Maschinenbau Ausverkauf der deutschen Industrie

Nach dem Verkauf der Branchenperle Demag Cranes interessieren sich weitere Ausländer für Deutschlands Paradeunternehmen - vor allem Amerikaner und Chinesen.

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ARCHIV - Ein Mitarbeiter des Quelle: dpa

Plötzlich ging alles ganz schnell. Eine knappe Woche verhandelten die Delegationen des Düsseldorfer Kranbauers Demag Cranes und seines Konkurrenten Terex. Der Käufer aus Texas sicherte Demag-Cranes-Chef Aloysius Rauen weitere Eigenständigkeit und den Gewerkschaften Jobsicherheit für die Mitarbeiter zu. Damit war der Deal durch. Über ein Jahr hatte Terex-Chef Ronald DeFeo um die Maschinenbauperle gebuhlt – zeitweise im Wettbewerb mit dem finnischen Nebenbuhler Konecranes. Das Gerangel um den börsennotierten Kranhersteller zeigt, dass Deutschlands Maschinenbauer zu begehrten Übernahmezielen für ausländische Investoren und Wettbewerber geworden sind. „Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass etliche Vorzeigeunternehmen aus dem deutschen Maschinenbau in ausländischen Händen landen“, sagt Axel Gollnick, geschäftsführender Gesellschafter des Fusionsberaters M&A International.

Deutscher Maschinenbau wurde lange belächelt

Lange wurde Deutschlands Paradebranche – vor allem in den USA – als verstaubt belächelt und wegen ihrer Orientierung auf stabile, langfristige, aber meist mäßige Gewinne gemieden. Doch seitdem sich auf den Kapitalmärkten und bei industriellen Investoren herumgesprochen hat, dass die deutsche Exportstärke vor allem aus dem Maschinenbau kommt, häufen sich die Kaufanfragen in den Firmenzentralen.

Vor allem bei den Amerikanern und Chinesen scheint das Interesse zuzunehmen. Früh schon engagierte sich der amerikanische Investor Warren Buffett, einer der reichsten Männer der Welt, im deutschen Maschinenbau. 2006 kaufte er 80 Prozent der israelischen Maschinenbau-Gruppe IMC, zu der auch der Werkzeughersteller Iscar im badischen Ettlingen mit 240 Mitarbeitern gehört. 2009 stieg die ICM bei dem Hamburger Werkzeugspezialisten Kromi mit neun Prozent ein.

Ersehnter Anker

Ein kleines Maschinenbaureich schuf sich gar der amerikanische Unternehmer Mo Meidar, dessen MAG-Gruppe sich klangvolle Namen wie Ex-Cell-O, Hüller, Hille oder Boehringer einverleibte. Zuletzt schlug Meidar im Dezember zu und erwarb den Chemnitzer Standort des Werkzeugmaschinenbauer Samputensili.

Keine Frage: Die Amerikaner, die sich noch vor wenigen Jahren vornehmlich in Finanz- oder Konsumwerten engagierten, haben den Charme der Industrie entdeckt. Anders die Investoren aus dem Reich der Mitte: „Den Chinesen geht es zwar vornehmlich um Technologie und den Markennamen beim Einstieg in deutsche Maschinenbauer“, sagt Gollnick, „darüber vergessen sie allerdings nicht ihr Gewinninteresse.“

Tatsächlich war der Einstieg von Chinesen für die betroffenen Unternehmen oftmals ein Segen. So verdreifachte die Waldrich Coburg nach der Übernahme durch die Bejing No.1 Machine Tool Group im Jahre 2005 ihren Umsatz. Erfolgreich war auch der Aufkauf des Schwermaschinenbauers Werkzeugmaschinenfabrik Aschersleben (heute Schiess), der von der Shenyang Machine Tool Corporation aus der Pleite erworben wurde. Auch der Erwerb des badischen Werkzeugherstellers Kelch aus der Insolvenz durch die Harbin Measuring & Cutting Group im Frühjahr des vergangenen Jahres gilt als Plus für das Unternehmen. Meist verlagern die Chinesen die Herstellung einfacher Teile nach China, verbessern damit die Kostenstruktur und sichern so Arbeitsplätze in Deutschland.

Traumobjekt in Augsburg. Roboterfertigung bei KUKA Quelle: AP

So wirkt das Interesse an deutschen Unternehmen des Maschinenbaus auch für viele Eigentümer nicht als feindliche Bedrohung. Allein bis 2014 muss in über 110 000 deutschen Familienunternehmen die Nachfolge gelöst werden. Bei größeren Unternehmen kann ein Einstieg neuer Gesellschafter Finanzierungsprobleme lösen oder den gewünschten Haupt- und Ankeraktionär bringen.

Beispiel Gildemeister: Aus einer engen Kooperation mit Aktientausch über fünf Prozent wurde eine Beteiligung des japanischen Partners Mori Seiki von rund 20 Prozent. Gildemeister-Chef Rüdiger Kapitza hat damit einerseits seit April endlich den lang ersehnten Ankeraktionär. Andererseits halten sich am Gildemeister-Standort Bielefeld hartnäckig die Gerüchte, dass die Japaner deutlich mehr Anteile des westfälischen Maschinenbauers wollen.

Umsätze gingen zurück

Hilfe könnten vor allem die drei deutschen Druckmaschinenbauer gebrauchen. Die Branche leidet unter der Konkurrenz des Internets, die Umsätze gingen in den vergangenen fünf Jahren teilweise um ein Drittel zurück. In harten Restrukturierungsrunden bauten die einstigen Glanzlichter der Branche rund ein Viertel ihrer Arbeitsplätze ab. Versuche, sich zusammenzuschließen, scheiterten an unternehmensinternen Widerständen. Jetzt gelten die drei Hersteller als Übernahmeziele für langfristig denkende Investoren. Andere Branchen wie die Windkraftbauer wachsen zwar, sind aber dabei, sich zu konsolidieren.

Kleinere Anbieter wie Fuhrländer könnten dabei geschluckt werden. Aber auch Nordex – etwa viermal so groß wie Fuhrländer – ist nicht gegen Übernahmen gefeit. Nordex ist immer noch zu klein, um weltweit zu expandieren. Beide Unternehmen dürften Wettbewerber aus China oder aus anderen Schwellenländern interessieren, die durch den Aufkauf eines technisch führenden Herstellers aus Deutschland ihren Rückstand ausgleichen wollen.

Technologiefirmen besonders begehrt

Erst recht Unternehmen wie KUKA, Aixtron oder GEA sind im Zielkreuz ausländischer Anleger oder Wettbewerber. Für Interessenten aus Schwellenländern sind die Technologiefirmen als Wissensträger spannend. Darüber hinaus wäre ein Einstieg vergleichsweise einfach, weil – zumindest bei GEA und bei Aixtron – die Aktien eher breit gestreut sind. Bei KUKA würde Investor Grenzebach, der rund 24 Prozent der Anteile hält, beim Verkauf ein gutes Geschäft machen.

Hinzu kommt: Nach dem Einbruch des Marktes für Unternehmensbeteiligungen im Krisenjahr 2009 hat sich die Schockstarre im vergangenen Jahr wieder gelöst. Laut M&A International ist die Zahl der Deals in der deutschen Maschinenbaubranche im vergangenen Jahr um fast ein Drittel auf 93 Transaktionen angestiegen und hat damit das Niveau des Ausnahmejahrs 2008 fast erreicht. In den drei Jahren davor kam es im Durchschnitt nur zu 67 Deals. Geld ist kein Problem. Die Kassen der amerikanischen Investoren sind wieder gefüllt. Der Londoner Consulter Prequin schätzt, dass die – zumeist amerikanischen – Private-Equity-Fonds über 700 Milliarden Euro halten. Auch die Chinesen sind flüssig. Allein der Staatsfonds CIC hält umgerechnet fast 300 Milliarden Euro in seinen Kassen.

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