Milliardengrab Landesbank Anatomie des BayernLB-Skandals

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Intern ist die Bank längst ins Trudeln geraten. „Jeder merkte, dass etwas nicht stimmte“, sagt ein ehemaliger HGAA-Top-Manager. „Es wurde nicht mehr an einem Strang gezogen, und es gab keine klare Strategie mehr.“ Kulterer tritt schließlich zurück. Kurioserweise übernimmt er sogleich den Aufsichtsratsvorsitz, wofür eigens die Satzung der HGAA geändert werden muss.

In Wien und Klagenfurt beschäftigen sich 2006 und 2007 zwei Untersuchungsausschüsse mit der HGAA. Dabei scheint das Interesse an einer lückenlosen Aufklärung begrenzt. So leidet der Wiener Ausschuss darunter, dass insgesamt 16 geladene Zeugen gar nicht erscheinen. Sie erklären sich aus unterschiedlichsten Gründen für unpässlich, notfalls auch mehrmals.

In neuen Händen

2006 scheitert die geplante Kapitalerhöhung der HGAA, weil das Investoreninteresse zu gering ist. Mit Tilo Berlin tritt Ende des Jahres überraschend ein Investor auf den Plan, der 125 Millionen Euro frisches Kapital mitbringt und sich damit knapp fünf Prozent der HGAA sichert. Das Geld stammt von einer eigens gegründeten Gesellschaft in Luxemburg, in die deutsche und österreichische Unternehmer, vor allem aber Hedgefonds und institutionelle Investoren eingezahlt haben. Berlin und einige Investoren erklären heute, dass sie das Ziel eines Börsengangs verfolgten. Einige Insider bezweifeln indes, dass dies wirklich eine realistische Option war.

Berlin ist in Österreich bestens verdrahtet. Er und Haider kennen sich seit Jahren gut, wie ein Weggefährte Berlins bestätigt. Auf dem Ulrichsberg in Kärnten, der Berlins angeheirateter Familie gehört, findet jährlich ein umstrittenes Treffen zur Erinnerung an Gefallene des Zweiten Weltkriegs statt. So hat Haider dort versammelte ehemalige Angehörige der Waffen-SS als „Männer mit Grundsätzen“ gelobt.

Deutsche Schlafmützen

Als Vermögensverwalter hat Berlin gute Kontakte in wohlhabende Kreise aufgebaut. Den Chef der BayernLB, Schmidt, kennt er aus der gemeinsamen Zeit bei der LBBW. HGAA-Aufsichtsratschef Kulterer und Schmidt sind ebenfalls alte Bekannte. Schmidt hatte schon 2001 – nach seinem Ausscheiden als Chef der Landesbank Baden-Württemberg und vor seinem Start bei der BayernLB – der HGAA als Berater zur Seite gestanden. Anlass der auf drei Monate angelegten, aber nach zwei Wochen wegen des Wechsels zur BayernLB beendeten Beratung war nach Angaben von Schmidts Anwalt „die Einführung der sogenannten Marktzinsmethode“, eines Verfahrens zur Identifikation von Erfolgsquellen in der Bankkalkulation.

Mehrere ehemalige Weggefährten Kulterers berichten von einem seit dieser Zeit guten persönlichen Verhältnis, was Schmidts und Kulterers Anwälte dementieren. So soll Kulterer Schmidt beraten haben, als dieser 2002 den Kauf der Rijeka Banka rückabwickeln musste. Die kroatische Tochter der BayernLB war in eine finanzielle Schieflage geratenen und geht schließlich für einen Euro an den kroatischen Staat. Kulterer erklärt, dass er und Schmidt 2002 im Zusammenhang mit dem Verkauf telefoniert hätten, allerdings einen Tag vor der Entscheidung, sodass keine Beratung stattgefunden haben könne.

Ob und wie persönliche Nähe die kommenden Ereignisse beeinflusst hat, ist bis heute unklar. Jedenfalls tritt im Februar 2007 plötzlich die BayernLB als Interessentin für die HGAA auf den Plan. Für Schmidt ist das die vermeintlich letzte Chance zum Befreiungsschlag. In Deutschland wird über fehlende Geschäftsmodelle und Fusionen der Landesbanken diskutiert, auch über einen Zusammenschluss der BayernLB mit der LBBW. Die Münchner Bank wäre hier nur Juniorpartner.

Schmidt hat die Rückendeckung der Politik. 2005 wurde die HypoVereinsbank von der italienischen UniCredit übernommen. Würde auch die BayernLB als eigenständiges Institut wegfallen, hätte München stark an Bedeutung eingebüßt. Die österreichischen Banken gelten zu dieser Zeit wegen der oft zweistelligen Wachstumsraten ihrer Osteuropaaktivitäten als kluge Pioniere, die deutschen dagegen als Schlafmützen, die eine Goldgrube übersehen haben. Schmidt will keine Schlafmütze mehr sein. Dass viele Geschäfte auf sehr positiven Wachstumsszenarien basieren und die Kreditvergabe oft unprofessionell ist, will niemand wissen.

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