Erfolgsrezept Direktvertrieb Das Riesengeschäft mit dem Verkauf im Wohnzimmer

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Entscheidend ist die Show

Boetzkes erkannte ihr Verkaufstalent. Heute kann sie sich nicht mehr vorstellen, in ihren alten Job zurückzukehren: „Ich arbeite weniger Stunden und verdiene im Vergleich dazu mehr.“ In guten Monaten, vor allem im Herbst, veranstaltet sie bis zu 16 Verkaufspartys. Pro Veranstaltung kommt Boetzkes auf einen Umsatz von 500 bis 700 Euro. Der Endpreis ist so kalkuliert, dass bei den Verkäufern eine Spanne zwischen 40 und 45 Prozent hängen bleibt.

Inzwischen hat Boetzkes sieben weitere Vertriebspartner für Energetix angeworben und ist an deren Umsatz beteiligt. Zwischen sechs und sieben Prozent Provision kassiert sie für die Umsätze, die ihre Teammitglieder erzielen. Anders als bei Strukturvertrieben, die nach dem Schneeballsystem arbeiten, zahlen allerdings nicht die neu gewonnenen Mitglieder die Provision an Boetzkes, sondern Energetix.

Energetix-Chef Förster vermeidet es, zu großen Druck auf seine Vertriebstruppe auszuüben. Von den schlecht beleumundeten Strukturvertrieben, die mit fragwürdigen Methoden beispielsweise Nahrungsergänzungsmittel vertreiben, will er sich abheben. Ein wachsames Auge auf seine Vertreter hat er trotzdem. Zwar gestattet Förster ihnen, parallel auch für andere Direktvertriebe zu arbeiten – aber nicht den Verkauf von Schmuck.

Rares Produkt, gute Show

Um beim Direktvertrieb vorne mitzuspielen, müssen sich Anbieter und deren Vertriebspartner einiges einfallen lassen. „Idealerweise geht es um Waren mit besonderen Eigenschaften, die man im stationären Handel oder im Internet nicht bekommt“, sagt Marketingexperte Rennhak. So macht es etwa der US-Konzern Tupperware mit seinen Plastikschüsseln.

Der Mittelständler AMC, ein Unternehmen, das zur Fissler-Gruppe gehört und wie Energetix seinen Sitz in Bingen hat, bietet Töpfe und Pfannen im Hochpreissegment ab etwa 120 Euro an. Die können einiges, „was eine Verkäuferin im Geschäft gar nicht erklären kann“, sagt AMC-Chef Lothar Klein, „das muss man zu Hause vorgeführt bekommen“. So ließen sich in AMC-Pfannen etwa Fisch und Fleisch gleichzeitig garen, ohne dass das Steak nach Kabeljau müffele. Zudem spare das Kochgeschirr gegenüber herkömmlichen Produkten bis zu 40 Prozent Energie.

Offenbar funktioniert die Masche: 2013 haben AMC-Vertreter weltweit Töpfe und Pfannen für gut 110 Millionen Euro an den Koch oder die Köchin gebracht, zehn Prozent mehr als im Vorjahr. 2014 war der Zuwachs ähnlich hoch. Russland ist trotz Ukrainekrise und Rubel-Schwäche ein wichtiger Markt, ebenso Indien, wo AMC etwa 4000 Vertreter beschäftigt. Etwa 3000 sind es in Deutschland, 40 Prozent seines Umsatzes erzielt AMC im Heimatmarkt. Entscheidend ist eine gute Verkaufsshow, die an alles erinnern darf, nur nicht ans Verkaufen. Wer den AMC-Vertreter mit seinen Töpfen und Pfannen ins Haus und bei sich kochen lässt, bekommt erst einmal ein Geschenk, etwa einen Zwiebelschneider – wie bei Tupperware und vielen anderen.

Der Vertreter plaudert zwanglos über das Produkt, die Gastgeberin reicht Getränke. „Das hat mit einer drögen Präsentation nichts mehr zu tun“, sagt der Münchner Berater Alexander Verweyen, „da muss eine Story erzählt werden.“

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