Wenn die Nähe zum Staat bereits ausreicht, um zu verhindern, dass ein deutsches Unternehmen von einem chinesischen übernommen wird, müsste sich Gabriel auch andere Investitionen noch einmal genauer ansehen: etwa die geplante Übernahme des Augsburger Roboterherstellers Kuka durch den chinesischen Hausgerätehersteller Midea.
Midea wurde 1968 gegründet und 1981 „privatisiert“. Einen Großteil der Anteile kaufte der damalige Chef He Xiangjian, der Rest verblieb bis 2001 bei der Lokalregierung im südchinesischen Shunde, einem Stadtteil von Foshan, wo Midea auch ihren Hauptsitz hat. Im Jahr 2001 stockte He seine Anteile auf 56,63 Prozent auf. Zwischen 2011 und 2012 stiegen allerdings zwei Beteiligungsgesellschaften bei Midea ein. „Beide gehören oder sind ein Teil der Zentralregierung“, stellt Liu Jiajia von der Universität Manchester in einer aktuellen Untersuchung fest.
Wie eng Mideas Verbindungen zur chinesischen Regierung sind, zeigt sich auch an Yuan Liqun. Sie arbeitete seit 1992 für Midea und war bis vor Kurzem Finanzvorstand des Konzerns. In den chinesischen Medien wird die 47-Jährige meist jedoch nicht zuerst als Vorstandsmitglied des Unternehmens bezeichnet, sondern als Mitglied des Nationalen Volkskongresses, Chinas Scheinparlament. Seit 2013 gehört Yuan dem Gremium an. Anfang Juli dann räumte sie völlig überraschend ihren Vorstandssessel bei Midea.
Grund für den überstürzten Rückzug, heißt es in Pekinger Finanzkreisen, sei Yuans starke Präsenz bei den letzten Volkskongress-Sitzungen gewesen. Dies, so könnte die Pekinger Führung geglaubt haben, hätte die Kuka-Übernahme gefährden können. Noch während des letzten Plenums des Volkskongresses im März in Peking, wo sich die chinesische Politelite einmal im Jahr trifft und über strategische Neuausrichtungen diskutiert, fiel sie durch mehrere Vorträge über Robotertechnologie auf. Drei Monate später machte das Unternehmen das Angebot für den Augsburger Roboterhersteller.
Ob Gabriel nun tatsächlich auch den Kuka-Deal neu prüfen will, ist unklar. Dementieren wollte dies ein Ministeriumssprecher auch auf mehrfaches Nachfragen nicht.
Bei Kuka heißt es, die Frist für eine solche Prüfung sei bereits im August abgelaufen. Darüber hinaus könnten sich auch Staatsfonds an börsennotierten Unternehmen beteiligen. Der größte davon sei der China Security Finance. Er hält 2,95 Prozent der Anteile. Etwa 20 Prozent der Anteile halten ausländische institutionelle Investoren.
Übereifrige Politiker
Die plötzliche Kehrtwende bei Aixtron – und möglicherweise bei anderen chinesischen Übernahmeversuchen hierzulande – symbolisiert eine generelle Umkehr in der deutschen Chinapolitik. Vorbei sind die Zeiten der Nachsicht für das fernöstliche Schwellenland. Der Bundeswirtschaftsminister fordert von den Chinesen unmissverständlich den gleichen Marktzugang für deutsche Unternehmen wie umgekehrt: keine Beschränkungen, kein Zwang zu Joint Ventures, kein erzwungener Technologietransfer mehr. Wenn diese Forderungen der Deutschen nicht erfüllt sind, ist der Minister offenbar gewillt, chinesische Investoren vor den Kopf zu stoßen. Ein Grund für die neue Härte Gabriels ist auch der Frust, dass sich China zwar beim WTO-Beitritt im Jahr 2001 verpflichtete, marktwirtschaftliche Regeln zu befolgen, dies aber 15 Jahre später noch immer nicht tut. Dennoch bekommt China ab Anfang 2017 bei der WTO den offiziellen Status einer Marktwirtschaft. Die Folge: Europa kann die heimische Stahlindustrie nicht mehr mit Antidumpingzöllen vor dem Billigstahl aus China schützen.
Gabriel will nationale Sicherheitsinteressen schützen, ob er deutschen Unternehmen damit hilft, ist allerdings zweifelhaft – wie auch wieder der Fall Aixtron zeigt. Dort könnte er mit seinem Vorstoß einen folgenschweren Schaden anrichten. Obgleich Aixtron über reichlich Eigenkapital verfügt, reicht es nicht, um aus eigener Kraft zu wachsen. Es mangelt an Kapital für dringend benötigte Investitionen.
Der Vorstand hatte händeringend einen Großaktionär gesucht. So erschien Aixtron-Chef Martin Goetzeler im vergangenen Mai der chinesische Investor als Retter in der Not, als der sein Übernahmeangebot zu je sechs Euro pro Aktie, gut einen Euro über dem aktuellen Kurs, vorlegte. Schon damals erklärte Goetzeler: Komme die Übernahme nicht zustande, müsse Aixtron schrumpfen und Mitarbeiter abbauen.
Die Aktionäre klagen
Das sahen nicht nur die institutionellen Investoren, sondern auch so mancher Kleinanleger ein. Marc Tüngler, Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Wertpapierbesitz, ist deshalb aufgebracht über die Initiative des Wirtschaftsministers: „Für Aktionäre ist Gabriels Entscheidung eine Katastrophe, sie hängen nun mit am Fliegenfänger, während sowohl der Investor als auch das Unternehmen erst mal handlungsunfähig sind.“ Aus Sicht der Aktionäre sei es für die Zukunftsperspektive von Aixtron zudem nicht entscheidend, ob nun ein echter privater Investor oder doch der chinesische Staat hinter der Offerte stecke. Tüngler sagt: „Wir prüfen bereits eine Klage gegen das Wirtschaftsministerium.“
Auch Aixtron-Käufer Liu Zhendong und sein FGC wollen sich mit der neuerlichen Prüfung ihres Vorhabens durch die deutschen Behörden nicht abfinden. Derzeit untersuchen die Chinesen, ob Gabriels Entscheidung rechtens ist. Falls nicht, heißt es im Umfeld des FGC, werde man Rechtsmittel einlegen.