Milliardengrab Landesbank Anatomie des BayernLB-Skandals

Jetzt wird ausgemistet: In wenigen Tagen startet der Untersuchungsausschuss zum Kauf der österreichischen Bank Hypo Group Alpe Adria durch die BayernLB. Wie getrickst wurde, woher die Verluste kommen – die Skandalchronik.

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Zwei Mitarbeiter der BayernLB Quelle: dpa

Ein eiskalter Dezemberabend in München. Im Kaminzimmer der Bayerischen Landesbank soll eigentlich ein Weihnachtsgespräch von Journalisten mit dem versammelten Vorstand stattfinden. Doch dazu kommt es nicht. Gegen 20 Uhr fahren die Limousinen der Mitglieder des Verwaltungsrats vor, des Kontrollgremiums der Bank. Im obersten Stockwerk treffen sie sich zu einer Sondersitzung. BayernLB-Chef Michael Kemmer ist am Nachmittag zurückgetreten. Finanzminister Georg Fahrenschon, der dem Verwaltungsrat vorsitzt, hastet durch das Foyer zum Aufzug.

Nach einem Verhandlungsmarathon in der Nacht zuvor hat die BayernLB ihre Anteile an der Hypo Group Alpe Adria (HGAA) für einen Euro und mit einer Mitgift von 825 Millionen Euro an den österreichischen Staat abgegeben. Nur knapp ist das Kärntner Institut am Zusammenbruch vorbeigeschrammt. Von diesem Tag an muss Fahrenschon immer wieder erklären, wie die staatseigene BayernLB bei ihrem zweieinhalb Jahre dauernden Balkanabenteuer rund 3,7 Milliarden Euro verschleudern konnte.

Offene Fragen

Bis heute hat er keine befriedigende Antwort gegeben und wohl auch selbst nicht gefunden. Seit Oktober ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Ex-Bankchef Werner Schmidt und weitere Manager. Haben sie 2007 möglicherweise wissentlich einen zu hohen Kaufpreis für die HGAA gezahlt? Warum hat bei den Kaufverhandlungen niemand gemerkt, dass viele Geschäfte der Bank mehr als riskant waren? Wie konnte ein kleines Kreditinstitut aus den Bergen die durch hohe Verluste mit spekulativen Wertpapieren ohnehin geschwächte Landesbank erneut in größte Bedrängnis bringen, die CSU in ihre schwerste politische und das Land Bayern in die tiefste finanzielle Krise der Nachkriegsgeschichte stürzen? In wenigen Tagen wird sich ein Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag formieren und versuchen, mehr Licht ins Dunkel zu bringen.

Neue Details zeigen schon jetzt, wie der Vorstand der HGAA die Bank über Jahre aufgehübscht hat, um die Wünsche der Eigentümer zu erfüllen und das Institut für einen möglichen Börsengang oder Verkauf herzurichten. Jetzt zeigt sich auch, woher die Milliardenverluste stammen, für die nun Steuerzahler in Deutschland und Österreich aufkommen. Das sagenhafte Wachstum der österreichischen Bank von zeitweise gut 40 Prozent pro Jahr stand von Anfang an auf tönernen Füßen.

Karriere einer Provinzbank

Anfang der Neunzigerjahre ist das Geschäft der 1896 als Kärntner Hypothekenbank gegründeten HGAA unauffällig. Wie andere Banken in Staatseigentum steht sie unter politischem Einfluss. Die Hypo finanziert etwa größere Tourismusprojekte wie neue Seilbahnen in dem strukturschwachen Land, bei denen sich private Banken nicht engagieren wollen.

Die Geschicke der Bank steuert seit 1992 Wolfgang Kulterer, den der damalige Landeshauptmann Christof Zernatto zur HGAA geholt hat. Kulterer ist ein ehrgeiziger wie geschmeidiger Finanzmanager, der seinen Eigentümern stets abliefert, was sie verlangen. „Er hat selten einen Wunsch abgeschlagen“, sagt ein Weggefährte. Kulterer geht auf Expansionskurs.

In Europa ist es eine Zeit politischer Umbrüche. 1995 geht der Jugoslawienkrieg zu Ende. Als direkter Anrainer hat sich die Kärntner Regierung stark für die Unabhängigkeit Kroatiens und Sloweniens eingesetzt. Als eine der ersten Banken wagt sich die Hypo Alpe in die neuen Staaten.

Die Wünsche an die HGAA werden größer, als Jörg Haider 1999 Regierungschef in Kärnten wird. Der FPÖ-Politiker will seine Landeskinder mit Renommierprojekten bei Laune halten. Wirtschaftlich bis ins Letzte durchgerechnet sind die oft nicht, die HGAA finanziert sie trotzdem.

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