Erkundungstour durch Deutschland China durchleuchtet den deutschen Mittelstand

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Süße Subventionen

Die Hügel südöstlich von München sind sanft, die Wiesen saftig. Auf den Balkonen leuchten Geranien, zu jeder Viertelstunde läuten die Glocken eines katholischen Zwiebelturms. Die Firma Fritzmeier stellt hier in dritter Generation Kabinen und Federsysteme für Traktoren her. Bis zu 80 000 Traktorengehäuse verkaufen sie in die ganze Welt. Über der Rezeption hängt ein Kreuz.

Während der Werksführung läuft Jun Rong zu einem Traktor und befühlt die Scheinwerfer. „Die Qualität ist gut“, sagt er mit Zigarette im Mund. „Sehr gut! Aber viel zu teuer.“ Ein Scheinwerfer kostet zwischen 60 und 70 Euro. Für den Preis produziert er zehn. In manchen Bereichen versucht China erst gar nicht, die Deutschen und Japaner einzuholen. Im Werkzeugmaschinenbau, aber auch bei Smartphones setzt China auf günstigere Produkte mittlerer Qualität, die dann auf weniger entwickelte Märkte wie Indien oder Lateinamerika exportiert werden.

Die nächsten 15 Giganten aus China

Du Yongqi arbeitet für Menoble, einen der größten Hersteller von Landmaschinen Chinas. Die Firma hatte ihn zwischen 2009 und 2012 nach Zimbabwe geschickt. Die meisten deutschen Maschinen sind Afrikanern viel zu teuer, sagt er. „Deswegen kaufen sie billigere chinesische Maschinen.“

Das ist das Stichwort für Herrn Ning, einen Vortrag zu halten. Das Konzentrat dessen würde in etwa so lauten: Unternehmen, die in China produzieren, erhalten Vergünstigungen. Peking hat die Branche seit 2004 mit 120 Milliarden Yuan subventioniert – fast 20 Milliarden Euro. Also, liebe Deutsche: „Jia you.“

Die Bayern sind wenig beeindruckt. „Früher kamen die Japaner, jetzt kommen eben die Chinesen“, sagt die Erbin Ursula Fritzmeier mit der vielen Bayern so eigenen eleganten Wurstigkeit.

Am Nachmittag haben die Chinesen drei Stunden Zeit zum Shopping im Kaufhof am Münchner Marienplatz. Alle kommen mit mindestens drei Tüten zurück: Messer von WMF, Rasierapparate von Braun, Koffer von Rimowa. Silberne Rimowa-Koffer sind schon ausverkauft. „Jeden Morgen kommen Chinesen und kaufen die weg“, erzählt der Verkäufer.

„Daheim ist alles teurer“, sagt Xiufeng Liu, deren Mann die Firma Shandong Guofeng Machinery gehört – das liegt an den Importzöllen und Luxussteuern.

Der Bus fährt weiter nach Kaufbeuren. Dort baut HAWE Hydraulik Ventile und Pumpen für Land- und Baumaschinen. Damit machten die Bayern 2014 294 Millionen Euro Umsatz. Hier arbeiten 360 Mitarbeiter und 45 Auszubildende. Der Azubi-Anteil ist etwa doppelt so hoch wie der deutsche Durchschnitt. Ning fragt, wie viele von ihnen nach Ende der Ausbildung im Betrieb bleiben. „Fast alle“, sagt Werksleiter Christof Gilnhammer.

Deutsche sehen China als Bedrohung
Wirtschaftsmacht37 Prozent der befragten Deutschen assoziieren mit China vor allem eine starke Wirtschaftsmacht. Faszination und Angst polarisieren hierzulande die Bevölkerung im Bezug auf Chinas ökonomische Stärke. Das Land wird als Schlüsselrolle für die eigene und internationale Entwicklung gesehen und 57 Prozent der Befragten beurteilen die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen sogar als wichtiger als die zu den USA. Gleichzeitig geht mit dem Wirtschaftsboom Chinas aber auch die Angst einher, chinesische Unternehmen könnten deutsche Firmen von den internationalen Märkten verdrängen. 59 Prozent der Deutschen empfinden Chinas starke Wirtschaft daher als Bedrohung. Quelle: dpa/dpaweb
BevölkerungswachstumBabyboom und Bevölkerungswachstum, daran denken 20 Prozent der Deutschen, wenn sie das Stichwort China hören. Derzeit leben 1,35 Milliarden Menschen in China, die Bevölkerungsdichte beträgt 143 Einwohner pro Quadratkilometer. Doch die Bevölkerung wird noch weiter wachsen, um 0,6 Prozent pro Jahr. Für 2032 rechnen Statistiken mit 1,467 Milliarden Menschen in China, bei einer gleichbleibenden Fertilitätsrate von 1,7 Kindern pro Frau. Viele Deutsche sehen das auch als Bedrohung an. Quelle: REUTERS
Kommunismus15 Prozent fällt spontan der Kommunismus ein, wenn sie an China denken. Während China im ökonomischen Bereich erfolgreich in den internationalen Handel eingebettet wurde und sich für ausländische Investoren geöffnet hat, ist das Land politisch in den Augen der Deutschen weiterhin ein diktatorisches Ein-Parteien-System unter Führung der Kommunistischen Partei. Die ist mit etwa 78 Millionen Mitglieder nicht nur die größte kommunistische Partei der Welt, sondern auch die mitgliederstärkste Partei allgemein. Deutsche verbinden mit ihr ein vornehmlich negatives Bild. Quelle: REUTERS
Chinesische MauerMan kennt sie aus Reiseprospekten und gefühlt jedes zweite China-Restaurant ist nach ihr benannt. Nicht weiter verwunderlich also, dass 15 Prozent der Befragten mit China die Chinesische Mauer assoziieren. Sie gilt als Weltkulturerbe und erstreckt sich über 21.196 Kilometer. Früher sollte die Mauer vor allem zum Schutz vor Völkern aus dem Norden dienen, heute ist sie eine der meistbesuchten Touristenattraktionen Chinas und lockt Reisende aus aller Welt an. 36 Prozent der Befragten haben daher sehr großes oder großes Interesse an China als Reiseland. Quelle: dpa
Chinesisches EssenPeking-Ente, Reis süß-sauer - und das alles mit Stäbchen: 14 Prozent der befragten Deutschen denken beim Stichwort China an chinesisches Essen. Was Viele aber nicht wissen: Chinesisches Essen ist nicht gleich chinesisches Essen. Die meisten der 23 Provinzen Chinas haben ihre eigene Regionalküche. Zu den populärsten gehört die würzige Küche aus Sichuan, die gerne Sojasauce, Ingwer und Frühlingszwiebeln verwendet, die scharfe Xiang-Küche aus Hunan und die kantonesische Yue-Küche, die vor allem durch die Verwendung ungewöhnlicher Zutaten wie Hundefleisch bekannt geworden ist. Übrigens: Die Peking-Ente ist das berühmteste Gericht der chinesischen Küche. Quelle: REUTERS
MenschenrechtsmissachtungEbenfalls 14 Prozent fallen zu China Menschenrechtsverletzungen ein. Auf die Frage, wo sie das Land gegenwärtig und in 15 Jahren beim Schutz der Menschenrechte sehen, ordneten 60 Prozent der Befragten die Volksrepublik in die Schlussgruppe ein, nur 1 Prozent sieht China als Spitzengruppe in Bezug auf Menschenrechte. Auch das Bild Chinas als ein Rechtsstaat stößt auf wenig Zustimmung bei den Deutschen. 49 Prozent stimmten der Aussagen gar nicht zur, nur 1 Prozent sieht China als Rechtsstaat an. 80 Prozent der befragten Bevölkerung geht außerdem davon aus, dass in China kaum oder keine Debatten über politische Themen geführt werden. Quelle: dpa
Diebstahl von Ideen12 Prozent denken, China spioniere deutsche Unternehmen aus und verkaufe die Ideen aus dem Westen als eigene. Nachgebaute Ware aus China, oft zum Spottpreis, macht deutschen Unternehmen das Leben schwer. Auch das Markenimage chinesischer Produkte ist bei den befragten Deutschen schlecht. So assoziieren viele Konsumenten in Deutschland chinesische Produkte mit einfache, technisch wenig anspruchsvolle Billigware. Quelle: dpa

Er arbeitet selbst seit 25 Jahren hier. Das liege auch daran, dass die Menschen hier sehr heimatverbunden sind. Die Gruppe staunt und notiert.

Herr Ning wird jetzt aufgeregter. Bisher hat noch keines der besuchten Unternehmen Absichten geäußert, in China zu investieren. Aber wichtiger als die Zuliefererbetriebe sind eh die großen Landmaschinenhersteller: Krone, Grimme und vor allem Claas. Sind die einmal im Land, folgen die Zulieferer von alleine. So war es mit der Autoindustrie: Mittlerweile sind Hunderte mittelständische Automobilzulieferer im Land.

Auf der Fahrt nach Niedersachsen appelliert Herr Ning an die Gruppe, nochmals einen besonders guten Eindruck zu machen. „Claas ist der wichtigste Besuch der Reise!“ Die Deutschen haben Anfang dieses Jahres die chinesische Firma JinYee übernommen. Ning war am Deal beteiligt, für JinYee war er jahrelang tätig, und Chens Firma ist ein Zulieferer.

Herr Ning hofft, dass die Deutschen bald eine Fabrik in China bauen. Andere Wettbewerber wie John Deere und New Holland hätten schon mehrere Hundert Millionen investiert, aber die Deutschen seien so zurückhaltend.

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