Grohe-Chef Michael Rauterkus „Ein WC darf kein Luxusprodukt sein“

Wer heute ein Bad baut, investiert mehr denn je. Die Kosten für Regendusche und Lichtinstallationen erreichen mühelos Sportwagenniveau. Im Interview spricht Grohe-Chef Michael Rauterkus über die Technik der Zukunft.

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„Ein Treiber für unser Geschäft kommt aus der Ecke des nachhaltigen Bauens.“ Quelle: dpa

Düsseldorf Keramik mit Lotuseffekt, eine kommunizierende Toilette mit Warmluftföhn und App, gigantische Regenduschen mit WLAN-Zugang und eine umfassende Auswahl schicker Armaturen sorgen dafür, dass die Nasszelle von einst zum Prunkstück des ganzen Hauses wird. Was sind aktuelle Trends im Badezimmer? Und welche Rolle spielen Gesellschaftstrends wie Energiesparen und Ressourcenschonung für Grohe? Darüber sprechen wir mit dem Grohe-Chef Michael Rauterkus (50), der sein Zuhause das geheime Testlabor der sauerländischen Firma nennt und dafür auch mal einen Wasserrohrbruch im Keller simuliert.

Die Deutschen investieren immer mehr in ihr Bad. Laut Prognosen ist der Umsatz der Badausstatter auf 24,5 Milliarden Euro gestiegen. Davon profitiert auch ihr Unternehmen. Warum setzen die Deutschen auf Luxus-Badezimmer?
In den 70ern war die Standard-Ausführung eine Nasszelle oder ein Badezimmer und maximal noch eine kleine Gästetoilette. Heute haben Sie selbst in Wohnungen mindestens zwei Badezimmer, die auch gut ausgestattet sind.

Woher kommt dieser Wandel?
Früher wurde kräftig in das, was nach außen sichtbar ist, investiert. In das Auto, das Wohnzimmer und dann kam die Küche. Früher war die geschlossen und einfach nur ein Arbeitsraum, den man als Gast nicht zu Gesicht bekommen durfte. Dann wurde sie geöffnet, modernisiert, teure Geräte wurden angeschafft und plötzlich ist sie ein Statussymbol geworden und etwas, das man gerne zeigt.

Aber die Toilettentür bleibt zu...
Beim Badezimmer ist es ein bisschen anders. Es ist am Ende noch der letzte Raum, in dem ich mich wirklich alleine aufhalten kann. Wir nennen das bei Grohe auch nicht mehr „Spa“, sondern den „Me-Room“. Es gibt bestimmte Produkte, die man nur für sich selbst kauft, eine Investition im Badezimmer ist genau so etwas. Aber natürlich ist heute auch die Gäste-Toilette zu einem Aushängeschild geworden. Kein Mensch kann mehr ein tolles Haus mit einer drittklassigen Gäste-WC haben. Insofern hilft uns diese Entwicklung.

Dann ist die Küche der „We-Room“?
(lacht) Richtig, da trifft man sich gerne. Früher wurde das Essen einfach nur heraustransportiert und es durfte bloß keiner in die Küche. Heute sitzen Sie dort bei einem Glas Wein mit ihren Freunden zusammen und es ist ein wunderbares Erlebnis. Das Badezimmer ist hingegen der letzte Rückzugsraum, den Sie im Haus haben. Dass dort nun mehr investiert wird, liegt weniger daran, dass die Leute sich ein bisschen Spa aus dem Urlaub nach Hause holen wollen. Sie wollen mehr. Wollen relaxen, morgens nach dem Aufwachen Musik beim Duschen hören und mit Licht und Sound alle ihre Sinne ansprechen lassen. Die Menschen haben gemerkt, dass ihnen das guttut.

Eines Ihrer Produkte ist die Shower-Toilette. Wofür brauchen wir die?
500 Jahre lang haben wir eine Keramik-Toilette mit Wasserspülung benutzt, die schon seit Queen Victoria existiert. Bis heute hat sich hier nichts daran geändert, während die Japaner schon vor 50 Jahren die Shower-Toilette aus der Schweiz übernommen und perfektioniert haben.

Die Europäer finden das Dusch-WC einfach komisch…
Ich habe an mir selbst festgestellt, dass ich einfach das protzige Design nicht mochte. Diese WCs waren riesengroße Throne und gerade die Frauen, die eher Wert auf das Design im Badezimmer legen, sagten, das kommt ihnen auf gar keinen Fall ins Haus. Auch die Technologie war aus meiner Sicht viel zu überfrachtet. Wenn so ein Ding 50 Knöpfe hat und Geräusche macht und Dudelmusik im Hintergrund spielt, das braucht kein Mensch. Außerdem waren die Produkte mit 4.000 bis 5.000 Euro noch viel zu teuer. Bei zwei bis drei Badezimmern, die man heutzutage im Haus hat, ist das schon eine extreme Investition. Ein WC darf kein Luxusprodukt sein. Deswegen bieten wir es nun zur Hälfte des Preises an.

2.500 Euro sind immer noch eine Hausnummer....
Aber dafür bekommen Sie die erste Shower-Toilette, die nicht aussieht wie eine. Wenn Sie es zum ersten Mal benutzen, haben Sie vielleicht etwas Angst davor, weil Sie nicht wissen, was das Teil eigentlich macht.

Wie wollen Sie die Menschen davon überzeugen, kein Toilettenpapier mehr zu benutzen?
Indem sie es dort testen können, wo sie den Hygienestandards zu 100 Prozent vertrauen. Das ist beispielsweise im Hotel der Fall. Oder im Bekanntenkreis. Wir arbeiten ja auch mit den Hotels in der Region zusammen. Wenn wir Kunden oder Händler haben, die sagen, sie hätten ein Dusch-WC noch nie probiert, dann können Sie rüber ins Hyatt-Hotel in Düsseldorf gehen und es testen.

Ob WC oder Wasserhahn von Grohe sind oder von der Konkurrenz, das ist dem Endverbraucher doch egal…
Wir machen viele Dinge, die man nicht sofort sieht. Das zu kommunizieren ist sicherlich eine der größten Herausforderungen, die wir haben. Ein Beispiel: Wenn Sie zu Hause an Ihrer Armatur den Wasserhahn bedienen, kommt Mischwasser raus, also kalt und warm. Das ist für die Umwelt eine Katastrophe. Sie wollen ja nicht bewusst Mischwasser haben. Wir stellen nun Kartuschen her, die in dieser mittleren Stellung nur Kaltwasser produzieren und erst ganz am Ende der Range kommt wirklich heißes Wasser. Das Thema hat eine gigantische Größenordnung. Von dieser Armatur hier werden Millionen im Jahr verkauft. Das ist der Volks-Wasserhahn, die mit Abstand bestgehende Armatur weltweit. Denn jedes Grad über 20 Grad kann die Stromrechnung um zehn Prozent erhöhen.

Spielt das für den Endkunden eine Rolle?
Noch stärker als beim Endverbraucher spielt das Thema eine Rolle im Projektgeschäft, das bei uns 40 bis 50 Prozent ausmacht. Also die Ausrüstung großer Appartementhäuser oder Hotels. Das ist unser Kerngeschäft und eher ein Premium-Business. Es gibt beispielsweise Hotel-Gruppen, die den Wasserverbrauch pro Kunde pro Nacht um zehn Prozent pro Jahr senken wollen. Da haben wir mit solchen Technologien einen enormen Vorteil. Als Kunde sparen Sie vielleicht noch nicht mal Wasser, wohl aber Energie. Ob Gas oder Öl: 50 Prozent des Energieverbrauchs im Haus ist Wärmeenergie, die für die Aufbereitung von Wasser erzeugt wird. Das ist extrem viel.

Wo spielt Nachhaltigkeit noch eine Rolle?
Beispiel Thermostat-Technologien: In vielen Teilen der Welt gibt es immer noch eine Mixtur aus Kalt- und Warmwasser, wie verrückt ist das? In deutschen Duschen haben sie jetzt ein Thermostat und in 0,2 Sekunden die richtige Temperatur. In sehr vielen anderen Ländern müssen aber erst wild hantieren, bis es passt und dabei gehen Unmengen Wasser verloren. Nach dem Duschen stellen Sie das Wasser ab und beim nächsten Mal fangen Sie wieder von vorne an… Es gibt Märkte, beispielsweise UK, wo das immer noch der Standard ist.

Ist Deutschland denn da besonders weit?
Hier bekommen Sie gar nichts andres mehr eingebaut. Aber noch schlimmer als in UK ist es in Amerika. Dort hinkt die Thermostat-Technologie zehn bis 20 Jahre hinterher. Sie können zwar die Temperatur regeln, aber nicht das Volumen. Sie machen also die Dusche an und sie donnert wie ein Wasserfall, ob sie das wollen oder nicht. Auf der anderen Seite gibt es Bereiche in den USA, wo das Thema Ressourcensparen auch schon wegen der brutalen Wasserknappheit wichtig wird, beispielsweise in Kalifornien. Das ist auch für uns interessant.

Inwiefern?
Dort gibt es Regularien, die so scharf sind, dass sie für uns eine Benchmark sind – wir müssen auch Produkte haben, die diese Regularien erfüllen, denn morgen wird es auch andere Bereiche mit Wassermangel in der Welt geben und wir können den Kunden dann entsprechend etwas anbieten. Ein anderer Treiber für unser Geschäft kommt auch aus der Ecke des nachhaltigen Bauens. Wenn Sie heute als Bauherr ein Großprojekt planen, das in vier Jahren gebaut wird, geht das nicht mehr nur mit den aktuellen Umweltstandards, denn dann wäre das Gebäude in den nächsten 15 oder 20 Jahren nicht mehr verkäuflich. Gerade für diese Investoren ist das Thema Nachhaltigkeit viel präsenter als für den Otto-Normal-Verbraucher.

Herr Rauterkus, vielen Dank für das Gespräch.

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