Mittelstand Die unbekannten Krisengewinner

Expandieren, übernehmen, verdrängen – Deutschlands mittelständische Weltmarktführer drücken die Konkurrenten noch weiter an die Wand. Ein Blick über die Schulter unbekannter Krisengewinner.

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Friedrich Trautwein von der Firma SMT Scharf Quelle: Stefan Kröger für WirtschaftsWoche

Manchmal lässt es sich Hans Fechner, der Chef des Maschinen- und Anlagenbauers Siempelkamp in Krefeld, nicht nehmen, von seinem Büro im elften Stock in die benachbarte Gießereihalle zu gehen, um einem Spektakel beizuwohnen. Langsam neigen sich fünf riesige Pfannen über eine Gussform. Es blitzt und zischt, 270 Tonnen flüssiges, orange-rot glühendes Gusseisen schießen in den gigantischen Hohlraum. Nach zwei Minuten ist das Schauspiel zu Ende. „Das ist nach Gewicht und Größe ein neuer Weltrekord“, sagt Fechner stolz. Vier Wochen lang muss der Eisenklotz abkühlen, dann wird er gefräst und geschliffen, bis daraus ein Teil einer 1300 Tonnen schweren Presse wird.

Siempelkamp geht es wie zurzeit vielen Unternehmen in Deutschland: „Wir werden in diesem Jahr etwas weniger Umsatz machen als 2008“, sagt Fechner, auch 2010 werde „kein Boomjahr“. Doch was macht der bullige Rheinländer in einer solchen Situation? Einstellungsstopp – von wegen! „Wir nutzen die Chance, nach Jahren, in denen die Arbeitsmärkte für Ingenieure leer gefegt waren, Spezialisten zu finden.“ Sparen bei der Ausbildung – kommt nicht infrage. Das Unternehmen wird auch in diesem Jahr 100 Lehrlinge ausbilden.

Weltmeister der Unternehmensnische

Siempelkamp, 681 Millionen Euro Umsatz, 2600 Mitarbeiter, ist der klassische Vertreter jener Spezies hierzulande, die es zum Weltmeister ihres kleinen, aber feinen Fachs gebracht hat – auf Englisch: zum Hidden Champion – und die nun in der Krise Gas gibt, statt alles herunterzufahren. Ihnen reicht es nicht, etwa wie Siempelkamp zwei Drittel aller Großmaschinen zur Herstellung von Pressspanplatten oder 80 Prozent aller Spezialmaschinen für das Öffnen und Schließen von Atomreaktordruckbehältern zu bauen. Während andere wegen finanzieller Schwindsucht insolvent gehen oder sich einer Hungerkur unterziehen, schalten die Meister ihres Metiers um auf Totalangriff, um ihre Position zu sichern oder auszubauen. Für Hidden Champions bedeutet die Krise keine Katastrophe, sondern Kehraus. Kommt der Aufschwung, soll die ausgezehrte Konkurrenz weiter ins Hintertreffen geraten, der Marktführer aber als Krisengewinner dastehen.

Dieses Verhaltensmuster belegt eine Studie, die der Mittelstandsexperte Bernd Venohr von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin zusammen mit dem Münchner Consulter Rothgordt & Cie exklusiv für die WirtschaftsWoche erstellt hat. Danach wiederholen die Könige der Nischen in der jetzigen Krise, was sie schon während der Konjunktureinbrüche 2003 und 1992/93 vorexerzierten. Auch damals setzten die Turbo-Mittelständler darauf, dass Marktanteile nicht in guten Zeiten, sondern in Abschwungphasen neu verteilt werden. Auch damals investierten die heutigen Champions gegen den Trend, erwiesen sie sich als radikale Antizykliker.

So kaufte Weinig im baden-württembergischen Tauberbischofsheim in der Krise 1992/93 zwei Unternehmen, in den mageren Jahren 2001/02 zwei weitere Firmen und sicherte so seine Position als Marktführer bei Holzbearbeitungsmaschinen. Auch Aesculap zeigte Mut in der Malaise. 1992, im Abschwung nach dem Boom durch die deutsche Wiedervereinigung, errichtete der Medizintechniker ein neues Werk am Stammsitz im nordhessischen Melsungen, etwa zehn Jahre später, in der New-Economy-Flaute, ebendort eine Pharmafabrik.

Ähnliches deutet sich in der gegenwärtigen Krise an. Siempelkamp-Chef Fechner etwa kaufte Ende 2007, die Finanzkrise war gerade ein paar Monate alt, den fränkischen Kernkraftspezialisten NIS mit 165 Beschäftigten sowie die Metso Panelboard, einen Servicebetrieb für Holzverarbeitungsanlagen in Hannover mit 65 Mitarbeitern. Dann stürzte die Konjunktur ab – und Fechner kaufte weiter ein: Im Januar 2009 erwarb Siempelkamp den ostfriesischen Spezialkranbauer E&W mit 70 Mitarbeitern, wenig später die US-Firma Mota, die Atomanlagen abreißt. Und soeben verleibten sich die Niederrheiner Hombak ein, einen kleinen Hersteller von Zerspanungsmaschinen für Holz aus dem pfälzischen Bad Kreuznach.

Hans Fechner vom Familienunternehmen Siemelkamp Quelle: Frank Reinhold für WirtschaftsWoche

Damit wirkt die Rezession für die Nischenplayer wie ein Darwin’scher Auslesemechanismus – die Großen fressen die Kleinen und/oder werden noch größer. „Zwar geht es so gut wie allen Unternehmen in der Krise schlechter, auch den starken Spielern“, sagt Venohr, „doch Krisen unterstützen die Neuaufteilung der Märkte zugunsten der Starken.“

Die Hidden Champions wären nicht in der Lage, die Auftragseinbrüche und Krisen wie die jetzige zu ihrem Vorteil zu nutzen, würden sie nicht etwas anders wirtschaften als so mancher ihrer Konkurrenten. Wie, das hängt stark vom Einzelfall ab. Es gibt aber gemeinsame Erfolgsfaktoren. An erster Stelle steht die Konzentration auf die eigene Finanzkraft. Während Konzerne wie Daimler noch kurz vor der Krise das Füllhorn für ihre Aktionäre ausschütteten und nun schütter durch die Flaute steuern, ließen die meist mittelständischen Nischenstars in den zurückliegenden guten Jahren die Gewinne vielfach im Unternehmen. „Die Weltmarktführer konnten in den vergangenen Jahren – stärker noch als andere Unternehmen – ihre Kriegskassen füllen und sind jetzt in der Lage, antizyklisch vorzugehen“, sagt Venohr.

So hat sich die Eigenkapitalquote größerer Mittelständler seit der Jahrtausendwende mehr als verdoppelt. Mehr als die Hälfte der Unternehmen mit Umsätzen zwischen einer und 50 Millionen Euro konnte im Startjahr der Krise 2007 mit einer Eigenkapitalquote von 17,6 Prozent oder mehr aufwarten, so der Deutsche Sparkassen- und Giroverband. Vor neun Jahren lag der Wert bei nur 7,4 Prozent. Und der Anteil der Bankverbindlichkeiten an der Bilanzsumme sank seitdem von fast 40 Prozent auf rund 25 Prozent.

Mittelständische Weltmarktführer trotzen der Krise

„Die Weltmarktführer im Mittelstand dürften noch deutlich besser liegen“, sagt Venohr. Das ermöglicht ihnen, Absatzflauten lange durchzustehen und gleichzeitig Wettbewerber zu übernehmen, ohne auf die gegenwärtig argwöhnischen Banken angewiesen zu sein. Eine Studie des Unternehmensberaters Munich Strategy Group bestätigt das. Die Münchner kamen zu dem Ergebnis, dass 71 Prozent der Mittelständler während der vergangenen vier Jahre um mehr als fünf Prozent jährlich gewachsen sind. Etwa 40 Prozent des deutschen Mittelstandes verfügen laut Studie über eine hohe Krisenfestigkeit. „Diese Unternehmen sind renditestark, haben klare Wettbewerbsvorteile und gehören in ihren Segmenten zu den Marktführern“, sagt Studienautor Sebastian Theopold.

Dabei kommt den Starken zugute, dass sie in der Krise die Schwachen preiswert übernehmen können. Ein Beispiel ist Indus in Bergisch Gladbach bei Köln. Die Mittelstandsholding ist zwar kein Familienbetrieb, agiert aber so. Die Rheinländer mit ihren 41 Firmen und 928 Millionen Euro Jahresumsatz (2008) kaufen kleinere Unternehmen auf, entwickeln sie und halten sie – anders als klassische Finanzin-vestoren – langfristig. Unter dem Holdingdach arbeiten auch einige Hidden Champions.

Typisch ist für Indus, dass sich das Unternehmen während der Boomjahre, als viele Investoren in aller Welt mit großem Getöse Betriebe kauften, ohne sich um die überhöhten Preise zu kümmern, bewusst zurückhielt. Umso mehr gehen die Rheinländer jetzt auf die Jagd. „In den kommenden Monaten werden wir die günstigen Preise auf dem Firmenmarkt gezielt nutzen“, sagt Indus-Vorstandschef Helmut Ruwisch, „jetzt passen die Preise wieder zu einer Unternehmensstrategie mit langfristiger Perspektive.“ Einen Hieb auf die hippen Investoren aus der Finanzszene kann sich Ruwisch nicht verkneifen: „Wir haben nicht so schicke Partys, leben aber länger.“

Selbst der Reeder und Lebensmittelmogul August Oetker verkündete am vergangenen Dienstag in Bielefeld, er wolle, getroffen von der Krise des Welthandels und der Containerschifffahrt, „liquiditätsbelastende Projekte zurückstellen“ – sprich: wo möglich, Investitionen herunterschrauben. Mittelständische Weltmarktführer agieren ganz anders. Die WirtschaftsWoche hat einigen von ihnen über die Schulter gesehen, um zu erfahren, wie sie – oft in Familienhand – die jetzige Krise konkret nutzen, um ihre Marktposition zu stärken. Herausgekommen sind Kurzaufnahmen von Unternehmern und Managern, die im Absturz die Chance zum Senkrechtstart sehen – und diese beherzt ergreifen.

Robert Bauer ist Chef des Sensorenherstellers Sick Quelle: Deniz Saylan für WirtschaftsWoche

Der Innovator: Mit neuen Produkten den Konkurrenten Angst einjagen – nach dieser Logik greift Friedrich Trautwein, der Chef von SMT Scharf, die Wettbewerber an. Der börsennotierte Maschinenbauer aus Hamm in Westfalen mit rund 230 Mitarbeitern stellt entgleisungssichere Bahnen für den Bergbau her, vornehmlich Schwebebahnen im Kleinformat. Soeben haben SMT-Scharf-Ingenieure einen neuen Antrieb für die Fahrzeuge entwickelt, die aufgehängt an einer Schiene durch die Stollen fahren, und diese auf der Ugol vorgestellt, der größten Minenmesse Russlands im sibirischen Nowokusnezk. Der neue Antrieb kann bis zu 20 Tonnen auf Steigungen bis zu 30 Grad befördern. „Es gab ein reges Interesse an der Neuentwicklung“, sagt Firmenchef Trautwein.

Auch im Vertrieb drückt Trautwein aufs Tempo. 2008 hat er in Moskau ein neues Verkaufsbüro eingeweiht und elf Leute in Russland angestellt – obwohl einige Projekte ins Wasser fielen, weil die Kunden die Flaute fürchten. In Südafrika setzt Trautwein ebenfalls auf Expansion und bezog eine größere Werkshalle. „Wir haben uns gesagt, wir machen das trotz der Lage“, sagt er, „weil wir gerade jetzt unsere Position auf den Märkten verbessern wollen.“

Trotz Krise am Bau, geht Indus in die Offensive

Der Investor: Am Rhein, direkt hinter dem Neusser Hafen, liegt das Reich von Wolfgang Scheurer, dem Chef von Betomax, einer Tochter der Mittelstandsholding Indus. Ein geräumiger Hof, zwei Hallen – auf den ersten Blick ist der Bauzulieferer ein unscheinbarer Betrieb her. Doch das 100-Mitarbeiter-Unternehmen zählt auf seinem Gebiet zu den Marktführern. Betomax stellt Spezialvorrichtungen für den Betonbau, beispielsweise Montagefahrzeuge, her.

Obwohl die Krise auch am Bau grassiert, entschied die Muttergesellschaft Indus, mit Betomax in die Offensive zu gehen und kräftig zu investieren. Betomax-Chef Scheurer durfte Teile der Produktion aus Polen nach Deutschland zurückverlagern. Eine Million ließen sich die Rheinländer die Aktion kosten, um damit langfristig Kosten einzusparen. Im Mai 2008, die Finanzkrise dauerte bereits fast ein Jahr, hat Scheurer ein neues Vertriebsbüro mit eigenem Auslieferungslager in Dubai eröffnet. Das soll Betomax weniger abhängig vom Europageschäft machen.

Scheurer hat jedoch nicht nur in die Expansion und Konzentration der Produktion investiert, sondern auch in neue Produkte. In diesem Jahr, just wenn die Krise, wie alle hoffen, ihren Tiefpunkt erreicht haben wird, bringt Betomax ein neues System auf den Markt, das Einschalungen im Brückenbau kostengünstiger macht. Mehrere Mannjahre haben die Betomax-Ingenieure in die Entwicklung gesteckt – viel Aufwand für ein Unternehmen, das 2008 rund 40 Millionen Euro umsetzte. „Im aktuellen Geschäftsjahr werden wir diesen Umsatz zwar nicht erreichen“, sagt Scheurer. „Zum Glück haben wir jedoch eine Konzernmutter, die dazu steht, dass wir uns gerade jetzt für die Zeit nach der Krise fit machen.“

Der Überwinterer: Uwe Pfeifer, Finanzvorstand von Kromi Logistik in Hamburg ist guter Dinge. Vor wenigen Tagen hat das Unternehmen den Einstieg der israelischen IMC Group verkündet. IMC ist eine Gruppe von Werkzeugherstellern in verschiedenen Ländern und gehört zu 80 Prozent der US-Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway des US-Investors Warren Buffett. Der besitzt nun rund neun Prozent des Nischenspielers. Die zupackende Strategie des Mittelständlers hat den Milliardär überzeugt.

Pfeifer musste zwar für die ersten drei Monate im Kalenderjahr 2009 einen Rückgang von rund einem Viertel des Umsatzes auf 7,8 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr bekannt geben, an Entlassungen denkt er dennoch nicht. „Wir bauen kein Personal ab“, sagt er, „wir wollen dabei sein, wenn es wieder hochgeht.“ Noch im Herbst 2008 hat der börsennotierte Dienstleister deshalb auch neue Landesgesellschaften in Brasilien und Spanien gegründet.

Das Hamburger Unternehmen agiert auf einem Nischenmarkt. Die Geschäftsidee: Kromi sorgt für stetigen Nachschub an Präzisionswerkzeugen für die Industrie. An vielen Maschinen ist das Werkzeug nach einer halben Stunde stumpf und muss ersetzt werden. In der Maschinenbaukrise 2002 gegründet, hatte Kromi Logistik bisher nur Boomjahre erlebt.

Gernot Becker, Geschäftsführer bei B. Laufenberg Quelle: Anna Schneider für WirtschaftsWoche

Der Forscher: "Uns bewegt, wie das Unternehmen in 20 oder 30 Jahren aussieht“, sagt Hubert Forster, Finanzchef von Mühlbauer in Roding im Bayerischen Wald. Das börsennotierte Familienunternehmen stellt Maschinen für die Produktion von Karten, Reisepässen oder Identifizierungssystemen her, darunter auch elektronische Funketiketten, kurz: RFID. Der freie Fall der Wirtschaft in den vergangenen Monaten schreckt den Bayer nicht. „Die Wirtschaftskrise hält uns nicht vom Investieren ab, im Gegenteil“, sagt Forster. Deshalb hat Forster die Ausgaben für Forschung und Entwicklung 2008 um zehn Prozent hochgefahren. Zurzeit arbeiten die Entwickler an Anlagen für die Automatisierung bei der Herstellung von Solarmodulen. Für Mühlbauer bedeutet das den Eintritt in einen neuen Markt.

Schon in der Rezession 2002/03 setzte Mühlbauer auf Forschung und Entwicklung. Damals ging das Unternehmen in neue Produktfelder rund um die intelligente Identifikation von Personen. Die dazu nötige Ausbildungsakademie für rund vier Millionen Euro ging selbstverständlich auch 2002/03 in Betrieb.

Ruhe als Chance, die Abläufe zu verbessern

Der Optimierer: Martin Schomaker sieht die Krise gelassen. „Wenn es ruhiger ist, können wir am besten unsere Abläufe verbessern“, sagt der Vorstandsvorsitzende der R. Stahl Aktiengesellschaft, eines börsennotierten Familienunternehmens in Waldenburg im baden-württembergischen Hohenlohekreis.

Nirgendwo auf der Welt gibt es, bezogen auf die Einwohnerzahl, mehr Hidden Champions als in dieser Region. R. Stahl etwa ist weltweit die Nummer zwei für explosionssichere Schalter und Elektrosysteme. Mehr als 1300 Mitarbeiter beschäftigt der Nischenspieler. Ende des Jahres dürften es nach Einschätzung von Schomaker sogar ein paar mehr sein, obgleich die Aufträge für Stahl in den ersten drei Monaten des Jahres um neun Prozent gefallen sind. Zugleich soll in diesem Jahr ein siebenstelliger Betrag ins Unternehmen fließen, vornehmlich in die Fertigung.

Für Schomaker ist es oft schwierig, Analysten und freien Aktionären seine Langfriststrategie zu vermitteln. Vor allem die institutionellen Anleger wie Banken oder Fonds verlangen, dass er die Arbeitsplätze in schlechten Zeiten radikal abbaut und in guten Zeiten schnell wieder hochfährt. Doch R. Stahl bleibt stur und wird in diesem Jahr wieder 30 neue Lehrlinge einstellen – wie in den Jahren zuvor. Selbst im vergangenen Jahr, als die Finanzkrise losbrach, stockte er die Belegschaft um zehn Prozent auf. „Da gibt es manchmal ein Kommunikationsproblem mit den Börsenleuten“, sagt Schomaker, „aber bisher haben wir das immer lösen können.“

Der Expansionist: Ende 2007– die Finanzkrise war noch jung – fasste Marc Herzog den Entschluss: „Wir kaufen Welonda, unseren größten Konkurrenten.“ Wenn Herzog „Wir“ sagt, meint er die Herzog Group, deren Herz seit dem Gründungsjahr 1901 die Stuttgarter Firma Olymp ist. Der schwäbische Einrichtungsspezialist liefert so ziemlich alles, was Friseure brauchen – komplette Saloneinrichtungen, Frisiermöbel, Waschanlagen, Wärmebe- » handlungs- und Trockengeräte. „Mit dem Kauf von Welonda werden wir zum europäischen Marktführer“, sagt Herzog, der als geschäftsführender Gesellschafter das Tagesgeschäft von Olymp bestimmt.

Wirtschaftsingenieurin Katharina Geutebrück Quelle: Anna Schneider für WirtschaftsWoche

Im Dezember 2008, wenige Monate nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers, wurden die Verträge geschlossen. „Das war für uns eine langfristig angelegte Entscheidung, die weit über den Horizont der aktuellen Rezession hinaus weist.“ Kein Wunder: Welonda, bis dahin im Verbund mit der Haarkosmetikmarke Wella, bringt Herzog eine Fertigungsstätte sowie den direkten Marktzugang in allen wichtigen europäischen Ländern.

Wie langfristig die Schwaben agieren, zeigen die konjunkturunabhängigen Investitionen in neue Produkte, die mit der Expansion einhergehen. Ende 2008 brachte Olymp ein neues Modell seines Hairmasters heraus. Das elektronisch gesteuerte Gerät für Friseure kombiniert Infrarotstrahlen und Warmlufttechnik. Zwei Millionen Euro kostete das Projekt, mehr als zwei Jahre arbeiteten Olymp-Entwickler daran. „Wir hätten das verschieben können“, sagt Herzog, „aber als Mittelständler denken wir nicht in Drei-Monats-Zyklen.“

Herzog hätte das neue Infrarot-Warmluft-Gerät jetzt nicht auf den Markt bringen können, hätte er den Grundstein dazu nicht vor gut eineinhalb Jahrzehnten gelegt – in der Krise 1992/93. Damals brachte er die erste Weiterentwicklung des Ur-Hairmasters auf den Markt, dessen Nachfolger die Konkurrenz nun in den kommenden Jahren in den Schatten stellen soll.

Jede Woche ein neues Produkt trotz Umsatzrückgang

Der Dauererfinder: „Jede Woche ein neues Produkt“, ist die Losung, die Robert Bauer, Vorstandsvorsitzender des Sensorenherstellers Sick im badischen Waldkirch, ausgegeben hat. „Innovationsmarathon“, nennt Bauer den Wettlauf seines Unternehmens gegen die Wettbewerber, „weil es ein langer schwerer Lauf ist.“ Das Kalkül des Badeners ist einfach: Nichts motiviere Vertriebsmitarbeiter und Kunden mehr als neue Produkte. Deshalb soll die Erneuerungsmaschine bei Sick so weiterlaufen, als gäbe es den erwarteten Umsatzrückgang von schätzungsweise 20 Prozent in diesem Jahr nicht.

Schon 2008 scherte sich Bauer nicht um die absehbaren Folgen der Finanzkrise für die Realwirtschaft und steigerte die Ausgaben für Entwicklung um fünf Prozent, das war ein Prozentpunkt mehr als das Umsatzwachstum. Sick baute das Kundenzentrum in Waldkirch aus und errichtete Testzentren im amerikanischen Minneapolis sowie in Singapur. Kosten der drei Projekte: insgesamt 42,8 Millionen Euro.

Investitionen gegen den Trend haben bei Sick Tradition. Während der Internet-Krise kurz nach der Jahrtausendwende steckte das Unternehmen 15 Millionen Euro in ein neues Logistikzentrum. Geld von der Bank spielt heute wie schon vor fast zehn Jahren nicht die ausschlaggebende Rolle. Denn in der Bilanz des Unternehmens schlummert eine Eigenkapitaldecke von 48 Prozent. „In der Krise stehen unsere Kunden unter Rationalisierungsdruck“, sagt Sick-Chef Bauer, „gerade deshalb brauchen sie dann unsere Innovationen.“

Grafik: Kennziffern deutscher Mittelständler

Der Vorsichtige: Für den Mittelständler B. Laufenberg war es der erste Firmenkauf überhaupt. „Dieser Erwerb hat unser Absatzvolumen um 40 Prozent erhöht“, sagt Gernot Becker stolz, einer der drei Geschäftsführer im kollegialen Führungsgremium des Krefelder Herstellers von Spezialpapieren. Das Unternehmen mit rund 180 Beschäftigten und 47,2 Millionen Euro Umsatz erwirbt die Sparte Trennpapier des finnischen Produzenten Huthamaki. Trennpapiere braucht die Industrie bei Klebebändern, Selbstklebeetiketten oder Schutzfolien.

Mit der Übernahme von Huthamaki erreicht der rheinische Mittelständler auf dem Markt für derartige Trennpapiere einen Anteil von rund 25 Prozent in Europa. Erst wenige Monate vor dem Kauf hatte B. Laufenberg eine neue Logistikhalle errichten lassen. Und in diesem Januar kaufte das Familienunternehmen ein Grundstück, das die bis dahin getrennten Werksteile im Krefelder Stadtteil Hüls miteinander verbindet.

Wenn die Papiermacher eine Investition wagen, gehen sie mit Bedacht vor – und halten sich die Möglichkeit offen, abzubrechen. So steckte der Familienbetrieb zwischen Februar 2007 und Februar 2009 vier Millionen Euro in eine Anlage zur Nachbearbeitung von Papier. „Den Neubau der Anlage hätten wir nach jedem Investitionsschritt stoppen können“, sagt Becker.

Neue Geschäftsfelder als Strategie

Der Diversifizierer: Bei Joachim Gunkel drehte sich die Welt bisher fast nur um Bier. Der Chef des Anlagenbauers Ziemann aus Ludwigsburg bei Stuttgart baute bis vor Kurzem mehr oder weniger ausschließlich Brauanlagen. Das soll sich nun ändern. Seit gut einem Jahr stellt das Familienunternehmen mit mehr als 1200 Mitarbeitern vermehrt auch Bioethanolanlagen, Großtanks für Silizium und Gas oder Silos für Granulat her. „Wir wollen uns vom Brauereigeschäft unabhängiger machen“, sagt Gunkel.

Dahinter steckt mehr, als die Ankündigung ausdrückt. Denn um sein Ziel zu erreichen, bereitet der gelernte Kupferschmied, der vor 39 Jahren als Lehrjunge bei Ziemann anheuerte, eine Firmenübernahme in den kommenden Wochen vor. Wen er kaufen will, lässt er zwar offen. „Etwas Größeres“, so viel verrät er jedoch, „um ein neues Geschäftsfeld zu erschließen.“

Der Verfahrensingenieur gibt Gas auf der ganzen Linie: Vor wenigen Monaten hat er im indischen Pune acht Millionen Euro eingesetzt, um eine Produktion aufzubauen. Im Moment ist Ziemann dabei, bei der brasilianischen Tochter Ziemann-Liess die Mehrheit zu übernehmen. In Australien, den USA und in Dubai eröffnete er in diesem Jahr neue Vertriebsbüros.

Für 2009 ist der Schwabe zwar skeptisch: „Wir werden uns wohl mit einer schwarzen Null begnügen müssen.“ Und das nach Wachstumsraten, die seit 2005 eine Verdreifachung des Umsatzes auf rund 350 Millionen Euro brachten. Doch die Erfahrung in der Krise 2001/02 bestärkt Gunkel darin, weiter Neues zu wagen. Denn als damals die zusammenbrechenden Internet-Firmen den Rest der Wirtschaft mitrissen, was tat Gunkel da? Er ließ eine neue große Fertigungshalle errichten.

Die Dauerbrenner: Katharina Geutebrück hat sich auf ein Geschäft konzentriert, das ebenso speziell wie krisenfest ist. Gleich einer der ersten Räume, den sie dem Besucher zeigt, ist vollgepackt mit Messgeräten und Bildschirmen. An der Decke hängen Beobachtungskameras, die den Besucher aufs Korn nehmen. Es geht es um Überwachung.

Die geschäftsführende Gesellschafterin des von ihrem Vater 1970 gegründeten Unternehmens Geutebrück glaubt, dass sie in diesem Jahr den Umsatz halten kann – gegen den allgemeinen Abwärtssog. In den Vorjahren ging es für den Hersteller von Überwachungs- und Sicherheitsanlagen fast immer nach oben. Noch 2008 hat sie zwölf neue Mitarbeiter angeheuert. Auch in diesem Jahr sind Neueinstellungen geplant. Hinzu kommen Vertriebsbüros in Ostfrankreich, den USA, im Inland in Hessen und Bayern. „Wir müssen gerade jetzt den Markt für unsere Produkte interessieren“, sagt Geutebrück. Denn das Thema Überwachungstechnik, das weiß sie, ist für viele Unternehmen eine Art Dauerbrenner.

Vorsprung sichern in der Krise

Die Ökoprofiteurin: Ingrid Brand-Friedberg liebt klare Botschaften: „Wir wollen Marktführer bleiben und können in der Krise am besten unseren Vorsprung sichern.“ Auf dem Firmengelände am Südrand von Gelsenkirchen sind gleich an mehreren Stellen die Monteure zugange. Eine Wärmebehandlungsanlage für große Schrauben und Verbindungsteile soll in Kürze fertig werden. Fast vier Millionen Euro will das Familienunternehmen dafür investieren. Ein paar Schritte weiter werkeln Leute im Blaumann an einer neuen Schmiedepresse. Investitionsvolumen: rund zwei Millionen Euro.

August Friedberg, so der Name der Ruhrpottfirma, stellt Schrauben und Verbindungsteile etwa für Maschinenbauer her und ist Weltmarktführer für Verbindungstechnik bei Windkraftanlagen. Gebraucht werden die Schrauben fast überall auf dem Globus – dem Klimawandel sei Dank.

Auch 10.000 Kilometer südwestlich von Gelsenkirchen, in der Kleinstadt Monte Mor im Bundesstaat São Paulo arbeiten die Monteure und Maurer. Der Schraubenmacher aus dem Ruhrgebiet ist dabei, sein Werk in Brasilien auszubauen. Rund 1,2 Millionen Euro soll die Erweiterung kosten. Und Chefin Brand-Friedberg denkt – Krise hin, Krise her – bereits über eine Vertriebsniederlassung in den USA nach. Die Unternehmerin merkt zwar: „Die Banken zögern, größere Windkraftprojekte zu finanzieren.“ Die Zahl der Arbeitsplätze will sie dennoch halten – vielleicht sogar erhöhen.

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