Christo "Floating Piers" Wenn Kunst auf Mittelstand trifft

Der Künstler Christo verhüllt einen Steg auf dem italienischen Iseosee. Dabei verlässt er sich auf echte deutsche Ingenieurskunst: Die Stoffe kommen vom westfälischen Unternehmen Setex.

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Der Künstler Christo steht auf dem Iseosee in Italien auf zusammengesetzten Schwimmkörpern für seine Installation «The Floating Piers». Quelle: dpa

Bald werden sie übers Wasser laufen. In wenigen Tagen reist eine Delegation des Textilunternehmens Setex aus dem westfälischen 28.000-Einwohner-Städtchen Hamminkeln zum italienischen Iseosee. 25 Mitarbeiter wollen sich dort ansehen, wie aus ihrer soliden Handwerksarbeit fantasievolle Kunst wird. Denn in der lombardischen Provinz zwischen Brescia und Bergamo eröffnet der berühmte Verhüllungskünstler Christo Wladimirow Jawaschew, den die meisten Menschen nur unter seinem Vornamen kennen, sein nächstes Projekt.

Auf einer Strecke von insgesamt drei Kilometern verbindet er die Inseln Monte Isola und Sao Paolo durch einen 16 Meter breiten Steg mit dem Festland. Dieser besteht allerdings nicht aus Holz, sondern aus 200.000 Würfeln, die mit Luft gefüllt werden. Doch weil solche Fässer optisch nicht allzu viel hermachen, umwickelt Christos Team sie mit 70.000 Quadratmeter dahliengelbem Stoff – und der stammt aus einer Weberei des Unternehmens Setex.

Bei Christo steht das Material im Vordergrund

Lieber Kunst statt Rente
The Gates Quelle: AP
The Floating Piers Quelle: dpa
The Floating Piers Quelle: dpa
Christo und Jean-Claude vor der Konzeptzeichnung zu den "Umbrellas" Quelle: dpa Picture-Alliance
Wrapped Trees Quelle: dpa Picture-Alliance
Christo vor dem verhüllten Reichstag. Quelle: dpa Picture-Alliance
Christo und Jean-Claude vor dem Modell der verhüllten Pont Neuf. Quelle: dpa Picture-Alliance

Dementsprechend aufgeregt ist die Belegschaft: „Das wird ein ganz besonderer Betriebsausflug“, sagt Konrad Schröer. Der Chef des Unternehmens lieferte den Stoff für das Kunstwerk, über das vom 18. Juni bis zum 3. Juli pro Tag geschätzte 40.000 Besucher den See überqueren werden. Das Jesus-Feeling ist Teil des Projekts: Die Wellen sollen unter den Fußsohlen zu spüren sein.

Die Bilder faszinierter Menschenmassen werden um die Welt gehen – wie inzwischen bei jeder Aktion des in Bulgarien geborenen Künstlers, der die Verhüllungsaktionen einst mit seiner inzwischen verstorbenen Frau Jeanne-Claude begann.

Bei Christos Werken steht das Material im Vordergrund, es verschmilzt mit dem Ort zu einem Gesamtkunstwerk. 1983 hüllte das Ehepaar die Biscayne Bay in Florida in rosa Stoff, 1985 verpackten sie die älteste Pariser Brücke Pont Neuf in einem champagnerfarbenen Gewand – innerhalb von zwei Wochen kamen etwa drei Millionen Menschen in die französische Hauptstadt. In Erinnerung bleiben vor allem die leuchtenden Farben des Stoffes. Und das ist Teil von Christos Geschäftsmodell.

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Das Projekt kostet den Künstler 15 Millionen Euro

Um unabhängig zu bleiben, verzichtet er auf jegliche Art der Unterstützung. Er finanziert seine Projekte alleine durch den Verkauf von Zeichnungen, auf die er meistens auch ein kleines Stück des verwendeten Originalstoffes klebt. Für sein neues Projekt sollten die Bilder rund 15 Millionen Euro einbringen – so viel kostet es den Künstler, die Menschen über das Wasser laufen zu lassen. Es braucht viele helfende Hände und vor allem Ingenieure, um die Polyäthylen-Würfel mit dem Stoff zu umwickeln und auf dem Wasser zu platzieren. Allein 140 Taucher waren damit beschäftigt, die schweren Anker für die Stege zu befestigen. Dazu kommen Materialkosten und im Vorfeld mehrere Tests auf dem Schwarzen Meer, ob ein solcher Steg überhaupt technisch möglich ist.

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