Gegen alle Widerstände Wie deutsche Mittelständler Myanmar aufbauen

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Notstrom für Mobilfunker

Die Erstellung einer Web-Site kostet in Singapur 25.000 Dollar, in Yangon nur 3000. Viele Agenturen in Singapur und Kalifornien geben deswegen Aufträge an Revotech weiter. „Ich habe dreimal mehr Anfragen, als ich annehmen kann“, sagt Kyaw.

Die Auslandserfahrung sei der entscheidende Faktor für seinen Erfolg gewesen, sagt er: „Ich habe dort Kontakte gesammelt und die Businesskultur verstanden.“ Bleiben will er aber in Yangon: „In Singapur oder London ist nicht mehr viel Platz. Hier aber gibt es so viele Möglichkeiten.“

„Das Gehirn“ nennt Verena Baumeister die Box. Der Energy Manager, den sie als Projektleiterin des Berliner Unternehmens Heliocentris verkauft, ist etwa so groß wie ein DVD-Player, vorn sind ein paar Knöpfe, hinten Kabelzugänge. Es wird später in ein Kästchen im Mobilfunkmast montiert und regelt dessen Stromversorgung.

Myanmar ist eines der wenigen Länder ohne flächendeckendes Handynetz. Bis vor einem Jahr kosteten SIM-Karten 2000 Dollar. Im April 2014 öffnete die Regierung den Markt. Telenor aus Norwegen und Ooredoo aus Katar begannen, ein Mobilfunknetz aufzubauen. Die Preise für SIM-Karten stürzten schlagartig auf 1,50 Dollar. Millionen von Burmesen telefonieren seitdem und surfen im Internet. Ein Mobilfunknetzwerk benötigt Sendemasten mit Antennen, und die brauchen Energie. „Besonders im Sommer wird es schlimm, wenn fast täglich der Strom ausfällt“, sagt Baumeister.

Mit dem Energy Manager ist es möglich, die Masten in Echtzeit zu überwachen. Ein Computerbildschirm in der Steuerzentrale in Yangon zeigt an, welcher der 600 Masten über das reguläre Netz mit Strom versorgt wird. Treten Probleme auf, verständigen die Deutschen einen ihrer Vertragspartner. Der schickt Mitarbeiter zu dem betroffenen Sendemast, um ihn wieder ans Netz anzuschließen. In der Zwischenzeit sichert ein Notstromsystem aus Dieselgenerator, Batterie oder Solar-Hybridsystem den Betrieb.

„Keiner unserer Wettbewerber verfügt über ein solch zuverlässig funktionierendes System“, sagt Baumeister, die nur für drei Monate kommen wollte und nunmehr seit fast einem Jahr in Myanmar arbeitet.

„Die größte Herausforderung ist die fehlende Infrastruktur“, sagt Heliocentris-Vertriebschef Jens Fiedler. Abseits von Yangon und Mandalay sind die Straßen in schlechtem Zustand, die Masten zum Teil schwer zugänglich. 200 Kilometer Autofahrt dauern schon mal zehn Stunden. Für Heliocentris ist der Auftrag der beiden auf den Betrieb von Mobilfunkmasten spezialisierten myanmarischen Unternehmen Apollo Towers und Irrawaddy Green Tower der bisher wichtigste: Rund die Hälfte des Umsatzes von 19 Millionen Euro kamen 2014 aus dem asiatischen Land.

Essen ohne Reue

Im Rangoon Tea House schaufeln Ventilatoren heiße Luft umher. Touristen, Expats und Burmesen aus der neuen Mittelschicht sitzen hier und bestellen Teeblättersalat, Kokosnusswasser und Currys. Zwar gibt es seit der Öffnung ein paar ausländische Restaurants in Yangon. Doch wer traditionell burmesisch essen will, muss in die Teehäuser – laute Hallen mit Plastikstühlen, in denen Essenszutaten oft ungekühlt herumliegen. Das Rangoon Tea House ist das erste, das traditionelle Küche auf internationalem Standard anbietet.

Gründer Htet Myet Oo trägt einen Longyi, den traditionellen Männerrock der Burmesen, dazu eine modische Nerdbrille. Nach der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste Ende der Achtzigerjahre flüchteten seine Eltern, von Beruf Ärzte, wie viele Intellektuelle nach Großbritannien. Da war Oo vier Jahre alt. „Wir konnten es uns nur alle zwei Jahre leisten, unsere Verwandten in Yangon zu besuchen“, sagt der 25-Jährige. „Aber ich liebte die ruhige Atmosphäre dort.“ Nach dem Wirtschaftsstudium beschloss Oo, in sein Vaterland zurückzukehren und ein Restaurant zu eröffnen.

Oo, seine Freundin und zwei stille Teilhaber legten dafür 150.000 Dollar zusammen. Einen Kredit aufzunehmen, sagt er, wäre verrückt gewesen: „Das Bankwesen in Myanmar ist noch völlig dysfunktional. Die Zinsen liegen bei 50 Prozent pro Jahr.“

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