Mittelstand Die unbekannten Krisengewinner

Expandieren, übernehmen, verdrängen – Deutschlands mittelständische Weltmarktführer drücken die Konkurrenten noch weiter an die Wand. Ein Blick über die Schulter unbekannter Krisengewinner.

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Friedrich Trautwein von der Firma SMT Scharf Quelle: Stefan Kröger für WirtschaftsWoche

Manchmal lässt es sich Hans Fechner, der Chef des Maschinen- und Anlagenbauers Siempelkamp in Krefeld, nicht nehmen, von seinem Büro im elften Stock in die benachbarte Gießereihalle zu gehen, um einem Spektakel beizuwohnen. Langsam neigen sich fünf riesige Pfannen über eine Gussform. Es blitzt und zischt, 270 Tonnen flüssiges, orange-rot glühendes Gusseisen schießen in den gigantischen Hohlraum. Nach zwei Minuten ist das Schauspiel zu Ende. „Das ist nach Gewicht und Größe ein neuer Weltrekord“, sagt Fechner stolz. Vier Wochen lang muss der Eisenklotz abkühlen, dann wird er gefräst und geschliffen, bis daraus ein Teil einer 1300 Tonnen schweren Presse wird.

Siempelkamp geht es wie zurzeit vielen Unternehmen in Deutschland: „Wir werden in diesem Jahr etwas weniger Umsatz machen als 2008“, sagt Fechner, auch 2010 werde „kein Boomjahr“. Doch was macht der bullige Rheinländer in einer solchen Situation? Einstellungsstopp – von wegen! „Wir nutzen die Chance, nach Jahren, in denen die Arbeitsmärkte für Ingenieure leer gefegt waren, Spezialisten zu finden.“ Sparen bei der Ausbildung – kommt nicht infrage. Das Unternehmen wird auch in diesem Jahr 100 Lehrlinge ausbilden.

Weltmeister der Unternehmensnische

Siempelkamp, 681 Millionen Euro Umsatz, 2600 Mitarbeiter, ist der klassische Vertreter jener Spezies hierzulande, die es zum Weltmeister ihres kleinen, aber feinen Fachs gebracht hat – auf Englisch: zum Hidden Champion – und die nun in der Krise Gas gibt, statt alles herunterzufahren. Ihnen reicht es nicht, etwa wie Siempelkamp zwei Drittel aller Großmaschinen zur Herstellung von Pressspanplatten oder 80 Prozent aller Spezialmaschinen für das Öffnen und Schließen von Atomreaktordruckbehältern zu bauen. Während andere wegen finanzieller Schwindsucht insolvent gehen oder sich einer Hungerkur unterziehen, schalten die Meister ihres Metiers um auf Totalangriff, um ihre Position zu sichern oder auszubauen. Für Hidden Champions bedeutet die Krise keine Katastrophe, sondern Kehraus. Kommt der Aufschwung, soll die ausgezehrte Konkurrenz weiter ins Hintertreffen geraten, der Marktführer aber als Krisengewinner dastehen.

Dieses Verhaltensmuster belegt eine Studie, die der Mittelstandsexperte Bernd Venohr von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin zusammen mit dem Münchner Consulter Rothgordt & Cie exklusiv für die WirtschaftsWoche erstellt hat. Danach wiederholen die Könige der Nischen in der jetzigen Krise, was sie schon während der Konjunktureinbrüche 2003 und 1992/93 vorexerzierten. Auch damals setzten die Turbo-Mittelständler darauf, dass Marktanteile nicht in guten Zeiten, sondern in Abschwungphasen neu verteilt werden. Auch damals investierten die heutigen Champions gegen den Trend, erwiesen sie sich als radikale Antizykliker.

So kaufte Weinig im baden-württembergischen Tauberbischofsheim in der Krise 1992/93 zwei Unternehmen, in den mageren Jahren 2001/02 zwei weitere Firmen und sicherte so seine Position als Marktführer bei Holzbearbeitungsmaschinen. Auch Aesculap zeigte Mut in der Malaise. 1992, im Abschwung nach dem Boom durch die deutsche Wiedervereinigung, errichtete der Medizintechniker ein neues Werk am Stammsitz im nordhessischen Melsungen, etwa zehn Jahre später, in der New-Economy-Flaute, ebendort eine Pharmafabrik.

Ähnliches deutet sich in der gegenwärtigen Krise an. Siempelkamp-Chef Fechner etwa kaufte Ende 2007, die Finanzkrise war gerade ein paar Monate alt, den fränkischen Kernkraftspezialisten NIS mit 165 Beschäftigten sowie die Metso Panelboard, einen Servicebetrieb für Holzverarbeitungsanlagen in Hannover mit 65 Mitarbeitern. Dann stürzte die Konjunktur ab – und Fechner kaufte weiter ein: Im Januar 2009 erwarb Siempelkamp den ostfriesischen Spezialkranbauer E&W mit 70 Mitarbeitern, wenig später die US-Firma Mota, die Atomanlagen abreißt. Und soeben verleibten sich die Niederrheiner Hombak ein, einen kleinen Hersteller von Zerspanungsmaschinen für Holz aus dem pfälzischen Bad Kreuznach.

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