Erfolgsfaktoren Der Mittelstand ist Deutschlands Geheimwaffe

Seite 3/7

Germania

Die Fluggesellschaft aus Berlin steuert mit konkurrenzlos niedrigen Betriebskosten weiter auf Erfolgskurs.

Andreas Wobig orientiert sich mit Germania an den klassischen Erfolgsrezepten seiner Branche: Er sieht sie sich an – und tut meistens das Gegenteil. Mögen Berater und Chefs führender Gesellschaften wie Lufthansa den Vorteil der Größe predigen sowie den Fokus auf Vielflieger und den Heimatmarkt legen.

Germania aus Berlin meidet Großstädte, fliegt Urlauber und Geschäftsleute, aber auch Emigranten aus Osteuropa und dem Nahen Osten in ihre Heimat. Dabei bedient sie fast keine Route täglich und hat gleich zwei Tochterlinien im Ausland, davon als einzige Linie Europas eine Mehrheitsbeteiligung in Afrika.

Der Erfolg gibt Wobig Recht. Zwar wollen sich der 49-Jährige und die Eigentümerfamilie um die Nachkommen des Gründers Hinrich Bischoff in bester Mittelständler-Manier nicht näher zu den Früchten ihres Tuns äußern. Doch laut der im August veröffentlichten Bilanz bleiben Germania 2012 im Verbund mit der ebenfalls von Wobig geleiteten Schwester SAT Fluggesellschaft, der das Gros der 23 Germania-Jets gehört, von 260 Millionen Euro Umsatz gut acht Millionen Gewinn nach Steuern. Das ist das Dreifache der Lufthansa-Marge.

Germania

Mittelstandstugenden

Das verdankt die mit sechs Millionen Passagieren nach Lufthansa und Air Berlin drittgrößte deutsche Fluglinie vor allem einer Stärke: „Sie kann kleine Märkte so schnell besetzen, dass sie für die Großen kaum noch attraktiv sind“, heißt es in einer Analyse des Centre for Aviation, eines auf die Branche spezialisierten Marktforschers mit Hauptsitz in Sydney.

Dafür sorgen klassische Mittelstandstugenden, allen voran die in der extrem schwankungsanfälligen Fliegerei besonders wichtige Sparsamkeit. „Germania hat die wohl niedrigsten Betriebskosten auf dem Kontinent“, lobt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Gründe sind vor allem eine schlanke Verwaltung, die vergleichsweise bescheidenen Gehälter und die gute Auslastung der Flugzeuge.

Knauserigkeit ist das wichtigste Erbe von Gründer Bischoff. Der 1936 in Erfurt geborene promovierte Jurist kaufte 1979 die marode Fluggesellschaft SAT und entdeckte eine Marktlücke: den Verleih von Flugzeugen an Fluglinien und andere Unternehmen mit oder ohne Personal.

Konkurrenzdrohung

Dabei ging der wegen seiner Vorliebe für Pullover und großzügig geschnittene Hosen anfangs unterschätzte Unternehmer nicht selten rabiat vor: Wollte ein Großer wie Lufthansa keine Maschinen abnehmen, drohte er kurzerhand, ihm auf wichtigen Strecken Konkurrenz zu machen. „Und das war mehr als glaubhaft, weil er schon immer die niedrigsten Kosten hatte, nicht zuletzt, weil er an sich keine Flugzeugmiete zahlen musste“, so ein Insider. So brachte Bischoff seine Flieger nebst Besatzung auch bei den Konkurrenten Air Berlin, TUI und Condor unter.

Später reüssierte Germania auch beim Geschäft mit Flügen für Unternehmen und Behörden. Als Erstes schnappte sich die Linie in den Neunzigerjahren den Beamtenshuttle, der nach dem Regierungsumzug von Bonn nach Berlin vor allem Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums hin und her flog. Später folgte der Werksverkehr zwischen den beiden großen Fabriken des Flugzeugherstellers Airbus in Hamburg und dem südfranzösischen Toulouse.

Weil das Modell nach dem Tod des Gründers Ende 2005 immer weniger trug, erfand sich die Linie neu. „Wir können auch ein paar Dinge, die andere nicht können“, erzählt Chef Wobig nicht ohne Stolz.

Dazu zählt eine ungewöhnliche Zurückhaltung. Mögen andere Linien auch ihre Flotte häufig auf Verdacht aufstocken: „Wir haben nur so viele Flugzeuge, wie wir das ganze Jahr über gut und profitabel füllen können“, sagt der Manager mit markantem Kinn und Pfadfinder-Haarschnitt.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%