Erfolgsrezept Direktvertrieb Das Riesengeschäft mit dem Verkauf im Wohnzimmer

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Angesagte Home-Partys

Experten machen hinter den Erfolgen der Direktvertriebler gleich mehrere Trends aus. Zum einen hat die rasche Verbreitung der sozialen Netzwerke, allen voran Facebook und YouTube, dem Geschäftsmodell einen Schub gegeben. Über Facebook, WhatsApp und Co. lässt sich schnell und ohne viel Aufwand eine Verkaufsparty im heimischen Wohnzimmer organisieren. Dort bekommt der Kunde dann auch die Beratung, die er bei Online-Kaufhäusern oft vermisst.

Umsatzzuwachs des Direktvertriebs in Deutschland. (zum Vergrößern bitte anklicken)

Immer neue Erlebnisse

Vor allem jüngere Leute verlangen nach immer neuen Erlebnissen. „Auf einer Home-Party einzukaufen ist nicht nur salonfähig geworden, es ist absolut in“, sagt Carsten Rennhak, Marketingexperte und Dekan an der Universität der Bundeswehr München, der eine Studie zu den Erfolgsfaktoren des Direktvertriebs verfasst hat.

Lebensmittel, Tiernahrung, Kosmetik, Accessoires, Erotikartikel und Haushaltswaren: Die Palette der Produkte, die auf Wohnzimmerpartys und an der Haustür den Besitzer wechseln, wird immer größer.

Platzhirsch in Deutschland ist Vorwerk mit seinen Staubsaugern und Küchenmaschinen. Das Unternehmen aus Wuppertal kam zuletzt auf einen Jahresumsatz von 2,6 Milliarden Euro und beschäftigt etwa 12 500 feste Mitarbeiter und 610.000 freie Vertriebspartner. Weitere Branchengrößen sind der Kosmetikvertrieb LR Health & Beauty Systems, Heim & Haus, ein Anbieter von Markisen, Rollläden und Fenstern – und auch Energetix.

Das Frachtzentrum des Modeschmuck-Anbieters liegt in Bingen direkt an der Nahe, gegenüber den Weinbergen und der fast 800 Jahre alten Burg Klopp. Kleine Kartons, die meisten kaum größer als eine Zigarrenschachtel, laufen über Fließbänder. Frauen legen in China produzierte Ringe, Armbänder und Ketten in die braunen Kistchen. Energetix-Vertreter, die ihre Ware bis zwölf Uhr mittags bestellen, bekommen sie am nächsten Tag. 40 Länder beliefert der Mittelständler. Allein in Bingen verlassen jeden Tag bis zu 2000 Pakete das Frachtzentrum. „Die meisten unserer Vertriebsleute bestellen immer nur kleine Mengen“, sagt Gründer und Chef Roland Förster, während er durch die Regalreihen geht. Und das sei auch gut so. Förster will nicht, dass sich die Vertreter übernehmen: Sie sollen nur bestellen, was sie auch verkaufen können. Und will so dem Vorwurf entgehen, der andere Direktvertriebler trifft, nämlich den eigenen Verkäufern die Ware regelrecht aufzudrängen.

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Der frühere Aldi-Manager hat das Unternehmen 2003 gegründet. Heute arbeiten etwa 4000 freie Vertriebler in aller Welt für Energetix. In Bingen kümmern sich 85 Mitarbeiter um Versand, Verwaltung, IT und Design. Die Armbänder, Ketten, Uhren und Ringe kommen bei der Kundschaft vor allem wegen des modernen Designs an. Immer mehr Käufer schwören aber auch auf die angeblich heilende Wirkung des Magnetschmucks. Der ist längst der Esoterikecke entkommen. Werben darf Förster mit der vermeintlich heilenden Wirkung nicht, der medizinische Nachweis steht aus.

Die Kunden stört das offenbar nicht. Modeschmuck für gut 100 Millionen Euro werden seine Leute 2015 verkaufen, erwartet Förster, gut zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Die wichtigsten Märkte sind Frankreich und die Türkei.

Mehr als drei Viertel der Vertriebler bei Energetix sind Frauen. Diana Boetzkes’ Weg ist typisch. Die Tourismusfachfrau aus Nettetal bei Mönchengladbach stieg für ihre Kinder vier Jahre aus dem Job aus. Dann erzählte ihr eine frühere Mitschülerin von Energetix.

Boetzkes probierte es aus. Zunächst verkaufte sie einige Stücke in der Nachbarschaft und bei Verwandten. Beim nächsten Mal brachten einige der Käufer schon Freunde mit.

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