Fitness Sind Sie ein Tofi?

Tofis sind Menschen, die äußerlich schlank wirken, aber innerlich verfettet sind. Sie haben ein erhöhtes Gesundheitsrisiko. Ein neuartiges Gerät kann das in Sekunden ermitteln. Ein Selbsttest, der zu denken gibt.

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Zu viel Wasser im Körper, zu viel Fett, zu wenige Muskeln? Das Gerät gibt Auskunft in wenigen Sekunden. Quelle: Seca

Hamburg Dinks und Yuppies: klar. Aber wissen Sie, was ein Tofi ist? Gehören Sie womöglich zu dieser gefährdeten Spezies? Ein Tofi wirkt äußerlich dünn, ist aber im Innern fett („Thin Outside, Fat Inside“). Ein Tofi hat Normalgewicht oder sogar Untergewicht, doch der Körper besteht anteilsmäßig aus zu viel Fett und zu wenig Muskelmasse.

Zur Gruppe der Tofis gehören viele Berufstätige mit Schreibtischjobs. Sie sitzen im Schnitt elf Stunden am Tag, zeigt eine Studie der Deutschen Sporthochschule in Köln. Liefen die Deutschen Ende des 19. Jahrhunderts im Schnitt noch 15 Kilometer am Tag, so sind es heute gerade mal 500 Meter, schätzen Experten. „Tofis fahren oft mit dem Auto zur Arbeit und nehmen den Fahrstuhl statt der Treppe“, beobachtet Robert Vogel, der mit seinem Bruder Robert in vierter Generation die Firma Seca leitet. Das Familienunternehmen aus Hamburg ist Weltmarktführer für medizinische Waagen. Nun hat Seca ein innovatives Gerät entwickelt, das in Sekundenschnelle den Anteil von Muskeln, Fett und Wasser im Körper ermittelt. In aufwendigen Studien wurde damit erstmals der medizinische Goldstandard erreicht.

„Tofi-Frauen essen häufig wie die Kaninchen, viel Salat und Grünzeug, um schlank zu bleiben, bewegen sich aber kaum“, konstatiert Robert Vogel. Sie leben im Irrglauben, gesund zu sein. Schätzungsweise 14 Prozent der Männer und zwölf Prozent der Frauen zählen zu den Tofis. Das haben die britischen Ernährungswissenschaftler Louise Thomas und Gary Frost in einer Studie ermittelt. Tofis haben ein erhöhtes Risiko für Zivilisationskrankheiten wie Diabetes Typ II, Leberverfettung, Herzinfarkt und Schlaganfall.

Zum Vergleich: Mehr als jeder zweite Deutsche gilt als übergewichtig (BMI über 25). Aber ist der Gesundheitszustand von Übergewichtigen deshalb automatisch schlecht? Dicke haben oft sehr viel Muskelmasse, um ihr Körpergewicht zu tragen. Sumo-Ringer essen am Tag bis zu 5000 kcal und gelten mit einem BMI von durchschnittlich 56 als extrem adipös.

Jimmy Bell, Medizinprofessor am Londoner Imperial College, schob Sumo-Ringer in die MRT-Röhre. Da zeigte sich Erstaunliches: Das Fett liegt bei ihnen nicht in und um die Organe, was große Gesundheitsrisiken birgt, sondern vor allem direkt unter der Haut. Zudem hatten die Sumo-Ringer starke Muskeln und einen niedrigen Cholesterinspiegel, waren also gesund.

Ich wage den Selbsttest bei Seca in Hamburg. Das neue Gerät, der sogenannte Medical Body Composition Analyser (mBCA), ermöglicht erstmals eine sekundenschnelle Analyse im Stehen, wie Muskeln, Fett und Wasser im Körper verteilt sind. Ohne aufwendiges MRT. Es sieht aus wie ein Lauftrainer mit Geländer. Auch wenn ich mir nur die Socken ausziehen muss, fühle ich mich ein bisschen wie vor einem Nacktscanner – schließlich kommen nackte Tatsachen ans Licht. Insgeheim hege ich die Befürchtung: Gehöre ich etwa zu den Tofis?

Zuerst werde ich gemessen, dann gewogen. Mein Alter wird ebenso ins Gerät eingegeben wie Geschlecht und Ethnie. Kaukasierin – zur Wahl stehen noch Asiatin, Afrikanerin und Latina. Mein Body-Mass-Index wird errechnet. 19,9 klingt gesund - damit bin ich näher am Untergewicht als am Übergewicht. Dann muss ich mich mit blanken Füßen auf das Gerät stellen. Mit den Händen soll ich mich an Kontakten am Geländer festhalten und gleichmäßig weiteratmen. Währenddessen fließt etwa 17 Sekunden lang Strom durch meinen Körper. Alles ungefährlich. Ich spüre nicht einmal ein Kribbeln.


Der gläserne Mensch

Auf dem Bildschirm erscheint ein Längsschnitt meines Körpers, Muskeln und Fett sind farblich markiert. Zuerst die gute Nachricht: Der Fettanteil liegt für mein Alter im grünen Bereich. Mein Taillenumfang wird gemessen: kein Bauchfett, das als besonders ungesund gilt. Ich bin erleichtert.

Dann die weniger gute Nachricht: Mit meiner Muskelmasse hapert es. Lediglich das linke Sprungbein ist kräftig genug. Die Arme – viel zu schlapp. „Sie sind Rechtshänderin. Stimmt’s?“, fragt Frederik Vogel. Auch das kann das Gerät erkennen, denn an diesem Arm sind die Muskeln stärker ausgebildet. Dass mein Fitnesskurs und das Tennistraining zwei Monate Ferien hatten, gilt nicht als Entschuldigung. Etwa zwei Kilo Muskelmasse sollte ich noch aufbauen. Dann entspreche ich zumindest dem kaukasischen Soll.

Und noch eins entlarvt die Maschine: Ich habe viel zu wenig getrunken. Kein Wunder nach mehr als vier Stunden Zugfahrt und zwei langen Interviews am Stück. Etwa 1200 kcal müsste ich pro Tag zu mir nehmen, um mein Gewicht zu halten, wenn ich den ganzen Tag unbeweglich im Bett liege. Gilt das auch, wenn ich am Schreibtisch sitze? Vielleicht sollte ich mir einen Stehpult anschaffen? Oder statt mittags in der Kantine zu sitzen lieber mit einem Eiweißshake durch den Park laufen?

Doch insgesamt kann ich aufatmen – meine Vitalwerte sind in bester Ordnung. Die Messung des Zellwiderstands hat ergeben, dass meine Zellen vital und gesund sind. Die Vogels raten mir zu Training mit Gewichten, weniger zu Ausdauersport.

„Derartige Geräte werden in Zukunft im Leistungssport oder auch in Premium-Fitnessketten Standard sein“, meint Robert Marshall, stellvertretender Mannschaftsarzt des Bundesligisten HSV. „Beim HSV messen wir die Spieler regelmäßig mit dieser Technik aus.“ Die Analyse helfe, Patienten und Sportler zu motivieren. Außerdem objektivierten BIA-Waagen die körperliche Verfassung. Marshall: „Athleten können sagen, sie fühlen sich fit. Aber die Messung des Zellwiderstands zeigt etwas anderes.“ Über diesen Messwert ließen sich direkte Rückschlüsse gewinnen, wie Training, Trink- und Schlafgewohnheiten verändert werden müssten. „Damit haben wir die Hoffnung, in Zukunft durch rechtzeitige Veränderungen des Lebensstils Verletzungs- und Infektanfälligkeiten zu reduzieren“, sagt der Sportmediziner.

Seca-Co-Chef Robert Vogel jedenfalls ist nach der niederschmetternden Analyse seines Geräts zum Sportjunkie geworden. „Vorher war ich eher dicklich. Jetzt gehe ich jeden Morgen um sechs Uhr trainieren.“ Für seinen jüngeren Bruder Frederik ist das nichts: „Ich bin nun mal kein Frühaufsteher.“ Obwohl er sehr schlank ist, sind seine Vitalwerte eher mau. „Zu wenig Muskelmasse eben.“ Auch die meisten der 500 Seca-Mitarbeiter haben das neue Gerät getestet. Die Folge: „Seitdem wir die BIA-Waage haben, treiben unsere Leute viel mehr Sport.“

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