Aufsichtsräte in Familienunternehmen Vom Kontrolleur zum Berater

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"Ein Aufsichtsrat muss den Finger in die Wunde legen können"

Welche Berufsgruppen und welche Fähigkeiten müssen in einem Aufsichtsgremium vertreten sein?

Koeberle-Schmid: Die Mitglieder brauchen ein Branchen- und ein grundsätzliches Geschäftsverständnis. Es braucht außerdem ein bilanzielles und ein juristisches Verständnis sowie ein Gespür für eine Diskussionskultur. Es ist auch okay, wenn eine Person mehrere Funktionen erfüllt und zum Beispiel ein juristisches und ein bilanzielles Verständnis mitbringt.

Suchan: Juristisches Verständnis heißt nicht zwingend, dass ein Anwalt im Gremium sitzt. Ich kenne viele Menschen, die sind keine Anwälte, haben aber eine juristische Sichtweise und auf die kommt es an.

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Und dann sucht man sich die sympathischsten Nasen aus?

Koeberle-Schmid: Ganz wichtig ist, dass der Suchprozess professionell aufgesetzt ist und man nicht die Freunde oder den eignen Banker oder Steuerberater auswählt. Zuerst braucht es Profile der gewünschten Aufsichtsratsmitglieder, dann kann man in Gespräche mit möglichen Kandidaten gehen.

Welche Soft Skills braucht ein perfekter Aufsichtsrat Ihrer Meinung nach?

Suchan: Ein Aufsichtsrat muss einen wachen Geist und ein brennendes Interesse am Unternehmen haben und sich nicht in die Schranken weisen lassen.

Koeberle-Schmid: Und er muss den Finger in die Wunde legen können.

Also auch nicht allzu harmoniesüchtig sein…

Koeberle-Schmid: Eine Aufsichtsratssitzung ist dann gut, wenn kontrovers, aber über die Sache diskutiert wird. Warum geht denn ein Familienunternehmer in den Aufsichtsrat eines anderen Unternehmens, anstatt die Zeit für das eigene Unternehmen aufzuwenden? Das macht man, um etwas zu lernen. Und das tut man nicht bei einem Kaffeekränzchen.

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Gibt es etwas, das der Vorsitzende speziell können muss?

Koeberle-Schmid: Der Vorsitzende bestimmt die Diskussionskultur und braucht eine entsprechende Moderations- und Mediationskompetenz.

Wann muss ein freiwillig einberufener Rat ausgewechselt werden?

Koeberle-Schmid: Wenn ein Unternehmen in eine Krise gerät und im Aufsichtsrat sitzen fünf Marketing-Experten, werden die das Unternehmen vermutlich nicht aus der Krise führen können.

Suchan: Ein Unternehmen in der Krise braucht eine andere Begleitung. Das gilt auch, wenn sich Märkte ändern.

Koeberle-Schmid: Man sollte die Besetzung des Aufsichtsrats immer wieder anpassen. Spätestens alle drei bis vier Jahre muss durch eine kritische Evaluation überprüft werden, ob die Zusammensetzung noch passt.

Und was, wenn man in der Arbeit merkt, dass sich Aufsichtsrat und Geschäftsführung nicht grün sind?

Suchan: Bei einem Pflichtaufsichtsrat ist der Umgang miteinander gesetzlich geregelt. Für freiwillig eingerichtete Aufsichtsräte gilt: Idealerweise regelt man die wichtigen Punkte in guten Zeiten, also bei Einrichtung des Rates und nicht erst, wenn der Streitfall eingetreten ist.

Was sollte in dieser Regelung stehen?

Suchan: Es muss ein selbstgesetztes Regelwerk geben, das die Informationsordnung klärt. Ein regelmäßiges Reporting sollte darin festgehalten werden, aber auch, wie man miteinander umgeht. Der Aufsichtsrat muss jederzeit Nachfragen stellen können und auch Antworten bekommen.

Gibt es tatsächlich Umgangsregeln, die man schriftlich festhalten kann?

Koeberle-Schmid: Zum Beispiel, dass man die Mitglieder ausreichend früh informiert und ihnen die Zahlen mindestens eine Woche vor der Sitzung zur Verfügung stellt. Wenn es dann Verständnisfragen gibt, kann man den CEO oder den CFO anrufen und die Frage vorab klären. Nichts ist schlimmer, als Zahlen in einer Sitzung erklären zu müssen. In den Sitzungen muss man vor dem Hintergrund der Zahlen zum Beispiel bei gestiegenen Kosten über Maßnahmen diskutieren, wie diese wieder reduziert werden können.

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