Edel-Porzellan Meissen setzt jetzt auf Klamotten

Seite 2/4

Feminin, blumig und opulent

Meissen, das sächsische Hermès: Auf Sauciere und Schmuck folgen Seidenkissen. Quelle: Presse

Kurtzke steht bei Meissen für den Kulturbruch total. Der 44-Jährige hat Elektrotechnik und Betriebswirtschaftslehre studiert und danach im Management unterschiedlicher Unternehmen gearbeitet: bei Siemens, der Unternehmensberatung Boston Consulting und dem Küchenhersteller Rieber in Reutlingen südöstlich von Stuttgart, um nur einige zu nennen. Gleich nach seinem Amtsantritt gründete er die Tochterfirma Meissen Italia, unter deren Dach er seitdem alles Neue bündelt. 2011 legte er die erste Schmucklinie auf, es folgten Möbel und Accessoires. Absoluter Höhepunkt soll nun die Modekollektion von Chefdesignerin Weyer werden.

Meissen-Chef Kurtzke will das Traditionsunternehmen revolutionieren. Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Der Wandel vom Label für reiche Omas zur Luxusmarke ist aus der Not geboren. Seit Jahren kämpfen die Porzellanhersteller gegen schwindenden Absatz. Billiganbieter wie Ikea machen den traditionellen Anbietern Konkurrenz. Kaum jemand ist noch bereit, mehrere Tausend Euro für ein Service zu bezahlen, das es auch für knapp 100 Euro zu kaufen gibt. Die Berliner Königliche Porzellan-Manufaktur, im Jahr 1763 von Friedrich dem Großen gegründet, stand 2006 kurz vor der Pleite und überlebte nur aufgrund der Porzellanaffinität des Berliner Bankiers Jörg Woltmann, der das Unternehmen kaufte. Drei Jahre später meldete Rosenthal aus dem oberpfälzischen Selb Insolvenz an, Arzberg aus dem benachbarten Schirnding kämpft aktuell gegen den Konkurs.

Handbemalte Kissen und der Brilli am Finger, wenn er die Kaffeetasse umfasst, das mag noch irgendwie zur Wohnkultur à la Meissen passen. Mit der Mode betritt Manufakturchef Kurtzke aber völliges Neuland. "Bei mir zu Hause wurde das Meissener Service nur für ganz besondere Anlässe aus der Vitrine geholt", sagt Designerin Weyer. Wie die stoffgewordene Interpretation des Porzellans letztendlich aussehen wird, mögen Weyer und Kurtzke noch nicht verraten. Sicher ist nur, die beiden teilen den gleichen Geschmack: Die Abend- und Brautmode von Meissen soll feminin, blumig und opulent sein.

Die Königsklasse der deutschen Luxusunternehmen
Die Unternehmensberatung Ernst & Young hat, gemeinsam mit der Munich Business School, zum zweiten Mal deutsche Luxusunternehmen unter die Lupe genommen und analysiert, was ihren internationalen Erfolg ausmacht. Bei der Beurteilung legen die Initiatoren sechs Kriterien zugrunde, darunter Exklusivität im Sinne eines Preis-Premiums, Internationalisierung oder auch Internetpräsenz. Die Unternehmen sollten einen Jahresumsatz von mindestens zehn Millionen Euro erzielen. Außerdem gibt ein Fachbeirat sein Votum ab. Die Ergebnisse des sogenannten „Luxury Business Report 2013“ im Überblick. Quelle: dpa
Platz 10: Staatliche Porzellan-Manufaktur MeissenDie berühmte 300-jährige deutsche Manufaktur gehört weltweit zu den bekanntesten deutschen Luxusmarken. Der für die Herstellung neben Quarz und Feldspat wichtigste Bestandteil, das Kaolin, wird übrigens in einem eigenen Bergwerk - dem kleinsten Europas - abgebaut. Das im Jahr 1710 gegründete Unternehmen baut seine Marke derzeit in Richtung Innenausstattung aus. Dieser Schwenk wird von dem fünfköpfigen Fachbeirat bei der Beurteilung besonders honoriert. In der Gesamtbewertung belegt die staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen den zehnten Platz.
Platz 9: Deutsche Werkstätten HellerauDie Deutschen Werkstätten Hellerau, 1898 in Dresden gegründet, haben sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs einen Namen als einer der ersten maschinellen Möbelproduzenten Deutschlands gemacht. Lange Zeit wurden in den Hellerau-Fabriken DDR-Schrankwände produziert. Heute zählt das Unternehmen mit rund 230 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weltweit zu den führenden Anbietern im hochwertigen Innenausbau von Villen, Vorstandsetagen und Yachten. Auf Anhieb hat es das Unternehmen in die Top 10 geschafft. Die Begründung des Fachbeirats: „Hellerau steht für Vieles, was Deutschen Luxus in Zukunft ausmachen könnte. Zum einen ist dies der starke Fokus auf Design gepaart mit handwerklicher Präzision. Des Weiteren ist es das Konzept etwas Ganzes zu liefern, also wie damals im Bauhaus eine stimmige Gesamtkomposition aus Immobilie, Mobilie und Dekoration.“
Platz 8: Glashütter Uhrenbetrieb – Glashütte OriginalStatus, Luxus, lukrative Investition: Das alles verbindet die Marke Glashütte Original mit ihren edlen Zeitmessern. In den Uhren steckt viel Handwerk und Liebe zum Detail. Den Ausschlag für die Platzierung hinter der Edelmarke A. Lange & Söhne, so die Initiatoren, gab eine etwas niedrigere Bewertung in den Bereichen Bekanntheit, Internet und Internationalität. Quelle: Presse
Platz 7: Burmester AudiosystemeOb Vor- oder Endverstärker, CD-Player- und Laufwerke oder FM-Tuner und Lautsprecher: die Berliner Firma Burmester stellt Musikanlagen der Luxusklasse her. Die hochwertigen Produkte werden alle in der Hauptstadt von Hand gefertigt und sind technologisch auf dem neuesten Stand. Die Bauteile bezieht das Unternehmen, das etwa 40 Mitarbeiter beschäftigt, nach eigenen Angaben ausschließlich von renommierten Herstellern. Beeindruckt hat den Fachbeirat vor allem, der „bei Burmester fast gänzlich von Mund zu Mund Propaganda getragene internationale Erfolg“. Quelle: Presse
Platz 6: Büttenpapierfabrik GmundGmund ist einer der seltenen Fälle in denen ein B2B Hersteller ohne viel Zutun auch private Luxuskunden als Käufer von exklusivem Papier erschlossen hat. „Hier zeigt sich wieder der bereits angesprochene Trend hin zum professionellen Produkt“, so der Fachbeirat in seinem Urteil. Das Familienunternehmen stellt mit gut 100 Mitarbeitern am Tegernsee mehr als 100.000 verschiedene Papiere her. Dahinter stecken fast 200 Jahre Papiermacherkunst und noch heute sitzt das Unternehmen im Gründungshaus aus dem Jahr 1829. Darin schlummert auch ein alter Schatz: die älteste Papiermaschine Europas, die noch immer im Betrieb ist. Quelle: Presse
Platz 5: Margarete SteiffIhre Startvoraussetzungen waren alles andere als gut. Aber Appolonia Margarete Steiff hat trotz ihrer Kinderlähmung den Grundstein für ein Familienunternehmen gelegt und nicht nur Kinderherzen höher schlagen lassen. Es gab lange Diskussionen, ob ein Spielzeug überhaupt Luxus sein kann. Letztlich ist und bleibt Steiff aber mehr als ein Spielzeug. Inzwischen sind die Plüschtiere mit dem charakteristischen Knopf im Ohr begehrte Sammlerobjekte. 156.000 Euro war einem Liebhaber in einer Auktion vor einigen Jahren ein antikes Exemplar des Teddys aus dem Jahr 1926/27 wert. Gut ein Drittel seines Umsatzes erwirtschaftet das Unternehmen heutzutage auch mit Kleidung; ein Geschäftsfeld, das in Zukunft ausgebaut werden soll. Steiff hofft außerdem, mit dem neu geschaffenen Segment Lifestyle neue Zielgruppen zu erschließen: Das Segment umfasse Deko-Artikel und sogenannte Home-Accessoires und solle vor allem 25- bis 45-Jährige ansprechen. Quelle: dpa Picture-Alliance

Die Käuferschaft für den neuen Pomp, wohne eher in Hollywood als in Hattingen, deutet das Duo an, Schauspielerinnen wie Diane Krüger oder die Oscar-Gewinnerin Jennifer Lawrence wären die Traumkundinnen. Auf Geld jedenfalls soll es nicht ankommen. "Ich habe keine Budgetvorgabe, muss nicht bei den Stoffen geizen oder daran denken, ob es tragbar ist oder nicht", sagt Modeschöpferin Weyer. Dafür sollen die Käuferinnen tief in die Tasche greifen, bis zu 100.000 Euro kann ein Stück von Meissen Couture kosten.

Dossier Wozu brauchen wir Reiche?

Kurtzke liebt schönes Design, zeitweise kümmerte er sich persönlich um die Neuschöpfungen der Manufaktur, und das als Elektrotechniker und Betriebswirt. Fast neun Monate lang musste der gebürtige Berliner Intelligenz-, Persönlichkeits- und psychologische Tests über sich ergehen lassen, um endlich zum Chef des weißen Goldes gekürt zu werden. Er stellte einer Jury seine Unternehmensstrategie für die nächsten zehn Jahre vor. Das Gremium unter Leitung des ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf war von der Radikalität der Ideen begeistert.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%