Big Dutchman zum Beispiel, der Weltmarktführer für Schweine- und Geflügelstalleinrichtungen aus Vechta, freute sich bis Ende 2012 über die Sonderkonjunktur, die die Verordnungen für besseren Tierschutz dem Unternehmen brachte. Doch dann kam die Russland-Krise, die den Niedersachsen einen Einbruch weit über Russland hinaus brachte. „Die Importbeschränkungen Russlands für Agrargüter aus der EU betreffen Landwirte in ganz Westeuropa“, sagt der Vorstandsvorsitzende Bernd Meerpohl. „Ihre Einkommen sinken, also sparen sie sich Investitionen in neue Haltungssysteme.“ Allein der direkte Absatz in Russland brach bei Big Dutchman um 30 Prozent ein.
„Wir werden ab jetzt ein deutlich geringeres Wachstum haben“, prognostiziert der Mittelständler und kündet einen Strategiewechsel an. „Weil die europäischen Märkte gesättigt und die sehr hohen russischen Umsätze Geschichte sind, gehen wir verstärkt nach Malaysia und China, investieren auch kräftig in Amerika.“
Wo der Mittelstand sein Geld anlegt
Immerhin 86 Prozent aller Mittelständler lassen ihr Geld auf dem eigenen Konto liegen. Allerdings ihr Anteil deutlich gesunken. Im Vorjahr waren es noch 97 Prozent.
Quelle: Studie zum Finanzanlageverhalten und Finanzanlagebedürfnis mittelständischer Unternehmen von der Fachhochschule des Mittelstands
Auch beim Festgeld sind heutzutage keine hohen Zinsen mehr zu erwarten. Entsprechend sinkt die Nachfrage. Nur noch 82 Prozent legen ihr Geld mit Festgeldkonten oder Termineinlagen an, im Vorjahr waren es 87 Prozent.
Diese Anlageform hat im vergangenen Jahr rasant an Beliebtheit gewonnen. Mit 42 Prozent investierte fast jeder Zweite Mittelständler in Rentenfonds, im Vorjahr waren es gerade einmal 17 Prozent.
Wenn das Risiko steigt, hilft oft nur eine Differenzierung des Portfolios. Gemischte Fonds sind für 31 Prozent eine geeignete Anlageform (Vorjahr: 10 Prozent).
Während die Zinsen stagnieren, erreichen einige Aktienindizes neue Rekordhöhen. Darum wagen sich nun auch die Mittelständler an die Beteiligungen - 23 Prozent investieren in derartige Anlagen.
Auch die Geldmarktfonds sind wieder etwas stärker gefragt als im Vorjahr. Hier investieren 18 Prozent aller befragten Mittelständler.
Die stagnierenden Wechselkurse sorgen für Verunsicherung. Keine Anlageform hat darum beim Mittelstand mehr Vertrauen eingebüßt. Nur noch 10 Prozent legen hier ihr Geld an, im Vorjahr waren es noch 31 Prozent.
Die Immobilienkrise hat ihre Spuren hinterlassen. Nicht umsonst fragte kein einziger Mittelständler im Vorjahr nach Immobilienfonds. Dieses Jahr sind es immerhin rund zehn Prozent. Beruhigt sich die Lage?
Die Nachhaltigkeit bleibt auch bei der Geldanlage ein Trend - und wird damit auch interessant für den Mittelstand. Nach 5 Prozent im Vorjahr investiert mittlerweile jeder Zehnte Mittelständler in nachhaltige Geldanlageformen.
Gleiches gilt für die alternativen Anlagen, die vor allem in Niedrigzinsphasen an Attraktivität gewinnen. Sieben Prozent legen hier ihr Geld an, im Vorjahr waren es vier Prozent.
Auch die Garantiefonds sind zurück. Noch im Vorjahr hatte kein befragter Mittelständler in derartige Produkte investiert. Dieses Jahr sind es immerhin 7 Prozent.
Nur 16 Prozent der Unternehmen wollen mehr investieren als 2014
Der Gegenwind trifft viele Mittelständler trotz der Globalisierungsgewinne der vergangenen Jahre nicht unbedingt in gestärkter Verfassung. Die Finanzkrise von 2008/09 wirkt noch immer nach, das Investitionsniveau von 2008 wurde gerade erst wieder erreicht. Und ein Zuwachs ist nicht in Sicht, sagt die soeben veröffentlichte „Diagnose Mittelstand 2015“ der Sparkassengruppe. Ihr zufolge wollen nur 16 Prozent der befragten Unternehmen mehr investieren als 2014. Bei erwarteten sinkenden Umsatzrenditen würden sie vor allem das Eigenkapital stärken.
Mancher Vorjahres-Champion aus dem Wachstums-Ranking gilt deshalb wie Big Dutchman nicht nur der eigenen Branche als Warnung.
Der Druck, außerhalb Deutschlands zu investieren, wird in den nächsten Jahren steigen. Das gilt auch für den Autozulieferer Hirschvogel im bayrischen Denklingen, dem Sieger des WirtschaftsWoche-Rankings. Dessen Finanzchef Alfons Häscher sieht neben Deutschland in erster Linie in „Polen, China, Indien und den USA für Hirschvogel auch in den nächsten Jahren ein attraktives Wachstum“. Hirschvogel produziere seine Fahrwerksteile und Getriebe „local-for-local“, das heißt dort, wo die Abnehmer sitzen, also die Autokonzerne und deren Kunden. Deren Ansprüche an Präsenz wachsen. „Deshalb konzentrieren wir uns auf den Ausbau unserer vorhandenen Auslandswerke.“
Worauf kleine Mittelständler beim Gang ins Ausland achten sollten
Jeder träumt von China - aber nicht für jedes Produkt passt der Massenmarkt, den die Deutschen gern bedienen. Oft reicht es, Nischenprodukte weiter zu exportieren. Konzerne müssen Trends mitgehen, die Kleinen nicht zwingend.
Gewerbeparks aus der zweiten Reihe kämpfen oft um Investoren, indem sie beim Papierkram helfen und Steuern senken. Wer vergleicht, spart Geld.
Auf Konferenzen treffen Unternehmer auf Praktiker mit Erfahrung in fremden Märkten. Ihr Wissen hilft, die Chancen und Risiken des Markteintritts richtig einzuschätzen.
Selbst wenn die Marktaussichten noch so rosig sind: Unvorhersehbare Kosten sind bei der Expansion ins Ausland ganz normal und sollten eingeplant werden.
Jeder Gang ins Ausland braucht Planung. Man muss Leute finden, Informationen sammeln, Papierkram bewältigen - und sollte sich Zeit nehmen, auch wenn die Konkurrenz schon da ist.
"Deutsche Mittelständler müssen ihre Organisationsstrukturen ändern"
Für viele Unternehmen geht damit ein Umbau im Innern einher. „Die deutschen Mittelständler müssen ihre Organisationsstrukturen ändern“, sagt Unternehmensberater Venohr. „Sie agieren noch zu oft mit einem alles beherrschenden starken Stammhaus.“ Den Grund für die schädliche Machtkonzentration in der Zentrale sei ein „Mentalitätsproblem“, meint Venohr, „nämlich Kontrolle abzugeben“. In zehn Jahren jedoch würden die Regionen immer stärker und die Märkte immer dezentraler. Dann ist das Modell der alles beherrschenden Konzernzentrale rund um den Patriarchen endgültig überholt.
Wohin sich die wachstumsverwöhnten deutschen Mittelstandschampions in den kommenden Jahren entwickeln müssen, machen ihnen die Großunternehmen vor. Im ganzen Land organisieren sich auch erfolgreiche Unternehmen neu, weil sie für einst schöne Töchter unter dem eigenen Dach keine Zukunft mehr sehen. Der Verlag Axel Springer verkaufte jüngst seine Regionalzeitungen, Frauen- und Programmzeitschriften an den Essener Konkurrenten Funke. Der Sportartikelhersteller Adidas will seine Marke Rockport mit ihren Allerweltsschuhen loswerden. Oder Bilfinger verkauft nach und nach das klassische Baugeschäft, um sich auf Dienstleistungen zu konzentrieren.