Gipfel der Weltmarktführer Klartext in Schwäbisch Hall

Ob Digitalisierung, Russland-Sanktionen oder Flüchtlinge: Am ersten Tag des Treffens der deutschen Top-Mittelständler in Schwäbisch Hall waren offene Worte Trumpf.

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Die Highlights aus Schwäbisch Hall
v. l. n. r. Christian Wulff, Reinhold Würth, Miriam Meckel, Walter Döring Quelle: Armin Höhner für WirtschaftsWoche
Walter Döring Quelle: Armin Höhner für WirtschaftsWoche
Miriam Meckel Quelle: Armin Höhner für WirtschaftsWoche
Carl-Heiner Schmid Quelle: Armin Höhner für WirtschaftsWoche
Reinhold Würth, Christian Wulff, Miriam Meckel, Walter Döring Quelle: Armin Höhner für WirtschaftsWoche
Ping Bu Loke Quelle: Armin Höhner für WirtschaftsWoche
Gunter Kegel Quelle: Armin Höhner für WirtschaftsWoche

Wenn Annette Winkler ihren Smart preist, dann ist sie kaum zu bremsen. Müllmänner, die sie in ihrem Modell mit stilisierten Flügeln auf der Nebenfahrbahn sähen, seien ihre Freunde. "Flieg doch los!" würden sie ihr von oben aus dem Müllauto zurufen.

Der Smart, viele Jahre ein Milliardenverlustbringer, ist für den Mutterkonzern Daimler zum Lackmustest geworden, ob die Schwaben aus einem Auto ein Sinnbild für die Digitalisierung der Fahrzeugbranche machen können. Und wie sie das vorhat, gab Unternehmenschefin Winkler (Beiname: "die ständig aufgeladene Batterie") in Dauerbewegung vor den Teilnehmern des Weltmarktführerkongresses in Schwäbisch Hall zum Besten.

Das sind Deutschlands erfolgreichste Mittelständler
Platz 20: Schöck AGUmsatz im Geschäftsjahr 2013/2014: 119,0 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2010 bis 2014: 14,1 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2010 bis 2014: 13,3 Prozentdurchschnittliches Ertragswachstum von 2010 bis 2014: 33,1 ProzentDie Unternehmensberatung Munich Strategy Group (MSG) hat die Mittelständler mit dem größten Wachstum bei Umsatz und Erträgen in den letzten fünf Jahren gekürt. Die Top 20 eröffnet die Schöck Aktiengesellschaft aus Baden-Baden, einem Spezialisten für Fertigbauteile zur Wärme- und Lärmdämmung für Tritte.Quelle: Munich Strategy Group: "TOP 100 Ranking des Mittelstands 2015 - Deutschlands Wachstums-und Ertragsstars" Für ihr jährliches Unternehmensranking hat die Unternehmensberatung MGS rund 3.500 Mittelständler mit Umsätzen von 15 bis 600 Millionen Euro analysiert, um daraus die wachstums- und ertragsstärksten Unternehmen herauszufiltern.Das Ranking ergibt sich aus einem Score, der sich aus durchschnittlicher Ertragsquote, durchschnittlichem Ertragswachstum und durchschnittlichem Umsatzwachstum im Zeitraum 2010 bis 2014 ergibt. Ertragsquote und -wachstum fließen mit je 25 Prozent in den Gesamtscore ein, das Umsatzwachstum wird mit 50 Prozent gewichtet. Quelle: Presse
Platz 19: HeinzmannUmsatz im Geschäftsjahr 2013/2014: 72,8 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2010 bis 2014: 16,1 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2010 bis 2014: 10,8 Prozentdurchschnittliches Ertragswachstum von 2010 bis 2014: 36,1 ProzentHeinzmann baut, entwickelt und betreut Verbrennungsmotoren, Generatoren und Turbinen, die etwa in Lokomotiven und Schiffen eingesetzt werden.  Quelle: Screenshot
Platz 18: Vemag Maschinenbau GmbHUmsatz im Geschäftsjahr 2013/2014: 86,5 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2010 bis 2014: 15,2 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2010 bis 2014: 12,6 Prozentdurchschnittliches Ertragswachstum von 2010 bis 2014: 33,1 ProzentDie Vemag Maschinenbau GmbH stellt Maschinen und Geräte für die Nahrungsmittelindustrie her. Dazu zählen Würstchenfüller und Teigportionierer. Einen Schwerpunkt bildet hier die Entwicklung eines Convenience Systems, das dem Anwender ein flexibles System zum Portionieren und Formen von Produkten bietet. Quelle: Presse
Platz 17: Wenglor Sensoric GmbHUmsatz im Geschäftsjahr 2013/2014: 55,9 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2010 bis 2014: 15,8 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2010 bis 2014: 12,6 Prozentdurchschnittliches Ertragswachstum von 2010 bis 2014: 43,9 ProzentWenglor entwickelt, produziert und vertreibt seit 30 Jahren Produkte zur berührungslosen Objekterkennung. Das Produktspektrum umfasst Sensoren, Bildverarbeitungsprodukten, Barcode-Scanner und Sicherheitstechnik. Zu den Kunden zählen kleine und mittelständische Unternehmen wie auch internationale Industriekonzerne. Quelle: Presse
Platz 16: DeloUmsatz im Geschäftsjahr 2013/2014: 57,9 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2010 bis 2014: 20,0 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2010 bis 2014: 15,4 Prozentdurchschnittliches Ertragswachstum von 2010 bis 2014: 21,7 ProzentDas Unternehmen aus Windach bei München ist mit Spezialklebstoffen erfolgreich. So hat Delo etwa ein Verfahren entwickelt, um RFID-Chips zu verkleben. Die elektrischen Signale werden dabei zuverlässig weitergeleitet. Quelle: Presse
Platz 15: HAZET-WERKUmsatz im Geschäftsjahr 2013/2014: 79,0 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2010 bis 2014: 12,8 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2010 bis 2014: 13,0 Prozentdurchschnittliches Ertragswachstum von 2010 bis 2014: 178,6 ProzentDie Hazet-Werk Hermann Zerver GmbH & Co. KG ist ein deutscher Werkzeughersteller mit Sitz in Remscheid. Der Markenname Hazet steht verkürzt für die Anfangsbuchstaben Ha und Zett des Namens des Gründers Hermann Zerver.
Platz 14: Getriebebau NordUmsatz im Geschäftsjahr 2013/2014: 460,0 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2010 bis 2014: 15,4 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2010 bis 2014: 11,6 Prozentdurchschnittliches Ertragswachstum von 2010 bis 2014: 80,2 ProzentDie Getriebebau Nord ist einer der größten Getriebemotoren-Hersteller der Welt. Das Unternehmen ist international für seine mechanische und elektronische Antriebstechnik bekannt. Quelle: Presse

Geht es nach der 56-jährigen Managerin, ist der 2,69 Meter lange Winzling auf dem Weg zum Digi-Wunder auf vier Rädern. Fahrer können per Handy eine freie Parknische fotografieren und sie anderen Smart-Fahrern in der Nähe per App schicken. "Premium plus Digitales, das ist das Geschäft der Zukunft", so Smart-Chefin Winkler, die von ihren neuen Modellen 2015 rund 120.000 Exemplare verkaufte, fast 75 Prozent mehr als von den alten 2014.

Er ist der Ort der klaren Botschaften, der Weltmarktführergipfel in Schwäbisch Hall, den die WirtschaftsWoche mitveranstaltet, egal um welches der großen aktuellen Themen es ging. Das zeigte der erste Tag. Lothar Kriszun verweigerte sich dem Chor der Russland-Skeptiker. Für den Chef des Mähdrescher-Herstellers Claas im westfälischen Hasewinkel bleibt Russland ein wichtiger Zukunftsmarkt. Das Familienunternehmen aus der deutschen Provinz steckte 120 Millionen Euro in ein neues Werk in Russland, die größte Investition in der Firmengeschichte. Die Fabrik ging im vergangenen Oktober in Betrieb. "Wir sind sicher, dass sich die Investition auszahlen wird", sagt Kriszun.

Zwar sei der Markt zur Zeit schwierig, vor allem wegen des schwachen Rubels, der die Einfuhr wichtiger Komponenten aus dem Westen verteuere. Trotzdem, so Kriszun, habe sich Claas mit dem Werk "den Freiraum geschaffen, in dem größten Markt Europas künftig erfolgreich zu sein".

Gleichwohl ist Kriszun sicher, dass Russland ein interessanter Markt für deutsche Mittelständler ist. "So etwas wie Mittelstand gibt es in Russland nicht", sagt er. In der Industriepartnerschaft, die Deutschland anstrebe, sei "Russland für Mittelständler langfristig ein gutes Feld". Die besten Chancen hätten Unternehmen, die Technologie zu bieten hätten. "Russland braucht sehr viel Technologie", so Kriszun. Allerdings müssten Mittelständler sich sorgfältig mit den steuerlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen vertraut machen, um keine Bruchlandung zu erleben.

"Es muss am Ort investiert werden"

Der Claas-Chef glaubt nicht, dass die Sanktionen der Nato- und EU-Staaten bald enden. "Wir sind überzeugt, dass das nicht schnell vorbei sein wird", sagt Kriszun. "Ich denke, dass drei bis fünf Jahre der Zeithorizont ist, mit dem man kalkulieren muss, bis sich das wieder voll normalisiert."

Durch Martin Richenhagen wurde die Flüchtlingskrise zum Thema des Weltmarktführergipfels. Ausgehend von einer Verdopplung der Bevölkerung in den nächsten Jahrzehnten in Afrika sei mit einem weiteren Ansturm von Migranten zu rechnen, wenn sich die Lebensbedingungen auf den Kontinent nicht grundlegend verbesserten. "Es muss am Ort investiert werden, damit die Menschen sich erst gar nicht auf den Weg machen."

Die Top 10 der Weltmarktführer im deutschen Mittelstand

Richenhagen ist Chef des US-Landmaschinenherstellers Agco, dem in Deutschland der Traktorbauer Fendt gehört. Deshalb sieht er in der Entwicklung Afrikas auch "eine Aufgabe der Unternehmen", vor allem der Landmaschinenhersteller.

Doch wie daraus ein profitables Geschäft machen? Fotos schwarzer Kleinbauern vor einem Massey-Ferguson-Traktor aus dem Hause Agco sind hübsch anzusehen. Aber woher soll der Besitzer von ein, zwei Hektar Land das Geld dafür haben, zumal er den Trecker überhaupt nicht wirtschaftlich einsetzen kann?

Der studierte Theologe aus Deutschland bedient sich dazu profaner Strategien, die in der Landwirtschaft seit vielen Jahrzehnten bekannt sind. So versucht Agco, den Absatz in Afrika zu steigern, indem das Unternehmen die Bildung von Genossenschaften fördert. Das heißt, Kleinbauern tun sich zusammen, um gemeinsam einen Traktor oder eine Feldbearbeitungsmaschine zu erwerben.

Eine weitere Form der Kooperation sind sogenannte Maschinenringe, die von Bauern gegründet werden, um die teuren Geräte an die Mitglieder zu verleihen. "Oder wir vermieten unsere Maschinen an die Bauern", sagt Agco-Chef Richenhagen.

Die Strategie lässt sich inzwischen auch deutlich an den Geschäftszahlen ablesen. Denn um den Absatz in Regionen wie Afrika zu steigern, verkauft Agco einen erklecklichen Teil der Maschinen auf Pump. Dazu arbeitet Konzernchef Richenhagen mit der niederländischen genossenschaftlichen Rabo-Bank zusammen, die analog zur deutschen Raffeisenbank Landwirten mitgehört. "20 Prozent unseres Geschäfts ist kreditfinanziert", sagt Agco-Chef Richenhagen.

Flüchtlinge, Digitalisierung, Russland-Sanktionen - alles Probleme, denen sich gerade Mittelständler, wenn sie nach der Weltmarktführerschaft streben, stellen müssen.

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