100 Prozent Grupp

Kein Recht zu jammern

Es wird schwer für Mittelständler, sich im Kampf mit den Konzernen um den schwindenden Nachwuchs durchzusetzen. Da hilft nur, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, statt in das Wehklagen über Fachkräftemangel und angeblich so gering Qualifizierte einzustimmen.

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Trigema-Chef Wolfgang Grupp am Firmensitz in Burladingen im Zollernalbkreis. Quelle: dpa/dpaweb

Mittelständler wie Trigema  -  erstens auf dem Lande, zweitens mit vielen Produktionsarbeitsplätzen  -  stehen vor folgendem Problem:  Es gibt weniger Nachwuchs und von diesem Nachwuchs studieren immer mehr Leute. Damit geht der Anteil derer zurück, die in der Produktion arbeiten wollen. Einer mit Abitur will keinen Blaumann und keine Gummistiefel anziehen, um in unserer Färberei zu arbeiten. Und ein Mädchen mit Abitur will keine Näherin werden. So jemand strebt ins Büro und meint möglichst viel Geld verdienen zu können. Wir brauchen gestandene junge Leute, die nicht weniger Intelligent sind als die, die nur am Schreibtisch sitzen wollen.

Um vor diesem Hintergrund unsere Zukunft zu sichern, bilden wir schon immer so viel wie möglich aus. Zurzeit sind das knapp 50 Lehrlinge bei 1200 Beschäftigten. Wir wissen, dass wir auf uns selbst und auf die Menschen in unserer Umgebung angewiesen sind. Es kommt doch niemanden aus dem Raum Stuttgart, eine Autostunde entfernt, zu Trigema, nach Burladingen auf die Schwäbischen Alb, um dort die große Zukunft seines Lebens zu suchen! 

Die Aus- und vor allem Weiterbildung unserer Mitarbeiter nimmt einen großen Stellenwert in unserem Unternehmen ein. An unseren Produktionsmaschinen benötigen wir heute hochqualifizierte Kräfte mit einem fundierten Fachwissen.

Gerade bei Arbeitskräften für die Produktion, die man gern als gering qualifiziert bezeichnet, haben wir gar keine andere Wahl, als das benötigte Personal in unserer Region zu suchen. Wir machen es deshalb so, dass wir die Stärksten unter diesen Leuten auswählen, sie ausbilden und fördern. Deshalb ärgert es mich, wenn ich das Gejammere über die sogenannten Geringqualifizierten höre, nur weil diese durch irgendwelche pseudowissenschaftlichen Raster bei Einstellungstests fallen. Wenn man sich um diese Leute richtig bemüht und sie motiviert, dann entwickeln sie auch Stärken und die nutzen wir. Einer, der schlecht in Mathematik ist, kann dafür etwas anderes; dies muss man nur herausfinden.

Unternehmen haben selbst schuld

Im Versand oder im Lager etwa beschäftigen wir durchaus einfacher gestrickte Mitarbeiter, die wir aber so auf ihre Tätigkeit einstimmen, dass sie absolut topp sind. Bei einem Großkonzern würden sie wahrscheinlich nicht einmal angeschaut werden; bei uns aber bringen sie auf ihrer Position, nach einer gewissen Einarbeitungszeit, Spitzenleistung. Wir nehmen immer mehr Lehrlinge auf, als wir für bestimmte Tätigkeiten brauchen. Wer den benötigten Anforderungen nicht gerecht wird, bekommt dann eben eine einfachere Stelle. Auf diese Weisen konnten wir unsere Stellen in der Produktion bisher problemlos besetzen.

In der Verwaltung haben wir kein Problem Mitarbeiter zu finden, obwohl  zum Beispiel Bosch im benachbarten Reutlingen wahrscheinlich besser bezahlt. Wer partout dort hin will, der bewirbt sich erst gar nicht bei uns. Die Kinder unserer Mitarbeiter aus der Region dagegen freuen sich, wenn sie zu Trigema kommen dürfen. Die Unternehmen, die jetzt über Nachwuchsmangel klagen, haben kein Recht zu jammern. Sie haben das alles selbst verursacht. Vor gut zehn Jahren haben viele Konzerne Ingenieure Anfang fünfzig in den Vorruhestand geschickt. Wenn die Kinder anschließend selbstverständlich Ingenieure werden wollten, dann hat sicher der Papa ihnen gesagt: Du siehst doch, dass ich im Vorruhestand sitze, also wirst Du kein Ingenieur, sondern Lehrer!

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