Gipfeltreffen der Weltmarktführer Blitze aus der Düse

Ein ehemaliges Start-up aus Steinhagen bei Bielefeld schickt sich an, weite Teile der industriellen Fertigung zu revolutionieren - und erhält dafür die Auszeichnung Champion der Zukunft.

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Joachim Kaltmaier (links) überreicht den Würth Future Champions Award 2015 an Christian Buske. Quelle: Steffen Burger

Der Jalousienhersteller Griesser in Aadorf im Schweizer Kanton Thurgau ist kaum wiederzuerkennen. Die 60 Meter lange Anlage, die bisher üble Chemikalienbrühen reinigte, ist verschwunden. An die Stelle der Waschanlage, die jeden Monat 800 Tonnen Abfall absonderte, ist eine zwei Meter lange Anlage mit 48 Düsen getreten. In jeder dieser Düsen zucken unablässig bis zu fünf Zentimeter lange Blitze, die die Luft elektrisch aufladen. Sodann blasen die Düsen die Luft auf Aluminiumlamellen von Jalousien. Dadurch verändert sich deren Oberfläche so, dass sie ohne chemische Reinigung beschichtet werden können.

Die Düsen mit dem Blitzgewitter im Innern stammen von der Firma Plasmatreat in Steinhagen bei Bielefeld und könnten die Oberflächenbehandlung in der Industrie von Grund auf verändern. "Wir wollen, dass daraus einmal ein Industriestandard wird", sagt Christian Buske, der das Unternehmen 1995 zusammen mit einem Partner gründete. Statt Bleche, Flaschen oder Leiterplatten chemisch oder mechanisch zu behandeln, könnten Buskes Düsen mit ionisierter Luft das Material künftig so vorbehandeln, dass es Beschichtungen oder Klebstoffe viel besser aufnimmt als bisher.

Die neue Technologie im Grenzbereich zwischen Naturgewalt und Technik hat eine Jury um den Unternehmensberater Bernd Venohr und WirtschaftsWoche-Chefredakteurin Miriam Meckel so überzeugt, dass sie Firmengründer Buske im Rahmen des diesjährigen Gipfeltreffens der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall den Würth Future Champions Award 2015 verliehen. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und wird von dem Montagetechnik-Riesen Würth im benachbarten Künzelsau vergeben.



Gerade 20 Jahr alt, ist das westfälische Unternehmen mit seiner sogenannten Plasma-Oberflächenbehandlung nach eigenen Angaben schon jetzt der führende Anbieter auf diesem Gebiet weltweit. Plasmatreat setzt mit 175 Mitarbeitern bereits knapp 30 Millionen Euro um und schaffte zuletzt eine Umsatzrendite von elf Prozent vor Zinsen und Steuern. Gründer Buske ist zuversichtlich, den Umsatz in überschaubarer Zeit glatt verzehnfachen zu können.

Zwölf Prozent der Einnahmen fließen in Forschung und Entwicklung, die Hälfte der Mitarbeiter besteht aus Ingenieuren und Naturwissenschaftlern. Den großen Zuwachs verspricht sich Buske von Vertriebsstützpunkten in gegenwärtig elf Ländern auf drei Kontinenten.

Den Optimismus verdankt der Plasmatreat-Chef den zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten seiner Anlagen. Die bestehen aus einem Generator, der weniger als eine Tausendstelsekunde lange Blitze erzeugt, sowie aus den Düsen, die die elektrisierte Luft auf die Oberflächen pusten.

Je nach Grad der Ionisierung lassen sich mit der elektrisch aufgeladenen Luft Leiterplatten behandeln, Autogetriebe dichter als bisher produzieren, Fläschchen für Medikamente sterilisieren oder Tanks von innen perfekt reinigen.

Um das Wachstum zu steigern, hat Gründer Buske sein Unternehmen in vier Geschäftsbereiche aufgeteilt: Autoindustrie, Elektronik, Verpackungen und Medizin. Bevor er die Firma gründete, war die Plasmatechnik ein hochkompliziertes Verfahren, das nur in abgeschlossenen Kammern in vakuumähnlicher Atmosphäre funktionierte. Buske gelang es, die Technologie so weiterzuentwickeln, dass sie sich in bestehende Fertigungslinien einbauen lässt. Sein Knowhow liegt darin, das richtige Maß an Ionisierung zu finden, um das gewünschte Ergebnis bei den zu behandelnden Teilen zu erreichen.

Dabei sieht sich der Gründer am Anfang einer aussichtsreichen Entwicklung. "Ich möchte", sagt er, "dass jeder Student lernt, dass man mit der Plasmatechnologie ganz neue Materialien zusammenbekommen kann."

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