Aufsichtsräte in Familienunternehmen Vom Kontrolleur zum Berater

Aktiengesellschaften müssen einen Aufsichtsrat haben, Familienunternehmen nicht. Doch gerade bei der Nachfolgeregelung kann ein solches Gremium Gold wert sein. Wie man an die Experten kommt und was sie können müssen. Ein Interview.

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Alexander Koeberle-Schmid (li) und Stefan Wilhelm Suchan Quelle: KPMG

Unterscheiden sich die Aufgaben eines Aufsichtsrates in einem Familienunternehmen von dem einer Publikumsgesellschaft?

Alexander Koeberle-Schmid: Die Hauptaufgaben eines Aufsichtsrates sind zunächst Kontrolle, also die Zustimmung zu wichtigen Entscheidungen wie dem Gang ins Ausland oder Investitionen. Dann die Beratung: Zum Beispiel kann ein Marketingexperte im Aufsichtsrat den Launch eines neuen Produktsortiments kritisch begleiten. Aufsichtsgremien sollten neben den Kontroll- und Beratungsaufgaben auch Personalentscheidungen treffen.
Bei Familienunternehmen kümmert sich das Gremium um den Zusammenhalt und den Informationsfluss in Richtung Familie. Dann befassen sich manche Beiräte noch mit Weiterbildungsmaßnahmen und häufig kommt die Nachfolgeregelung hinzu, um keine Interessenkonflikte zwischen Vater und Sohn entstehen zu lassen.

Zu den Personen

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Koeberle-Schmid: Es geht dabei aber nicht nur um die Einstellungs-, sondern auch um die Entlassungsfrage. Also: Was passiert, wenn der Sohn als Geschäftsführer nicht liefert? Für einen solchen Fall müssen mit dem Aufsichtsrat vor Einstieg des Juniors Regeln erarbeitet werden: Wenn die Zahlen zwei oder drei Jahre lang nicht stimmen, muss die Frage gestellt werden können, ob der Junior gehen muss.

Haben Aufsichtsräte die gleichen Nachfolgeprobleme wie die Unternehmen, die sie beaufsichtigen?

Koeberle-Schmid: Aufsichtsräte sind immer noch mit dem Image behaftet, dass man erst viele Jahre Berufserfahrung braucht, um eine solche Position einnehmen zu können. Ich bevorzuge einen vernünftigen Mix aus Jung und Alt. Junge Leute haben oft einen anderen Blick. Das ist gut für ein Unternehmen.

Ist der Job denn, von der Vergütung einmal abgesehen, attraktiv für jüngere Generationen?

Stefan Wilhelm Suchan: Die Tätigkeit wandelt sich. Heute hat der Aufsichtsrat viel stärker beratende Aufgaben als noch vor 10, 15 Jahren. Da stand eher die Kontrolle des Unternehmens im Fokus. Die Tätigkeit ist deutlich spannender geworden. Und mit beratenden Tätigkeiten kann man auch junge Leute für Aufsichtsratsposten gewinnen.

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Henkel oder die Bauer Mediengruppe sind genauso Familienunternehmen wie der Optiker an der Ecke. Die einen haben einen Aufsichtsrat, die anderen nicht. Ab welcher Größe sollten Familienunternehmen über ein solches Gremium nachdenken?

Koeberle-Schmid: Es gibt zwei Kriterien: Ab einem Umsatz von 20 Millionen Euro sollten Unternehmen zumindest darüber nachdenken, einen freiwilligen Aufsichtsrat einzurichten, wenn sie es von Gesetzeswegen  nicht müssen. Das ist das eine. Zum anderen kommt es auf die Gesellschafter-Struktur an. Wenn man einen Alleingesellschafter hat, braucht man meiner Meinung nach nicht unbedingt einen Aufsichtsrat.

Suchan: Man sollte sich überlegen, was ein Aufsichtsgremium bewirken soll: Ob man sich zusätzliches Knowhow ins Unternehmen holen oder ob man mehr Objektivität in Entscheidungsprozesse bringen will und den Aufsichtsrat als korrigierendes Element einrichtet.

Wenn sich ein Unternehmen nun entscheidet, einen Aufsichtsrat einzurichten, wie kommt man an die ideale Besetzung für das Gremium?

Koeberle-Schmid: Am besten schaut man sich im eigenen Netzwerk um. Die meisten Unternehmer sind in Branchen- oder Berufsverbänden organisiert. Das wäre die erste Anlaufstelle. Dann gibt es Berater, die bei der professionellen Suche nach geeigneten Kandidaten helfen und es gibt online oder in Fachzeitschriften die Möglichkeit, die Profile potentieller Aufsichtsratsmitglieder einzusehen.

"Ein Aufsichtsrat muss den Finger in die Wunde legen können"

Welche Berufsgruppen und welche Fähigkeiten müssen in einem Aufsichtsgremium vertreten sein?

Koeberle-Schmid: Die Mitglieder brauchen ein Branchen- und ein grundsätzliches Geschäftsverständnis. Es braucht außerdem ein bilanzielles und ein juristisches Verständnis sowie ein Gespür für eine Diskussionskultur. Es ist auch okay, wenn eine Person mehrere Funktionen erfüllt und zum Beispiel ein juristisches und ein bilanzielles Verständnis mitbringt.

Suchan: Juristisches Verständnis heißt nicht zwingend, dass ein Anwalt im Gremium sitzt. Ich kenne viele Menschen, die sind keine Anwälte, haben aber eine juristische Sichtweise und auf die kommt es an.

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Und dann sucht man sich die sympathischsten Nasen aus?

Koeberle-Schmid: Ganz wichtig ist, dass der Suchprozess professionell aufgesetzt ist und man nicht die Freunde oder den eignen Banker oder Steuerberater auswählt. Zuerst braucht es Profile der gewünschten Aufsichtsratsmitglieder, dann kann man in Gespräche mit möglichen Kandidaten gehen.

Welche Soft Skills braucht ein perfekter Aufsichtsrat Ihrer Meinung nach?

Suchan: Ein Aufsichtsrat muss einen wachen Geist und ein brennendes Interesse am Unternehmen haben und sich nicht in die Schranken weisen lassen.

Koeberle-Schmid: Und er muss den Finger in die Wunde legen können.

Also auch nicht allzu harmoniesüchtig sein…

Koeberle-Schmid: Eine Aufsichtsratssitzung ist dann gut, wenn kontrovers, aber über die Sache diskutiert wird. Warum geht denn ein Familienunternehmer in den Aufsichtsrat eines anderen Unternehmens, anstatt die Zeit für das eigene Unternehmen aufzuwenden? Das macht man, um etwas zu lernen. Und das tut man nicht bei einem Kaffeekränzchen.

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Gibt es etwas, das der Vorsitzende speziell können muss?

Koeberle-Schmid: Der Vorsitzende bestimmt die Diskussionskultur und braucht eine entsprechende Moderations- und Mediationskompetenz.

Wann muss ein freiwillig einberufener Rat ausgewechselt werden?

Koeberle-Schmid: Wenn ein Unternehmen in eine Krise gerät und im Aufsichtsrat sitzen fünf Marketing-Experten, werden die das Unternehmen vermutlich nicht aus der Krise führen können.

Suchan: Ein Unternehmen in der Krise braucht eine andere Begleitung. Das gilt auch, wenn sich Märkte ändern.

Koeberle-Schmid: Man sollte die Besetzung des Aufsichtsrats immer wieder anpassen. Spätestens alle drei bis vier Jahre muss durch eine kritische Evaluation überprüft werden, ob die Zusammensetzung noch passt.

Und was, wenn man in der Arbeit merkt, dass sich Aufsichtsrat und Geschäftsführung nicht grün sind?

Suchan: Bei einem Pflichtaufsichtsrat ist der Umgang miteinander gesetzlich geregelt. Für freiwillig eingerichtete Aufsichtsräte gilt: Idealerweise regelt man die wichtigen Punkte in guten Zeiten, also bei Einrichtung des Rates und nicht erst, wenn der Streitfall eingetreten ist.

Was sollte in dieser Regelung stehen?

Suchan: Es muss ein selbstgesetztes Regelwerk geben, das die Informationsordnung klärt. Ein regelmäßiges Reporting sollte darin festgehalten werden, aber auch, wie man miteinander umgeht. Der Aufsichtsrat muss jederzeit Nachfragen stellen können und auch Antworten bekommen.

Gibt es tatsächlich Umgangsregeln, die man schriftlich festhalten kann?

Koeberle-Schmid: Zum Beispiel, dass man die Mitglieder ausreichend früh informiert und ihnen die Zahlen mindestens eine Woche vor der Sitzung zur Verfügung stellt. Wenn es dann Verständnisfragen gibt, kann man den CEO oder den CFO anrufen und die Frage vorab klären. Nichts ist schlimmer, als Zahlen in einer Sitzung erklären zu müssen. In den Sitzungen muss man vor dem Hintergrund der Zahlen zum Beispiel bei gestiegenen Kosten über Maßnahmen diskutieren, wie diese wieder reduziert werden können.

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