Messebranche Dom und Dildo

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Messen für Millionäre: In Quelle: dpa

Auf dem gleichen Messegelände wie die verblichene Ecclesia findet jedes Jahr im Juni die größte Karnevalsmesse der Welt statt, die Interkarneval. Rumtata statt Orgelklang empfängt den Besucher in den Kölner Hallen. Kostümverleihe, Spezialausrüster für den Umbau von Karnevalzugfahrzeugen, Hersteller von Schießanlagen für Schützenvereine, aber auch der Handelskonzern Metro als einer der größten Händler für Karnevalsbedarf bieten ihre Produkte an. Wer will, kann sich gleich am Stand mit Wurfmaterial wie Karamellen und Schokoriegel, aber auch Orden, Kostümen oder Kanonenimitaten für Gardekorps eindecken.

Auf den Gängen treiben sich Narren im Flickenkostüm herum, ein Spielmannszug in Landsknechtskostümen zieht durch die Halle. Plakate verweisen auf einen „Workshop für Mariechentanz“, „Hebefiguren für Fortgeschrittene“ oder die „Infostunde: Karnevalisten fragen, Juristen antworten“. Eine Informationsstunde der Versicherung Arag befasst sich mit dem Thema „Welche Versicherungen sind für den Karneval wichtig?“.

Plötzlich großes Gedränge: Seine Tollität Prinz Patrick II. von Kenehemo aus dem ostbelgischen Kelmis ist soeben samt Gefolge in die Halle eingezogen. Luftschlangen fliegen, Alaaf-Rufe ertönen. „Viele Besucher kommen auch, um sich in den langen Karnevalsferien zwischen Aschermittwoch und dem 11. November eine Art Zwischenkarneval zu schaffen“, sagt Heinz-Dieter Wolligandt. Der Geschäftsführer von Comicus, einem Spielwaren- und Karnevalutensilienhändler aus dem rheinischen Gangelt, stellt seit den Neunzigerjahren auf der Karnevalmesse aus. So groß ist das Interesse am Messethema Fastnacht, dass fast zeitgleich die Narren aus dem süddeutschen Raum sich in den Hallen der Messe Sindelfingen auf der Narristo amüsieren und Geschäfte machen.

Auch Nischenthemen stoßen bei den Messen an Grenzen

Stille statt Remmidemmi herrscht auf der Pieta in Dresden. Särge stehen aufgereiht, in dem breiten Angebot von Urnen finden sich auch Behälter in Fußballform in verschiedenen Vereinsfarben. Ein Hersteller wirbt für Seebestattungen, ein anderer für Mundformer, Lippenkleber und Leichenspray. Ein paar Boxen weiter bietet ein Softwarehersteller das Betriebssystem X5Bestattung an, daneben erläutert der Stuttgarter Krematoriumsbauer Ruppmann seine „kundenorientierte Technik“ bis in die Einzelheiten. Um die Ecke an Stand 456 preist die Würzburger Funeralia GmbH die Vorzüge ihres hydraulischen Leichenmuldenhubwagens mit GS-Zeichen an und weist auf die Qualität ihrer Totenkühlgeräte hin.

Nicht immer gelingt der Balanceakt zwischen Pietät und Professionalität – etwa dann wird’s peinlich, wenn der Bestatterverband BDB mit den Worten „Hier wird die Bestatterbranche lebendig“ zu der alle fünf Jahre stattfindenden Messe BEFA in Düsseldorf einlädt. Auch Marketingweisheiten wie „Wer nicht wirbt, stirbt“ passen nur bedingt in die Umgebung. Auf anderen Messen der Branche geht es allerdings noch deftiger zu: Die amerikanischen „Undertaker“ warben für ihren Kongress und die dazu gehörige Messe in Florida im vergangenen Jahr mit dem Motto „Ticket to Paradise“.

Paradiesisch ist die Pieta allerdings für den Veranstalter, die Messe Dresden. „Die Zahl der Aussteller hat sich seit der ersten Pieta 1996 etwa verdoppelt“, sagt Messeleiter Gerd Speerhacke.

Aber auch Nischenthemen stoßen an Grenzen. So kamen zur Millionaire Fair in München statt der erwarteten 20.000 Besucher nur 14.000 Schaulustige – laut Veranstalter. Messekenner halten auch diese Zahl für hoch gegriffen. Wen wundert die Besucherabstinenz – die Messe fand wenige Wochen nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers statt. „Wir hatten viel Gegenwind im Vorfeld“, sagt Messemacher Obma. Immerhin waren die Millionärsmessen in den Jahren davor Erfolge. Und selten wurde in Deutschland so viel über eine Messe dieser Größenordnung in der Presse berichtet wie über die Münchner Millionärsschau. Zumindest ein Trost bleibt für die Macher von Nischenausstellungen: Skurrilmessen erregen Aufsehen.

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