Maschinenbauer Björn Kemper Mit der Krise kam der Erfolg

Der westfälische Maschinenbauer Björn Kemper wagt mitten in der Krise den Sprung in ein neues Geschäft - in die Solartechnik. Er wusste wenig über sie, investierte aber trotzdem. Warum er heute so erfolgreich ist.

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Björn Kemper Quelle: Frank Reinhold für WirtschaftsWoche

An der Spitze eines solchen Unternehmens erwartet man einen Patriarchen: der Firmensitz in der Provinz, wo der Patron Respekt einflößt, dazu eine Produktpalette, Bling-Bling-frei wie in hochindustriellen Zeiten – Absaug- und Filteranlagen, Arbeitstische zum Schweißen, Anlagen für Bleche.

Doch wer das Firmengebäude in Vreden im westlichen Westfalen betritt, dem schreitet kein honoratiorenhafter Senior, sondern ein schlanker, jugendlich wirkender Herr entgegen. Das Haar sportiv kurz, helles Leinensakko, offenes Hemd, keine Ahnen in Öl an der Wand und kein Eichensekretär im holzgetäfelten Büro, stattdessen ein lockeres „Du“ beim Gespräch mit den Mitarbeitern – und die mit ihm – auf den Lippen. „Käme mir komisch vor“, sagt der 36-Jährige, „wenn es anders wäre.“

Björn Kemper ist einer jener unerschrockenen Unternehmer Deutschlands, die diese Rolle verkörpern wie der Zehn-Kampf-Weltmeister den Athlet. Statt wie manch Altvorderer an Firmentraditionen zu kleben, besitzt der Westfale jenen Mut, der den Entrepreneur auch und gerade in Krisenzeiten ausmacht.

Gezwungen zum Personalabbau

Bis vor Kurzem schien diese Fähigkeit Kempers gar nicht so gefragt. Anlagen, die den Rauch beim Schweißen und die darin enthaltenen Feinstäube absaugen und filtern, sind zwar ein konjunkturanfälliges, aber mittelfristig bombensicheres Geschäft. Regierungen und Unternehmen insbesondere in den Schwellenländern werden beim Arbeitsschutz immer sensibler. Dank dieser Entwicklung steigerte Kemper 2006 und 2007 den Umsatz jeweils um rund 30 Prozent. Davon stammten 70 Prozent aus dem Ausland.

Doch plötzlich war die Aussicht auf ständiges Wachstum dahin, die Wirtschaftskrise hatte bis nach Vreden durchgeschlagen. Kempers 285-Mitarbeiter-Firma verlor jeden vierten Euro Umsatz. Der Westfale musste Kurzarbeit fahren, 15 Leiharbeiter wegschicken und in seinem noch jungen Werk bei Prag sogar die Hälfte der 250 Beschäftigten entlassen.

Das war der Moment, in dem Kemper Unternehmerqualitäten zeigte. „Als die Krise sich abzeichnete, haben wir uns gefragt, wie wir das Geschäft durch weniger konjunkturanfällige Aktivitäten absichern können“, sagt er. Das klingt nach Beraterwelsch, ist es aber nicht. Kemper wagte den Sprung in ein Geschäft, das er bisher nur aus der Zeitung kannte: Solartechnik.

Das Geschäft mit der Sonne

Im Herbst 2008 entschied er, sogenannte Nachführungssysteme für Solarzellen zu fertigen. Die Teile sehen aus wie riesige, rechteckig-flache Radarschirme, die sich wie Sonnenblumen nach der Sonne ausrichten. Die Technik ist gefragt: Fotovoltaikzellen, die sich stets optimal zur Sonne neigen, liefern bis zu 40 Prozent mehr Strom als starre Konstruktionen. Und Kempers Technik ist nicht betroffen vom Preisverfall der Sonnenpanele. Um die Anlagen zu entwickeln und Kunden zu akquirieren, stellte Kemper sechs Leute ab – Ausgang ungewiss. „Da haben sich schon einige in der Branche arg gewundert“, sagt er.

Noch hat sich die Solartechnik nicht zum Großgeschäft entwickelt. Erst vier Anlagen sind im Aufbau oder liefern bereits Strom. „Wir waren uns natürlich im Klaren darüber, dass wir mit dem Einstieg in das Geschäft mit der Sonnenenergie nicht von heute auf morgen unsere Konjunkturanfälligkeit verringern würden“, sagt Kemper. Dennoch steht für ihn fest, dass die Solartechnik auf die Dauer kein Nischengeschäft bleiben soll – obwohl inzwischen wieder das Stammgeschäft brummt.

In der Firma aufgewachsen

Kemper steht für all die Risikobereiten in der Wirtschaft, die den unternehmerischen Mut, wenn nicht mit der Muttermilch, so doch von klein auf im Familienalltag aufgesogen und sich zu eigen gemacht haben. Vater Gerd Kemper, der den Betrieb 1977 gegründet hatte, bereitete den Filius zielstrebig auf seine Rolle vor. Stets waren die großen und kleinen Freuden und Ärgernisse des Geschäftslebens Thema beim Mittags- oder Abendtisch. Als Zwölfjähriger mähte Kemper den Betriebsrasen, als 15-Jähriger half er in der Fertigung oder in der Montage.

Die Hoffnung, die der Senior auf diese Weise in den Junior legte, ging auf. „Es war schon früh mein Ziel, in die Fußstapfen des Vaters zu treten“, erinnert sich Kemper. Dass Unternehmertum Mut bedeutet, wurde ihm schon früh klar. Kemper erlebte die Firmengründung als Vorschulkind. Jahrelang nutzte der Vater das Wohnzimmer als Firmenbüro. Ob aus Papas zartem Firmenpflänzchen etwas würde, war lange ungewiss. Der Filius bekam hautnah mit, als der Vater Mitte der Achtzigerjahre Nachbarn und Bekannte betriebsbedingt entlassen musste und darauf mit Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und Krankheit reagierte. „Auch Entlassungen sind eine unternehmerische Aufgabe – wohl die schwerste“, sagt Kemper heute.

Aber er spürte später auch die Anerkennung in der kleinen Stadt, als sein Vater 1992 – Kemper war gerade 18 Jahre alt geworden – die neue Firmenzentrale einweihte. Seit drei Jahren sind der heute 62-jährige Senior und sein Sohn Kollegen in der Geschäftsführung. Der Junge ist inzwischen das Gesicht der Firma und für den Vertrieb sowie die Strategie, der Alte für Technik und Produktion zuständig.

Kemper, in seiner Freizeit FDP-Ortsvereinsvorsitzender von Vreden, hat es in jungen Jahren auch schon mal als Arbeitnehmer versucht, in der Frachtsparte der Lufthansa. Zu groß und zu bürokratisch sei ihm das gewesen. Dann schon lieber Entscheidungen fällen und was riskieren, auch wenn die Angst vor dem Fehlschlag immer mit dabei sei, sagt er: „Aber der Wille zum Gestalten und der Spaß an der Sache überwiegen – ohne Zweifel.“

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