriger werden kann. Wir sehen aber großes Potenzial in den Emerging Markets. Ferner ist es für uns unterstützend, dass der Richemont-Konzern über ein sehr solides finanzielles Fundament verfügt. In unserem Markt konnten wir in den vergangenen Monaten einen Trend in Richtung Hochpreissegment erkennen.

Wie kommt es zu dem Trend?  Das obere Preissegment bei Luxusgütern ist gegen Krisen weitgehend immun, anders als bei den Einstiegspreislagen. Wir beobachten seit Langem, dass die Kunden im Hochpreisbereich auch in Krisenzeiten weiter Schmuck oder Uhren kaufen. Und Cartier ist nicht irgendeine Lifestylemarke, sondern der Luxus vom Luxus.

Cartier können sich aber doch nicht nur die Superreichen leisten. Nein, es entspricht unserer Unternehmensphilosophie, mit einem ausgewogenen Preisaufbau die Cartier-Kreationen den Kunden anzubieten. Sehen Sie unseren Ring Trinity, der aus drei Ringen in einem besteht. Die eine Version ist mit Diamanten besetzt und kostet um die 60.000 Euro, die andere ohne Brillanten gibt es für 790 Euro. Wir finden es wichtig, auch Stücke anzubieten, die sich beispielsweise ein Berufseinsteiger kaufen kann – auch um diese Kunden damit an die Marke heranzuführen. Wir sind heute in einem breiten Preissegment vertreten. Sie können eine Geldbörse für knapp 150 Euro bei uns erwerben oder ein Diadem als Unikat für über eine Million Euro bei uns anfertigen lassen.

Was sagen Sie zu der Behauptung, die Deutschen seien wenig luxusaffin? Ist das ein Klischee oder tatsächlich eine zutreffende Beschreibung?

Dass die Deutschen wenig Wert auf Luxus legen, kann ich nicht bestätigen. Der deutsche Markt wächst natürlich nicht so sehr wie Russland oder China. Aber die Deutschen kaufen gern kostbaren Schmuck oder teure Uhren. Sie sind traditionsbewusst. Und sie investieren gern in wahre Werte, die sie dann über Generationen weitergeben können.

Cartier gilt als weibliche Marke. Warum lässt Ihr Unternehmen die Männer links liegen? Das tun wir nicht. Und ich betone: Das haben wir auch nie getan. Eine Armbanduhr wie die Santos, deren erstes Exemplar wir zu Anfang des vorigen Jahrhunderts für den brasilianischen Flieger und Abenteurer Alberto Santos-Dumont als Fliegeruhr herstellten, ist doch sehr männlich. Für die Linie Pascha gilt das Gleiche. Schon die Namen signalisieren das.

Hat Cartier nicht zu lange auf Quarzuhrwerke in ansprechender, schmucker Verpackung gesetzt statt auf anspruchsvolle mechanische Uhrwerke? Die Zeiten, in denen wir fast ausschließlich für Schmuckuhren mit Quarzwerken bekannt waren, sind seit Langem vorbei. Wir arbeiten heute an der vordersten Front der Uhrmacherkunst. Aus unserem Forschungslabor in der Schweiz kommen zum Beispiel großartige Neuentwicklungen wie die Ballon Bleu Tourbillon, die mit dem höchsten Qualitätssiegel – der Genfer Punze – ausgezeichnet ist. Eine Quarzuhr ist übrigens nichts Schlechtes, sondern vor allem extrem genau und zuverlässig. Aber heute wollen die Kunden – zunehmend auch die weiblichen – in einem kostbaren Gehäuse auch ein kostbares Uhrwerk.

Cartier steht für den sogenannten harten Luxus wie Schmuck oder Uhren. Haben Sie auch schon mal über den Einstieg in die Mode nachgedacht? Über Mode haben wir bislang nicht nachgedacht. Wir wollen da bleiben, wo unsere Hauptkompetenz ist, also vor allem beim Schmuck und bei den Uhren. Aber wir führen durchaus weichen Luxus, soft luxury, wie unsere Taschen oder Accessoires. Im Ledergeschäft sind wir seit über 100 Jahren aktiv, und das mit viel Erfolg. Nehmen Sie etwa unsere Handtasche Marcello – bestimmte Modelle gibt es nur auf Warteliste.

Wie selbstständig ist Cartier überhaupt im Mutterkonzern Richemont mit seinen zahl-reichen Luxusmarken wie Montblanc oder IWC? In den Kernfunktionen für die Marke wie Produktentwicklung, Produktion, Logistik, Marketing und Vertrieb sind wir völlig unabhängig. Nur in Bereichen wie Buchhaltung, Personalverwaltung oder EDV arbeiten wir auf Konzernebene – eben in all den Funktionen, die Markenidentität nicht berühren. Der Rückgriff auf die Ressourcen des Konzerns ist eine unserer Stärken.

Sie sind die erste Frau im Konzern, die es in eine vergleichbare Position geschafft hat. Haben Frauen in der Luxusbranche Männern etwas voraus? Ich freue mich natürlich, dass Frauen zunehmend in gehobene Positionen kommen. Aber nicht das Geschlecht zählt dabei, sondern der Einzelne mit seinem Können und seinem Charakter. Ich bin auch nicht für meine Position im Konzern ausgesucht worden, weil oder obwohl ich eine Frau bin, sondern wegen meiner Qualifikation.

Hilft Ihnen eigentlich Ihre multikulturelle Erfahrung? Mein Leben in mehreren Kulturen ist für mich eine Bereicherung. Meine Mutter ist Deutsche, mein Vater Iraner. Unsere Familie war immer sehr multikulturell. Diese Erfahrungen haben mich offen gemacht für andere Kulturen, und das hilft mir bei der Arbeit in der von mir geleiteten Geschäftsregion, die sich über 19 Länder, von Albanien bis Estland, erstreckt.

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