Edel-Porzellan Meissen setzt jetzt auf Klamotten

Manufakturchef Christian Kurtzke will die Porzellanmarke Meissen zum Label für weitere Luxusartikel wie Gürtel, Füllfederhalter und Mode aufbohren. Kritiker warnen vor Übertreibung.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Das Brautkleid aus dieser Werbung für Meissen-Schmuck stammt bereits von der neuen Chefdesigner des Labels

Im ersten Stock einer Jugendstilvilla im Berliner Stadtteil Grunewald. Zwischen iMac und Eames Chair reihen sich auf zwei Kleiderstangen edelste Abendroben: in Feuerrot, Tiefschwarz und Nachtblau, dekoriert mit viel Spitze, noch mehr Tüll, unzähligen Pailletten und Glasschmuck von Swarovski. "Anna Karenina goes Versailles" heißt die ausgefallene Kollektion, mit der Tolstois gleichnamige Romanfigur Ende des 19. Jahrhunderts in die barocke Residenz der einstigen französischen Könige verpflanzt werden soll.

Präsentiert wurde die Kollektion im Januar von dem gleichnamigen Label der Designerin Frida Weyer in einem alten Berliner Theater. "Es sollte aussehen wie in einem russischen Märchen, gepaart mit der Romantik der Marie Antoinette", sagt Weyer.

Meissen Couture-Chefdesignerin Frieda Weyer. Quelle: PR

Stoff und Strass, ein bisschen wahnsinnige Fürstentochter, ein bisschen Frankreichs letzte Königin – viel abgedrehter könnte auch die nächste Mission der 35-Jährigen nicht sein. Seit April ist Weyer die Chefdesignerin des neuen Modelabels "Meissen Couture". Schon im September soll die Debütkollektion erstmals auf der Mailänder Modewoche präsentiert werden. Das ambitionierte Zeil: Die Roben sollen die einstige Porzellanmanufaktur Meissen in neue Umsatzsphären katapultieren.

Die Krise der Kaffeetasse

Seit über 300 Jahren stellt das Traditionsunternehmen mal mehr, mal weniger Barockes her, vom Kaffeeservice mit Zwiebelmuster über Kerzenständer im Rosendesign bis zum Tässchen mit Goldrand. Gegründet wurde die Manufaktur 1710 vom Sachsenkönig August dem Starken. In den folgenden Jahrhunderten überlebte sie elf Kriege und sieben politische Systeme, seit 1991 gehört sie dem Freistaat Sachsen.

Doch jetzt steht Meissen wahrscheinlich vor der größten Herausforderung seiner Geschichte. Denn allein mit edlem Porzellan lässt sich im Zeitalter von Singlehaushalten und Take-away-Kultur kaum noch Geld verdienen. Christian Kurtzke kam als Sanierer nach Meissen, er löste 2008 den langjährigen Geschäftsführer Hannes Walter ab. In den ersten drei Jahren unter Kurtzkes Leitung schrieb der sächsische Staatsbetrieb noch immer rote Zahlen. Nach eigenen Angaben konnte Meissen erst 2011 wieder den Umsatz steigern, im vergangenen Jahr auf 39,3 Millionen Euro. Das Unternehmen mache Gewinn, versichert Kurtzke, wie viel, sagt er nicht.

Um die Zukunft zu gewinnen, soll möglichst immer mehr teurer Tand die bisherige Porzellan- zur generellen Luxusmarke umwerten. Porsche gibt es schließlich schon lange nicht mehr nur als Auto, sondern - von einer Tochterfirma - auch als Anzug, Brille oder Handtasche. Nur dass sich bei Meissen zum Dekoschwan der Diamantring, zur Sauciere das Sofakissen oder zur Tasse nun Tüll gesellt. "Wir wollen eine international bedeutende Luxusgruppe aufbauen - ein sächsisches Hermès oder Chanel", sagt Christian Kurtzke.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%