Gesundheitsmanagement Mittelständler entdecken Sauna und Muckibude

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Gesenkte Krankenrate

Gründe, etwas für die Gesundheit zu tun, gibt es genug. Denn deutsche Arbeitnehmer fehlen immer häufiger im Job, weil sie krank sind. Im Durchschnitt waren Angestellte nach den Statistiken der Betriebskrankenkassen in Deutschland im vergangenen Jahr 16 Tage krankgeschrieben – vier Tage mehr als 2006. Die Techniker Krankenkasse kommt zu ähnlichen Ergebnissen: Im Vergleich zu 2010 sind die Fehlzeiten der Mitglieder dort um vier Prozent gestiegen.

Dabei ließe sich die Krankenrate der Belegschaft mit vergleichsweise geringen Investitionen spürbar senken. Die Unternehmensberatung Mercer in Frankfurt kam in einer Untersuchung zu dem Schluss, dass die Angestellten in Firmen mit einem aktiven Gesundheitsmanagement im Durchschnitt 26 Prozent weniger häufig fehlen als ihre Kollegen in Firmen, die auf solche Vorsorge verzichten. Jeder investierte Euro für Rückengymnastik, Raucherentwöhnung oder gesunde Ernährung bringt den Unternehmen nach den Berechnung der Mercer-Berater an anderer Stelle Ersparnisse von mindestens drei, teilweise sogar bis zu zehn Euro, etwa weil sie weniger Mittel für ihre Krankenversicherungen oder die Beschäftigung von Aushilfskräften ausgeben müssen.

Bundesweit summieren sich die Kosten, die in den deutschen Unternehmen durch weitgehend vermeidbare Krankheiten wie Depressionen, Asthma, Bluthochdruck oder Rheuma bei Arbeitern und Angestellten in diesem Jahr anfallen werden, auf mindestens 20 Milliarden Euro. Das ist das Ergebnis einer Meta-Studie der Bertelsmann Stiftung und der Strategieberatung Booz & Company.

Und das ist erst der Anfang: Wenn nichts geschieht, werden die Kosten für die deutschen Betriebe in den kommenden Jahren explodieren, weil das Durchschnittsalter – und damit auch die Krankheitsanfälligkeit der Arbeitnehmer – steigt.

Die größten Kalorienbomben
ColaDie Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt vor den Folgen übermäßigen Zuckerkonsums und empfiehlt etwa für einen gesunden Erwachsenen, die tägliche Zufuhr auf rund 25 Gramm zu beschränken. In einer 330 Milliliter Flasche Cola stecken immerhin neun Teelöffel Zucker, was in etwa 36 Gramm entspricht - das Limit wäre mit einer kleinen Flasche Coca-Cola also schon gesprengt. Ein Blick auf weitere Kalorienbomben: Quelle: REUTERS
Ketchupflaschen Quelle: dpa
Wurst Quelle: dpa
Gummibärchen Quelle: dpa/dpaweb
Gläser mit Saft Quelle: obs
Milch in einem Glas Quelle: dpa
Ein gefangener Fisch Quelle: dapd

Im Betriebsalltag der meisten Mittelständler sind diese Erkenntnisse derzeit freilich noch nicht angekommen. Häufig scheitert die Einführung von Gesundheitsprojekten dort an der Einstellung des Chefs. „Gesundheitsmanagement ist kein Selbstläufer“, sagt Bernhard Badura von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld. Klare Vorschriften und die Ernennung eines Gesundheitsbeauftragten allein reichen nicht. „Wenn der Chef die tägliche Rückengymnastik für überflüssig hält und nur milde belächelt, werden auch die Mitarbeiter nur halbherzig dabei sein“, sagt Badura, der zahlreiche Gesundheitsprojekte in mittelständischen Unternehmen wissenschaftlich begleitet hat.

Niederegger-Personalchef Puschaddel hat inzwischen Phase zwei seines Gesundheitsplans eingeläutet: die Einbeziehung der Mitarbeiter in der Verwaltung. „Deshalb haben wir nach Rückenübungen gesucht, die man am Schreibtisch machen kann“, erzählt Puschaddel. Seitdem bekommen die Schreibtischarbeiter jeden Morgen von ihrem virtuellen Rückentrainer eine Erinnerungsmail: „Bitte wählen Sie Ihren heutigen Übungsbereich!“ Wer dann auf den Button für Schulter-Nacken-Übungen klickt, landet direkt im Trainingsprogramm. Jede der Einheiten dauert maximal fünf Minuten und umfasst drei Übungen.

Der virtuelle Vorturner begleitet die Niederegger-Belegschaft durch den Tag. Nachmittags erinnert er an die zweite, ebenfalls fünf Minuten lange Bewegungspause, einmal pro Woche kommt eine Mail mit allgemeinen Informationen über die Rückengesundheit. Ist das in der bezahlten Arbeitszeit drin? Der Zeitaufwand ist gering, die Wirkung groß. „Wir haben inzwischen deutlich weniger Klagen über Rückenschmerzen“, sagt Personalchef Puschaddel. Und im Vergleich zu anderen Unternehmen ist die Belegschaft überaus fit – trotz des relativ hohen Durchschnittsalters von 47 Jahren. Das ergaben Untersuchungen der Fachhochschule Lübeck mit den Krankenkassen Barmer GEK und AOK, die das Projekt fachlich begleiteten.

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