Marc Benioff "Die Kunden werden gemolken"

Der Chef der US-Software-Schmiede Salesforce kritisiert SAP, Oracle und HP.

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Marc Benioff

Mister Benioff, die gesamte Computerbranche ist im Cloud-Rausch. Sie boten 1999 gegen viele Kritiker als einer der ersten IT-Anbieter Software zum Mieten aus dem Internet an. Hat sich der Mut gelohnt?

Benioff: Das können Sie sagen. In diesem Jahr wird Salesforce zwei Milliarden Dollar umsetzen. Wir haben 100 000 Kunden weltweit, von kleinen Unternehmen bis hin zu Konzernen wie BMW, Deutsche Bank oder Allianz. Wir haben mit Chatter eine Art Facebook für Unternehmen entwickelt, das inzwischen 80 Prozent unserer Kunden nutzen - obwohl es erst im Frühjahr 2010 startete. Mein Ziel ist klar. Wir wollen irgendwann die Zehn-Milliarden-Dollar-Grenze überschreiten.

Vielleicht gibt es Ihr Unternehmen bald gar nicht mehr. Seit Jahren gibt es Gerüchte, dass Salesforce von größeren Wettbewerbern wie Oracle, Microsoft oder SAP geschluckt wird.

Benioff: Das sind Gerüchte, die von unseren Wettbewerbern in die Welt gesetzt wurden. Wir sind ein börsennotiertes Unternehmen. Jeder kann ein Übernahmeangebot machen. Aber keiner hat es getan.

Ihre Wettbewerber machen Druck. Microsoft bietet Salesforce-Kunden sogar Geld, wenn sie wechseln.

Benioff: Das zeigt doch, wie verzweifelt die sind.

Hat Microsoft Ihnen so Kunden abgejagt?

Benioff: Wir haben 100 000 Kunden, also wird es wohl jemanden geben. Tatsache ist, dass Microsoft beim Cloud Computing hinterherhinkt und fast keine Umsätze damit macht. Wir hingegen setzen Milliarden um. Das weckt Gelüste, weil es ein immer wichtigerer Wachstumsmarkt bei Unternehmenssoftware ist.

Fürchten Sie den Angriff des deutschen Softwareriesen SAP, der ebenfalls mit Cloud Computing groß wachsen will?

Benioff: Ach was. Das wichtigste SAP-Produkt, die Unternehmenssoftware R/3, gibt es nicht als Cloud-Computing-Version. Das sagt doch alles. SAP ist stets in der Defensive, anstatt mal aggressiv nach vorn zu gehen. Dreimal haben sie angekündigt, dass sie in Kürze ein Cloud-Produkt à la Salesforce haben werden. Das ist nicht nur schlecht für die SAP-Mitarbeiter. Es ist auch der Grund, warum die größten SAP-Kunden Salesforce nutzen.

Aus Sicht von SAP ist Salesforce nicht mehr als ein Unternehmen, das auf einem bestimmten Feld ein einziges gut laufendes Produkt anzubieten hat und nicht die ganze erforderliche Softwarepalette.

Benioff: Die Wahrheit ist, dass SAP gerne ein Produkt wie unseres hätte, das in den letzten zehn Jahren von null auf zwei Milliarden Dollar gewachsen ist. Aber sie haben es nicht. SAP hat in zehn Jahren nichts vergleichbares Neues geschaffen.

Warum watschen Sie SAP immer so ab?

Benioff: Einerseits bin ich dankbar, dass SAP die Chance verschlafen hat, die wir ergriffen haben. Andererseits verstehe ich nicht, dass sie immer noch alles selber machen, nach dem Motto: Wir haben alles, was der Kunde braucht. Warum ist der iPad so erfolgreich? Weil es einen App Store gibt, ein Netzwerk für Entwickler, die darauf aufsetzen. Warum gibt es noch keinen SAP App Store? Wir haben unseren längst gestartet. Warum arbeitet SAP nicht mit Externen wie uns zusammen?

Bei allem Hype um die Cloud: Werden die richtig fetten Profite nicht noch immer mit traditioneller Software gemacht?

Benioff: Cloud Computing ist kein Hype mehr, sonst würden uns nicht 100 000 Unternehmen weltweit nutzen. Und was heißt fette Profite? Nutzer klassischer Software werden immer noch gemolken wie eine Kuh. Sie bezahlen jedes Jahr saftige Gebühren für teils uralte Software. SAP und Oracle verweisen auf ihre großartigen Margen, die aus Produkten der Vergangenheit resultieren.

Trotzdem bleibt die Angst, dass Cloud Computing nicht sicher ist, wie der Ausfall der Cloud von Amazon unlängst zeigte.

Benioff: Die Ironie ist doch, dass Cloud Computing sicherer als traditionelle Software ist. Wie oft ist SAP schon von Kunden verklagt worden, weil die Software nicht so funktionierte wie versprochen. Tatsächlich sind die Ausfallraten von SAP dramatisch höher als die von Salesforce, was unabhängige Berater wie Gartner und Forrester bestätigen.

Hewlett Packard hat unter seinem neuen Chef Leo Apotheker, dem einstigen Vorstandschef von SAP, eine Cloud Computing Offensive gestartet. Ein neuer Konkurrent für Sie?

Ich glaube, dass kein Unternehmen beim Cloud Computing weiter zurückliegt als HP. Ich bin nicht der einzigste, der so denkt und es spiegelt sich auch im Börsenwert von HP wider. Ich bin ein ganz großer Fan von Leo. SAP hätte ihn nicht feuern sollen. Er wollte SAP verändern. Nun wird er das bei HP tun. Aber da muss er sich wirklich sputen.

Sie sind mit Salesforce Milliardär geworden. Was war die härteste Hürde für Sie als Unternehmer?

Die schwierigste Sache ist, über einen langen Zeitraum durchzuhalten und Beständigkeit zu zeigen. Ich bin jetzt zwölf Jahre bei Salesforce, war vorher 13 bei Oracle, insgesamt in der Softwareindustrie seit 30 Jahren. Viele Leute brennen dabei aus. Deshalb habe ich so großen Respekt für Oracle-Gründer Larry Ellison, der seit 1977 an der Spitze seines Unternehmen steht. Auch für Bill Gates. Es war schlecht für Microsoft, als er das Unternehmen verlassen hat.

Und haben Sie noch die Kraft?

Ich fühle mich gut. Ich mag den Wettbewerb. Ich treffe gern Kunden und mag es, ihnen zu helfen. Bevor ich Salesforce startete, hatte ich ernsthaft darüber nachgedacht, Yoga-Lehrer zu werden. Doch mir war klar, dass mich das zwar glücklich machen würde, aber nicht ausfüllen. Ich will glücklich sein. Ich will ausgefüllt sein. Ich will anderen ermöglichen, ebenfalls erfolgreich zu sein. Die drei Dinge habe ich als Unternehmer.

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