Als die Mauer fiel, fiel der damals 48-jährige Lebensmittelingenieur Quendt in Dresden erst einmal ins Nichts. Das Ende der DDR machte ihn plötzlich zum Arbeitslosen, ein Schicksal, das er sich bis dahin nicht vorstellen konnte. Bei seinem bisherigen Brötchengeber, dem VEB Dauerbackwaren, wie der Betrieb in sozialistischer Nomenklatur hieß, waren die Öfen ausgegangen.
Für Quendt war der Mauerfall „ein Signal, das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen“, erinnert er sich. Geistesgegenwärtig rettete er eine von ihm entwickelte Spezialmaschine zur Herstellung von Russisch Brot vor der Verschrottung. Gesandte des hannoverschen Keksgiganten Bahlsen waren in Dresden angerückt, um zu inspizieren, welche Produktionsanlagen des VEB sich weiterhin nutzen ließen. Für Quendts Unikat hatten die „Wessis“ keine Verwendung.
Der „Ossi“ aber reagiert schnell, packt die sperrige Maschine kurzerhand auf einen Lkw und bunkert sie in einer Garage. Das gerettete Relikt, das er mit viel Herzblut entwickelt hatte, wird zum Grundstein eines privaten Backunternehmens, dem er seinen Namen verleiht. Dafür nimmt er 1991 einen Bankkredit von umgerechnet gut 750.000 Euro auf.
Zum zweiten Mal vor dem Nichts fühlte sich Quendt, als seine Maschine zwar gewohnt zuverlässig lief, er seine Backwaren jedoch ohne Kenntnisse in Marketing und Vertrieb plötzlich auf dem Markt losschlagen musste. Da ihm wie fast allen frischgebackenen Ostunternehmern Kontakte zu den Einkäufern großer Supermarktketten fehlen, setzt er sich persönlich hinter das Steuer eines Transporters und beliefert nach Gutdünken Bäcker, Metzger und kleine Lebensmittelläden der Umgebung mit Russisch Brot in verkaufsfertigen Tüten. Guerillamarketing würde man heute dazu sagen.
Harte Wende
Es war eine harte Zeit für den gelernten DDR-Bürger. Erst Mitte der Neunzigerjahre kam für das Unternehmen der Durchbruch, als Einzelhändler und Verbraucher gezielt nach Traditionswaren made in Ostdeutschland fragten. Quendts Sohn Matthias erkannte das Marketingpotenzial von Dresdener Christstollen, deren Produktion 1994 aufgenommen wurde. Bei der Errichtung der neuen Produktlinie und der Herstellung des Weihnachtsgebäcks halfen neue Mitarbeiter von einem weiteren Dresdner Backkombinat, das schließen musste. Heute ist der Dresdener Christstollen Paradeprodukt des Unternehmens.