Followfood Wie sich ein Fischproduzent neu erfand

Seite 3/3

Breche die Regeln deiner Branche

Die Küche der Followfood-Zentrale gleicht einem gut sortierten Biosupermarkt. Hier Pasta, dort Soßenzutaten, wiederum woanders die eigenen Fischprodukte. „Wir sind schon Nahrungsfreaks“, sagt Knoll. „Wenn hier jemand seine Mittagsverpflegung in den Gemeinschaftskühlschrank legt, muss er damit rechnen, dass wir auf die Etiketten schauen und auch mal diskutieren, was dort enthalten ist.“

Der amerikanische Ökonom Clayton Christensen, der den Begriff Disruption prägte und irgendwann wohl auch inflationierte, sagt über disruptive Unternehmen, dass sie „Anforderungen des Kunden bedienen, die es so vorher nicht gab“. Und der deutsche Silicon-Valley-Pilgerer Christoph Keese sagt: „Der Disruptor optimiert die Vertragsbedingungen des neu entstandenen Geschäfts nicht für sich, sondern für die Kunden. Sie stehen im Mittelpunkt.“

Für Followfood ist der Kühlschrank im Büro der tägliche Beweis, dass sie vom Kunden aus denken. Hier probieren sie, hier denken sie sich in seinen Koch- und Essstil. „Wir wollen anbieten, was der Kunde wirklich will“, sagt Knoll. Was für eine Industrie, in der in den vergangenen Jahrzehnten eher die Kostendrück-Kreativität der Manager als die Konsumwünsche der Kunden den Ausschlag gaben, ungewöhnlich ist.

Nun ist die Ausrichtung am Kundenwunsch einerseits Marketing-Sprech. Andererseits lässt sich der Unterschied dann doch nachzeichnen. Selbst laut dem Verband der Ernährungsindustrie kaufen 27 Prozent der Deutschen nach Nachhaltigkeitskriterien. Aber kaum ein Massenanbieter denkt das zu Ende. Edeka etwa lancierte vor einiger Zeit auch einen handgeangelten Thunfisch. Laut Branchenkreisen stammt der sogar von Followfood. Allerdings lässt Edeka anders als die Friedrichshafener den Fisch nicht auf den Malediven verarbeiten, sondern verfrachtet ihn dafür nach Thailand. Spart zehn Cent pro Dose.

Oder die Sache mit den Zutaten: Wer einfach „bio“ anbieten will, darf dennoch so mancherlei Zusatzstoff in die Ware schmuggeln. Etwa Guarkernmehl. Knoll fand: Den Stoff braucht man nicht. Bis man einen Hersteller gefunden hatte, der das auch umsetzt, brauchte er Monate an Überzeugungsarbeit – und das entsprechende Kleingeld.

Nun ist es bei hauptberuflichen Disruptoren ja mitunter schwierig, zwischen Effekthascherei und Ergebnisorientierung zu unterscheiden. Und auch bei Followfood muss man sagen: Noch besser als Fisch können sie die Verkaufe. Da sitzt etwa in einem Spot, der sich auf YouTube größerer Beliebtheit erfreut, Johannes Oerding neben einem Musiker, der auf einer Okulele in Thunfischform zupft. Oerding schüttelt dazu eine zur Rassel umfunktionierte Thunfischdose und trällert „Einfach nur weg“. Und wie die Weltverbesserer aus dem Silicon Valley formuliert auch Knoll: „Wir träumen davon, dass wir eine der Marken sind, die der ganzen Biobewegung endgültig zum Durchbruch verhelfen.“ Getreu der Formel: Behaupte, du bist groß, dann wirst du groß.

Das funktioniert überraschend oft. Auch, weil gilt, was Christensen formuliert: „Wenn die Etablierten erkennen, welch Wachstumspotenzial die neuen Anbieter anzapfen, ist es meist zu spät.“ Laut Branchenkreisen stellt Followfood heute zehn Prozent des Tiefkühlfischs bei Rewe. Und fast alle großen Fischproduzenten haben heute einen Tracking-Code. Der Markt spielt nun nach Followfoods Regeln. „Hätte der Markt uns nicht nachgeahmt, wäre Followfish heute doppelt so groß. Das ist einerseits natürlich bedauerlich. Andererseits haben wir so viel mehr bewegt, als wir alleine geschafft hätten“, sagt Knoll. Und folgert daraus: Weil die Standards von einst als Alleinstellungsmerkmal nicht mehr reichen, geht der Wandel weiter. Gerade investiert er in Forschung außerhalb des Kerngeschäfts. So haben sie eine Verpackung in Auftrag gegeben, die mit weniger Kunststoff auskommt. Zudem soll Followfood eine richtige Biomarke werden mit mehr als nur Fisch im Angebot.

Irgendwie gleicht Knoll da den Malediven-Männern: erst den Köder werfen – dann abräumen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%