Microsoft-Vorstand Achim Berg Tänzer am Leichenwagen

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Unübersehbar dürfte demgegenüber die mehrteilige Werbekampagne sein, die bald den Globus überziehen wird. Eine halbe Milliarde Dollar steckt Microsoft angeblich ins Marketing von Phone 7. Die Zahl will Berg nicht kommentieren, lieber betont er, dass man Dinge am besten bewege, wenn man sich nicht ständig bei seinen Vorgesetzten rückversichere. "Die Werbekampagne für Phone 7 habe ich Steve Ballmer erst gezeigt, als sie fertig war. Er fand sie toll. Wenn vorher alle mitreden wollen, wird das Ergebnis schlechter."

Am Ergebnis wird sich Berg später auch messen lassen müssen, ob er will oder nicht.

Drei Jahre lang will er hierbleiben und danach gemeinsam mit Frau und Sohn entscheiden, wie es weitergeht. Sein Hightech-Haus in Deutschland hat er vorsorglich nicht verkauft, selbst wenn er jetzt in Bellevue wohnt, dem Nachbarort von Redmond. Im alten Keller hat er einstweilen auch seine privaten Großrechner zurückgelassen. Per Datenleitung liefern sie nun Musik bis in Bergs neues Wohnzimmer am anderen Ende der Welt. Ein Stück Heimat im digitalen Zeitalter.

"Microsoft versucht, nicht mehr so amerikanisch zu sein. Und ich versuche, etwas mehr europäische Gelassenheit und Humor mitzubringen", beschreibt Berg seine neue Rolle in der Firmenzentrale. Und er wundert sich. Etwa über die Eigenart mancher Mitarbeiter, selbst dann per E-Mail miteinander zu kommunizieren, wenn sie sich im selben Raum aufhalten. Oder über die Lässigkeit in Kleiderdingen. Kein deutscher Konzernchef würde so über sein Firmengelände spazieren wie Ballmer gerade eben durch die Cafeteria im Commons-Gebäude: mit khakifarbener Schlabberhose und zwei Shirts übereinander. Microsoft ist eine Welt ohne Herrenschneider. Wer hier Anzug oder auch bloß Sakko trägt, gibt sich als Fremder zu erkennen.

Rein äußerlich ist Berg also definitiv angekommen in seiner neuen Rolle: mit Jeans und Hemd, ein smarter Kerl für smarte Telefone.

Innerlich ist das schwieriger zu sagen. Bei aller Gelassenheit wirkt Berg bisweilen gehetzt, der Erfolgsdruck muss gewaltig sein. Wenn er geht, bewegt er sich auffällig schnell, so als wolle er jemanden einholen. So wie Microsoft auch Apple und Google einholen muss?

Berg sei "die letzte Chance für Microsoft", sagt ein Manager einer Konkurrenzfirma. Sein Ziel, sagen andere, sei unerreichbar. Die renommierte Beratungsfirma Gartner beispielsweise schätzt den Marktanteil von Phone 7 in vier Jahren auf weniger als vier Prozent. Das ist praktisch nichts, und man mag sich angesichts dessen schon fragen, ob Microsoft bei der großen Begräbnisparade vor einigen Wochen auch die richtige Leiche beerdigt hat.

"Warten wir mal ab", kontert Berg zuversichtlich. "Das wäre nicht die erste Prognose, die später korrigiert werden musste." Microsoft, so lautet Bergs unausgesprochene Botschaft in diesem Herbst, will keinen Kampf verloren geben, der gerade erst beginnt. Unterschätzen solle man den Konzern aus Redmond besser nicht. Man soll das nie bei Totgesagten.

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