Erkundungstour durch Deutschland China durchleuchtet den deutschen Mittelstand

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Missverständnisse der Globalisierung

Am Abend vor dem Treffen mit Claas erreicht die Gruppe das Hotel Deutschkrone am Teutoburger Wald. Die Türen sind aus Gitterglas, die Türgriffe aus Gussplastik. Jeffrey Zhao packt ein eingelegtes Huhn aus, Jun Rong hat am Nachmittag eine Gurke gekauft, die er jetzt schneidet und mit Erdnüssen mischt. Chen bestellt Rotwein. Vier Stunden und ein paar Flaschen später irrlichtern kleine Gruppen von Chinesen durch das Hotel. Chen rennt über das Gelände. „Glücklich!“, schreit er. „Ich bin so glücklich!“ Dann verschwindet er im Teutoburger Wald.

Am nächsten Morgen wird die Gruppe nüchtern empfangen: Im Besprechungsraum der Firma Claas stehen keine Getränke, auch keine Butterbrezn. Niedersachsen ist nicht Bayern.

China Investitionen Deutschland

Auf eine kurze Vorstellung der Produktpalette folgt eine Fragerunde. Herr Ning möchte wissen, wie die Zusammenarbeit mit dem chinesischen Vertrieb von JinYee seit der Übernahme funktioniert. Der Leiter des Asien-Geschäfts, Jens Oeding, antwortet, momentan sei alles noch strikt voneinander getrennt.

Herr Ning fragt weiter: Warum werden die Claas-Maschinen nicht von JinYee vertrieben? Warum nicht in China produziert? Dann bekämen sie Investitionen. „Die chinesische Regierung subventioniert Neuanschaffungen und Verschrottungen“, sagt Oeding. „Ein Nebeneffekt ist, dass kleinere Betriebe bislang kaum langlebige Maschinen kaufen wollen.“

Gegen 11 Uhr wird Herr Ning etwas ungehalten. Die Gruppe hat nach einer Werkführung 15 Minuten gewartet, als habe man sie vergessen. Schließlich führt sie ein zwar sehr freundlicher, aber doch eher außerhalb der Firmenhierarchie angeordneter Pensionär in das Heimkino, um einen Werbefilm auf Englisch zu zeigen. Der Film zeigt einen großen blonden Mann, der nach Indien geschickt wird, um dort mit Claas-Maschinen die Landwirtschaft zu revolutionieren.

Als der Pensionär nach dem Film nochmals die Claas-Produkte vorstellt, beschließt Herr Ning, abzufahren und gemeinsam doch lieber nach Chens Uhr zu suchen. So landet die Gruppe chinesischer Unternehmer und Funktionäre im deutschesten aller Wälder. Eine halbe Stunde schlendern die Chinesen unter Nings Führung durch den Wald.

Die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen

Chen geht voraus, bis er an einem Baum angelangt, dessen unteren Äste abgebrochen sind. Die Gruppe sucht und stochert im Boden herum. Tatsächlich: Li, Geschäftsführer der Firma Gahead, findet Chens Uhr im Laub. Chen jubiliert. Alle beglückwünschen sich.

Am letzten Abend schlendern die Chinesen durch ein Dorf mit Fachwerkhäusern, Gartenzwergen und einer alten Burg.

Zhang Rui, die Doktorin in Rosa, glaubt, dass es sehr lange dauern wird, bis China Deutschland eingeholt hat. „Bei uns sind zu viele an kurzfristigen Profiten interessiert.“

Chen glaubt, es wird nie geschehen. „Dafür sind wir viel zu chaotisch.“

Zhao hält die Deutschen für streng und verantwortungsvoll. „In China denkt jeder Arbeiter: Das geht mich nichts an. Wir sagen immer ,Chabuduo‘, das passt schon. Aber es passt eben oft nicht. Bei euch Deutschen passt es immer.“

Er wird nachdenklich. „Wir haben uns zu schnell entwickelt in den letzten 30 Jahren“, sagt er. Das sei gut gewesen für viele Menschen, weil sie nicht mehr in Armut leben. Und doch nennt er es ein Desaster. „Die Menschen sind nicht mitgekommen. Jetzt wollen sie alles sofort, anstatt Schritt für Schritt zu gehen.“

Doch Herr Ning sagt: „Jia You!“ Gas geben.

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