Milliardengrab Landesbank Anatomie des BayernLB-Skandals

Seite 5/6

Rein formal folgt nun ein normaler Verkaufsprozess. Die Investmentbanken Rothschild und Credit Suisse, Wirtschaftsprüfer und Anwaltskanzleien werden beauftragt. Die Verhandlungen laufen ungewöhnlich schnell. Ein Thema scheint im Frühjahr 2007 trotz bedrohlicher Signale vom US-Immobilienmarkt dabei ganz weit weg. „Mit einer möglichen Finanzkrise haben wir uns überhaupt nicht beschäftigt“, sagt einer, der dabei gewesen ist. Wie mehrere Verhandlungsteilnehmer bestätigen, ist allerdings bereits klar, dass die HGAA eine neue Kapitalerhöhung braucht, weil ihre Reserven wieder knapp geworden sind.

Am 22. Mai 2007 wird in Klagenfurt gefeiert. Von einer „einmaligen Win-win-Situation“ und „großem Potenzial in wesentlichen Zukunftsmärkten“ schwadroniert Schmidt bei der Präsentation des Kaufvertrags, mit dem die Münchner für rund 1,6 Milliarden Euro die Mehrheit an der HGAA übernehmen. Verkäufer sind das Land Kärnten und Berlin. Der hatte seinen Anteil nochmals aufgestockt, wobei ihm auch die BayernLB mit einem Kredit über 300 Millionen Euro half.

Haider lobt die „Freunde aus Bayern“. Ministerpräsident Edmund Stoiber gratuliert zum „guten Signal für den Finanzplatz Bayern“. Kulterer spricht später gar von einem „Geschenk Gottes“.

Kurzfristig Ärger macht die kroatische Nationalbank. Sie will die Übernahme nach den schlechten Erfahrungen mit der Rijeka Banka nicht genehmigen. Außerdem verlangt sie eine Änderung der Geschäftspraktiken in Kroatien. Stoiber persönlich interveniert beim damaligen kroatischen Regierungschef Ivo Sanader. Die BayernLB verpflichtet sich, die örtliche -Hypo mit mehr Kapital auszustatten.

Zweifel bleiben

Viele Merkwürdigkeiten des Kaufs fallen erst später auf. So wird offenbar, wie stark die Verkäuferseite um Haider die Bayern unter Zeitdruck setzt, indem sie plötzlich angebliche weitere Interessenten ins Spiel bringt. Ein denkbarer Grund: Der kritische Prüfbericht der Nationalbank wird drei Tage nach dem Kauf fertig.

Zu einem auf den ersten Blick vernichtenden Urteil kommt später ein Bericht der vom bayrischen Finanzministerium engagierten Wirtschaftsprüferin Corinna Linner. „Die Zeit scheint für umfangreiche Analysen knapp“, „potenzielle Synergieeffekte werden nicht genannt“, „...verbleiben Unsicherheiten bei der Bewertung des Kredit- und Wertpapierportfolios“ — die Mängelliste ist lang.

Zusätzlich kritisiert Linner den Kaufpreis. Rothschild und die BayernLB haben den Wert der gesamten HGAA mit knapp 2,8 Milliarden Euro angesetzt. Die Verkäufer gehen von 3,6 Milliarden aus. Nach dem Gutachten hätte die BayernLB nach den Verhandlungen ihr ursprüngliches Angebot von 1,6 Milliarden für den 50-Prozent-Anteil um 100 Millionen reduzieren müssen. Sie zahlt aber 25 Millionen drauf.

Nach einer Sitzung des Verwaltungsrats der BayernLB im Mai 2009 revidiert Linner die Aussagen. Auf einmal soll nun alles in Ordnung gewesen sein. Vor einem Ausschuss des Bayerischen Landtags erklärt sie den Meinungsumschwung so: „Wenn Sie in einer solchen Sitzung sind, und diese ehrenwerten Herren erklären Ihnen, was sie alles getan haben — soll ich dann davon ausgehen, dass ich belogen worden bin? Das darf ich nicht.“

Zweifel bleiben. „Die Prüfung der Risiken entsprach den gängigen Standards“, sagt ein Verhandlungsteilnehmer. „Aber warum die BayernLB einen derart hohen Preis zahlte, wird sie gut begründen müssen.“ Zudem verzichten die Münchner weitgehend auf ihre Rechte, den Vertrag nachzuverhandeln. „Es war natürlich in unserem Interesse, dass wir keine weiteren Risiken tragen müssen, und diesem Wunsch hat die BayernLB entsprochen“, sagt dazu lapidar Josef Martinz, Chef der Kärntner ÖVP.

Selbst wenn die Bayern die HGAA Klagenfurt ausreichend geprüft haben, ist zweifelhaft, ob dies auch für die Tochtergesellschaften gilt. „Eine gründliche Prüfung des Geschäfts in Kroatien gab es wohl nicht“, sagt ein Ex-HGAA-Manager. Ein von der BayernLB bei einer Sicherheitsfirma in Auftrag gegebenes Gutachten zur Lage in Kroatien wird jedenfalls erst nach der Übernahme fertig.

Auf dem Weg ins Desaster

Nach der Übernahme will die BayernLB bei ihrer neuen Tochter aufräumen. Der Liechtensteiner Ableger wird zugemacht, die besonders umstrittenen Geschäfte der Consultants-Tochter in Kroatien werden an einen nicht veröffentlichten Abnehmer verkauft. Der von der BayernLB installierte Risikovorstand Andreas Dörrhöfer baut ein neues System zur Kreditkontrolle auf.

In den Aufsichtsratssitzungen der HGAA tritt Schmidt äußerst dominant auf, wie ein Teilnehmer berichtet. „Aber man hatte manchmal den Eindruck, dass die neuen Mehrheitseigentümer dachten, das Geschäft in Osteuropa laufe wie von selbst“, sagt einer, der dabei war. Einige riskante Projekte wie etwa der Markteintritt in Rumänien werden nicht gestoppt. Zudem verlassen viele Mitarbeiter die Bank.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%