Betriebliche Altersvorsorge Mittelständlern fehlen 100 Milliarden Euro

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Lukratives Geschäft für Finanzdienstleister

Die Probleme der Unternehmen und ihrer Beschäftigten werden zum lukrativen Geschäft für Finanzdienstleister. Annette Beller, Finanzvorstand des Medizintechnikherstellers B.Braun aus dem hessischen Melsungen, erlebt es regelmäßig: „Immer wieder versuchen Banken und Versicherungen uns davon zu überzeugen, unsere Pensionszusagen auszulagern.“ Das Familienunternehmen hortet für die Pensionsverpflichtungen von mehr als 49.000 Mitarbeitern weltweit fast 828 Millionen Euro.

Das will Beller auch weiterhin so handhaben: „Die Pensionsrückstellungen in unserer Konzernbilanz sind Teil unserer Innenfinanzierung, und unsere intern erwirtschaftete Rendite liegt eindeutig über der, die heute am Kapitalmarkt für risikoadäquate Anlagen erzielt werden kann.“

Bei Fuchs Petrolub in Mannheim dagegen, einem der weltgrößten Hersteller von Schmierstoffen, war die Vertriebstruppe der Allianz erfolgreich. Künftige Pensionsverpflichtungen über 50 Millionen Euro für insgesamt 430 Mitarbeiter hat Fuchs an eine Unterstützungskasse und einen Pensionsfonds des Münchner Versicherers übertragen. Die zugesagten Leistungen an jetzige Ruheständler sichert das Unternehmen durch eine Rückdeckungsversicherung der Allianz. Für das Unternehmen mit einem Umsatz von zuletzt 1,8 Milliarden Euro und 3800 Mitarbeitern ist dies keine billige Lösung. Doch Fuchs wird dadurch finanziell flexibler und bekommt mehr Planungssicherheit.

„Das Geschäft mit solchen Auslagerungen in Treuhandkonstruktionen oder Fonds hat in letzter Zeit kräftig Fahrt aufgenommen“, sagt Armin Schmiedeberg, Leiter der europäischen Praxisgruppe Industrie bei der Beratung Bain & Company in Düsseldorf.

So entwickelte sich der Zins, auf dem die Pensionsrücklagen basieren

Für Banken und Versicherer ist das Geschäft mit den Pensionslasten lukrativ. Je nach Umfang der übertragenen Rückstellungen fallen für das Unternehmen hohe Abschlussgebühren an. Dazu kommen noch einmal jährliche Gebühren im Promillebereich der versicherten Zusagen für die Verwaltung. Zudem wittern die Anbieter die Chance, den Unternehmen weitere Produkte zu verkaufen.

Allein 700 Millionen Euro ausgelagerter Pensionszusagen von Unternehmen verwaltet zum Beispiel die Commerz Trust, eine Treuhandkonstruktion der Commerzbank. Dort geht es um sogenannte Contractual Trust Arrangement (CTA), ein Treuhandmodell, bei dem der Kunde seine Pensionsrückstellungen an den Trust überträgt. Der Trust wiederum eröffnet in eigenem Namen – aber auf Rechnung des Kunden – für das Unternehmen ein Depot und legt das Geld an, etwa in Renten- und Geldmarktfonds.

Für den Abschluss eines solchen Vertrags zahlt das auslagernde Unternehmen einmalige Gebühren im vierstelligen Euro-Bereich. Die jährlichen Verwaltungsgebühren liegen im Promillebereich der im CTA angelegten Gelder.

Die Commerz Trust verpflichtet sich im Leistungsfall, etwa bei der Insolvenz eines Unternehmens, die fälligen Betriebsrenten an dessen Mitarbeiter auszuzahlen. Für das Unternehmen hat das Konstrukt noch zwei weitere Vorteile: Erwirtschaftet der Trust aus dem Unternehmenskapital durch geschickte Geldanlage mehr Geld, als für dessen Renten nötig ist, gehört es dem Unternehmen. Zudem sind die Pensionszusagen von Geschäftsführern in unbegrenzter Höhe abgesichert, für Modelle mit dem Pensionssicherungsverein im Rücken gilt das nicht.

Das deutsche System der betrieblichen Altersvorsorge ist ein Leckerbissen für Juristen und ein Überraschungsei für die Versicherten. CDU und SPD halten sie trotzdem für ein Erfolgsmodell: Sie hegen Pläne, den Prozentsatz, den Arbeitnehmer von ihrem Gehalt steuerfrei in die BAV einzahlen können, von derzeit vier Prozent auf bis zu acht Prozent zu erhöhen.

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