European Start-up Monitor Männlich, jung, deutsch gründet Unternehmen

Das typische Start-up in Deutschland führen Männer, schafft mehr als elf Jobs, beschäftigt ein Drittel ausländische Mitarbeiter und sammelt knapp 800.000 Euro Kapital ein. Was der European Start-up Monitor noch zeigt.

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„Niemand schafft mehr Beschäftigungsmöglichkeiten als Start-ups und andere junge Firmen, sie stellen rund 50 Prozent aller neuen Jobs“, sagt Andrus Ansip, EU-Kommissar für den digitalen Binnenmarkt. Quelle: Imago/Westend61

Europas Start-ups gelten in Politik wie Wirtschaft als digitale Beschleuniger, als Frischzellenkur und manchmal auch als Retter in der Not. Andrus Ansip, EU-Kommissar für den digitalen Binnenmarkt, bringt es auf den Punkt: „Niemand schafft mehr Beschäftigungsmöglichkeiten als Start-ups und andere junge Firmen, sie stellen rund 50 Prozent aller neuen Jobs.“

Mit anderen Worten: Die europäischen Institutionen setzen auf die positive Wirkung von Start-ups. Und das, obwohl es auch im digitalen Binnenmarkt alles andere als trivial ist, innerhalb der Europäischen Union international zu agieren, gibt sogar der zuständige Kommissar Ansip in seinem Grußwort zum European Start-up Monitor zu. Da gibt es noch Arbeit, findet auch Florian Nöll, Chef des Bundesverbandes Deutscher Start-ups (BVDS): „Wir brauchen einen einheitlichen europäischen Kapitalmarkt und die Digitalunion.“

Zum zweiten Mal hat der Verband aus Deutschland, gemeinsam mit 17 weiteren nationalen Verbänden insgesamt mehr als 6.000 Gründer aus mehr als 2.500 Startups befragt. Herausgekommen ist eine Bestandsaufnahme, die Aufbruchsstimmung verbreitet. Auch erhöht sie die Erwartungen, die Politiker und Konzerne in Start-ups setzen.

Im Vergleich schneiden deutsche Start-ups gut ab: Durchschnittlich schaffen sie mehr als elf Jobs, beschäftigen fast ein Drittel ausländische Mitarbeiter und sind besonders stark im Business-to-Business-Geschäft (B2B), bei dem es um Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen geht.

Im weltweiten Vergleich richten sich zwei Drittel aller Start-ups an Geschäftskunden aus, knapp 40 Prozent sogar ausschließlich. Vor allem in Belgien, Finnland, Deutschland, Portugal und den Niederlanden ist das der Fall. Anders in Großbritannien. Dort liegt der Anteil der B2B-Geschäftsmodelle mit rund 16 Prozent vergleichsweise gering.

Befragt nach den Prioritäten steht die Internationalisierung weit oben auf der Agenda der Start-ups, auch wenn schon die Hälfte von ihnen Einnahmen aus dem Auslandgeschäft erzielen. Dabei konzentrieren sie sich vor allem auf den europäischen Markt, gefolgt von Nordamerika und Asien.

Im weltweiten Vergleich zeigt sich, dass die deutschen Gründer weniger Ambitionen haben, im Ausland zu agieren als Kollegen in anderen Staaten. Erstgenannten genüge die Bundesrepublik als größte Volkswirtschaft innerhalb der Europäischen Union. Dabei ist zu bedenken, dass die Mehrheit der Start-ups erst zweieinhalb Jahre alt ist. Interessant ist, dass rund ein Drittel der Gründer in Deutschland überhaupt keine Internationalisierung plant. Das ist der höchste Wert im Vergleich zu den 17 weiteren Ländern.

Hinzu kommt, dass in Deutschland besonders wenige Gründer – nämlich nur acht Prozent – einen ausländischen Pass haben. Auch das Geschlechterverhältnis unter den Gründern ist ungleich verteilt: Während es im EU-Schnitt unter den Jungunternehmern 14,8 Prozent Frauen gibt, sind es in Deutschland ein Prozentpunkt weniger.

Auffällig ist darüber hinaus, dass männliche Gründer im Schnitt drei Jahre jünger sind als weibliche. Das bedeutet, Männer gründen wesentlich früher ihr Start-up, während Frauen offenbar zunächst Berufserfahrung in anderen Unternehmen sammeln oder erst nach einer Elternzeit an Selbstständigkeit denken.


Start-ups suchen Kooperationen mit etablierten Unternehmen

Das typische Start-up in Europa ist vor zweieinhalb Jahren von mehreren Jungunternehmern im Alter von durchschnittlich 29 Jahren gegründet worden. Drei von vier Neugründungen werden im Team ins Leben gerufen. Mehr als 50 Prozent der Start-ups werden von mehreren männlichen Geschäftsführern geleitet. Fast 80 Prozent der Chefs gründen auch in dem Land, in dem sie aufgewachsen sind.

Die Befragten wollen im kommenden Jahr insgesamt knapp 2,7 Milliarden Euro Kapital einsammeln. Bislang haben sie rund zwei Milliarden Euro Kapital erhalten. Das sind im Schnitt knapp 800.000 Euro pro Start-up.

Die meisten Jungunternehmer sind immer noch Anteilseigner ihrer bisherigen Start-ups, nur knapp fünf Prozent haben schon eine Insolvenz hinter sich. Unabhängig davon, würden mehr als 60 Prozent der Befragten wieder ein Unternehmen gründen, selbst wenn sie zuvor einmal pleitegehen sollten.

Die Gründer wurden – ähnlich wie beim Ifo-Geschäftsklima-Index – gefragt, wie sie ihre aktuelle Situation und die nahe Zukunft in den kommenden sechs Monaten einschätzen. Dabei zeigt sich, dass rund 90 Prozent von ihnen die aktuelle Situation mindestens als „zufriedenstellend“ oder gar als „gut“ bezeichnen.

Im kommenden halben Jahr erwarten die Jungunternehmer weitere Besserung. Die größte Herausforderung sehen Gründer im Vertrieb und in der Kundenakquise. Die meisten sind auf der Suche nach Kooperationen mit etablierten Unternehmen.

Professor Tobias Kollmann, wissenschaftlicher Leiter des ESM und Professor für E-Business und E-Entrepreneurship an der Universität Duisburg-Essen, bestätigt: „Immerhin 73,7 Prozent der Start-ups arbeiten mit großen Unternehmen aus Mittelstand und Industrie zusammen.“

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