Familienunternehmen Messer „Ohne Goldman hätten wir uns nicht gerettet“

Stefan Messer wurde lange von der Konzernmutter Hoechst kleingehalten. Dann schlug seine große Stunde: Der Gründerenkel kaufte den Industriegase-Hersteller von Finanzinvestoren zurück. Jetzt macht Messer auch in Mode.

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Stefan Messer vor der Firmenzentrale in Bad Soden: „Ich habe gelernt, für das Unternehmen, das mein Vater mir anvertraut hat, zu kämpfen.“ Quelle: Bernd Roselieb für Handelsblatt

Bad Soden „JS“ steht in großen Lettern auf dem Verkaufstresen. Stefan Messer streift stolz durch die Auslage seiner kleinen Boutique. Das „S“ im Namen gehört ihm – die Mode ist seine neue Leidenschaft. Zusammen mit seiner thailändischen Partnerin hat Messer das Lädchen vor einem halben Jahr eröffnet und schwingt sich zum Designer auf. Wieder etwas, was man ihm nicht zugetraut hätte.

Messer ist Chef und Mitinhaber des gleichnamigen Familienunternehmens. Sein Geschäft: Industriegase. Nur wenige Meter entfernt von der Boutique steht die Zentrale der Messer Group im Herzen von Bad Soden im Taunus. Aus der beschaulichen Ortschaft bei Frankfurt führt der 59-Jährige die international erfolgreiche Firma, die weltweit in mehr als 30 Ländern vertreten ist. Gut eine Milliarde Euro Umsatz hat das Unternehmen im vergangenen Jahr gemacht.

Dass Stefan Messer es eines Tages mal mit den Branchenriesen Linde und Air Liquide aufnehmen würde, damit hätte bei Hoechst in den 1990er-Jahren keiner gerechnet. Die Manager hielten ihn klein, als das Unternehmen unter dem Namen Messer Griesheim noch zu zwei Dritteln dem ehemaligen Chemieriesen gehörte. Obwohl der Enkel des Firmengründers als Minderheitseigentümer mit am Tisch saß, hatte er kaum etwas zu sagen, nachdem sein Vater Hans sich aus der Unternehmensleitung zurückgezogen hatte.

„Es wurde versucht, die Familie rauszudrängen“, blickt Messer im Interview mit Handelsblatt Online (hier als Download im Kaufhaus der Weltwirtschaft) zurück. Hoechst wollte das Unternehmen mit Zukäufen für einen teuren Verkauf päppeln. Eine Expansion „auf Teufel komm raus“, nennt er das, was der damalige Messer-Griesheim-Chef Herbert Rudolf betrieb. „Es gab Jahre, da wurde das Finanzbudget um 100 oder 200 Millionen Mark überschritten“, sagt Messer. Die Verschuldung stieg bis auf die Höhe eines Jahresumsatzes. „Das hab ich alles mitbekommen, hatte aber nicht genug Einfluss, um das zu verhindern.“

Doch nach und nach kam Messer zu mehr Macht. „Ich habe gelernt, für das Unternehmen, das mein Vater mir anvertraut hat, zu kämpfen.“ Kurz vor dem Konkurs entließ der Hoechst-Aufsichtsrat schließlich Rudolf. 2001 kauften Goldman Sachs und Allianz Capital Partners dem Chemiekonzern die Anteile ab. Zusammen mit Messer begannen die neuen Mehrheitseigentümer mit den Aufräumarbeiten: Unternehmensteile wurden verkauft, 600 Millionen Euro Schulden abgebaut.


Finanzinvestoren mutierten zu „guten Heuschrecken“

Dann gelang dem schmächtigen Mann ein besonderer Coup: Stefan Messer zog die Kaufoption, die ihm die Investmentbanker von Goldman Sachs zugestanden hatten. Um den Kaufpreis aufzubringen, verkaufte er die drei größten Konzerngesellschaften in Deutschland, Großbritannien und den USA. „Das war schon eine schwere Entscheidung – besonders die Trennung vom Hauptmarkt Deutschland“, sagt Messer.

Doch es sollte die richtige sein. Aus Messer wurde wieder ein Familienunternehmen. Dass der Plan aufging, schreibt Messer vor allem Goldman Sachs zu: „Ohne Goldman hätten wir uns nicht gerettet“, sagt Messer. „Die waren sehr gut für uns.“ Finanzinvestoren, die oft nur auf Rendite aus sind, waren zu „guten Heuschrecken“ mutiert.

Nach der Schrumpfkur ist Messer mittlerweile wieder ein wachsendes Unternehmen. Selbst in Deutschland hat sich der Industriegase-Hersteller wieder etabliert – wenn auch nur mit geringen Marktanteilen. Stefan Messer warf eine schwere Krebserkrankung vor wenigen Jahren zwar zurück, doch wieder zeigte er sein Kämpferherz. Nach fast einem Jahr kehrte er zurück: „Die Firma und das Reisen, das hat mich viel schneller wieder auf die Beine gebracht, als mich auszuruhen und nichts zu tun.“

Mit seinem Unternehmen hat Messer noch viel vor – vor allem in China. Das Geschäft macht bereits jetzt gut ein Drittel des Umsatzes aus. Dann aber, wenn er einen guten Nachfolger gefunden hat, will sich der Familienunternehmer zurückziehen. Kandidaten gibt es schon: Sein Schwiegersohn fängt bald im Controlling an, Sohn Marcel läuft sich mit einer eigenen Firma warm.

Im Ruhestand könnte man Stefan Messer dann öfter in der Boutique nebenan, als in der Firmenzentrale finden. „Wir haben eine eigene Marke und haben Hemden, Blusen und Dirndl selbst kreiert“, sagt Messer. „Da kann ich mich natürlich mehr mit beschäftigen, wenn ich hier nicht mehr gebraucht werde.“

Das vollständige Interview mit Stefan Messer finden Sie als Download im Kaufhaus der Weltwirtschaft.

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