Digitale Transformation Wie der deutsche Mittelstand zur Elite aufschließen kann

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Roboter drücken die Lohnkosten

Würden die deutschen Mittelständler mutig in die Welt der Bits und Bytes eindringen, könnten sie laut McKinsey-Berechnungen bis 2025 eine zusätzliche Wertschöpfung von 127 Milliarden Euro aktivieren. Das ist immerhin ein gutes Drittel des diesjährigen Bundeshaushalts. Vor allem Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnologie, der Metall- und Elektroindustrie, im Groß- und Außenhandel und die Anbieter wissensintensiver Dienstleistungen könnten ihre Einnahmen um zweistellige Milliardenbeträge steigern.

Der fränkische Vorreiter Mangelberger setzte früh auf Automatisierung, um seine Schaltanlagen trotz der hohen deutschen Lohnkosten zu konkurrenzfähigen Preisen anbieten zu können. Mit dem Sondermaschinenbauer E.Braun aus dem benachbarten Kammerstein konstruierten seine Leute einen Roboter, der die Schränke mit Klemmen, Sicherungen und Befestigungsschienen bestückt. Seither ist jede Anlage nach 6 statt früher 42 Stunden lieferbereit; der Lohnkostenanteil sank von acht auf vier Prozent. Mangelbergers Wettbewerber erledigen das noch in Handarbeit.

Heute sind alle inzwischen 9000 weltweit eingesetzten Schalt- und Lichtanlagen bei Mangelbergers Kunden mit der Rother Zentrale verbunden, zu jedem Kunden existiert ein virtueller Zwilling im Computer. Anhand der Daten können die Franken Störungen rasch beheben und sogar zum Austausch von Teilen raten, bevor diese ausfallen. Und das ist längst nicht alles: Mangelbergers Leute werten zum Beispiel den Energiebedarf jeder einzelnen Aldi-, Netto- oder Vapiano-Filiale aus und decken darüber Einsparpotenziale auf – ein neuer Service, den sich Mangelberger heute gut bezahlen lässt.

Mitarbeiter, die selbst organisiert arbeiten, sind glücklicher, sagen Motivationsforscher. Für Unternehmen haben flache Hierarchien auch einen wirtschaftlichen Nutzen: Sie sparen Personalkosten und werden innovativer.
von Kerstin Dämon

Geld, das viele seiner Mittelstandskollegen mit ihrer digitalen Enthaltsamkeit glatt verschenken. Zwar betonen annähernd zwei Drittel der mittelständischen Unternehmen hierzulande die Relevanz der Digitalisierung für ihren künftigen Geschäftserfolg. Und immerhin jedes zweite gibt an, eine explizite Strategie zu verfolgen und langfristig in digitale Technologien zu investieren. Diese Einschätzung aber, sagt McKinsey-Mann Mohr, beruhe oft auf einem verkürzten Verständnis dessen, was sich auf den Märkten gerade Umstürzlerisches abspiele. Sie sähen ihre Existenz kaum durch neue digitale Wettbewerber gefährdet – ein Irrtum, warnt Mohr. Tatsächlich fege der technologische Umbruch fast alle vertrauten Spielregeln hinweg. „Klassische Geschäftsmodelle ändern sich grundlegend, und ganze Branchen definieren sich neu“, sagt Mohr. Sich darauf einzustellen, sei „überlebensentscheidend“.

Abbau im Industriesektor, Aufbau digital

Den dramatischen Wandel erlebt auch der Familienkonzern Voith. Firmenchef Hubert Lienhard will den Hersteller von Papiermaschinen, Wasserkraftturbinen und Antriebstechnik zu einem Digitalunternehmen im Maschinenbau umkrempeln. Genauer gesagt: Er muss, denn er steht mit dem Rücken zur Wand. So hat sich das Bestellvolumen für neue Papieranlagen von Voith zwischen 2013 und 2014 halbiert. Das Segment leidet, weil Papier immer weniger gefragt ist. Auch das Geschäft mit Antriebstechnik kam in den vergangenen Jahren unter Druck, weil die wichtigen Kunden aus der Rohstoffbranche unter dem Preisverfall auf ihren Märkten leiden.

Das war der Digital Champions Award 2017
Digital Champions Award Roboter Pepper Quelle: Dominik Butzmann für WirtschaftsWoche
Der Telekomgeschäftsführer Businesskunden Hagen Rickmann eröffnet die Preisverleihung. Quelle: Dominik Butzmann für WirtschaftsWoche
Miriam Meckel, Herausgeberin der WirtschaftsWoche und Jurorin beim DCA, lobt noch einmal alle Einreichungen. Quelle: Dominik Butzmann für WirtschaftsWoche
Die Spannung steigt im Atrium der Hauptstadtrepräsentanz der Telekom. Quelle: Dominik Butzmann für WirtschaftsWoche
Laudatorin Eva Jagalla und die Preisträger „Digitales Kundenerlebnis“ von Rödl & Parter Andreas Kienast, Ingo Wolf und Martin Wambach. Quelle: Dominik Butzmann für WirtschaftsWoche
Gerrit Schumann, Chief Digital Officer der Verlagsgruppe Handelsblatt, hält die Laudatio auf TAKKT. Quelle: Dominik Butzmann für WirtschaftsWoche
Gewinner der Kategorie „Digitale Prozesse und Organisation“ ist TAKKT. Franziskus Josten, Dr. Felix Zimmermann, Peter Bruhn, Dr. Christian Warns. Quelle: Dominik Butzmann für WirtschaftsWoche

Abgesehen vom Verkauf des Industriegeschäfts, durch den Voith seine Mitarbeiterzahl auf 19 000 halbierte, hat der Konzern in den vergangenen vier Jahren 2500 Arbeitsplätze abgebaut. Allein in den beiden vergangenen Geschäftsjahren musste Lienhard 200 Millionen Euro für die Restrukturierung ausgeben.

Gleichzeitig baut er digital auf. Lienhard hat dazu eine neue Einheit namens Digital Solutions im Konzern gegründet – mit inzwischen 1500 Mitarbeitern. Voith will die Daten, die rund um die vom Unternehmen gefertigten Maschinen entstehen, nicht Google und anderen US-Konzernen überlassen. Deshalb hat er vor vier Monaten in den USA das Internetportal merQbiz gestartet. Das soll Papierfabriken und Altpapierbesitzer in ähnlicher Weise zusammenbringen, wie Uber Autofahrer und Fahrgäste oder HRS Hotels und Reisende verbinden.

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