Beim Karlsruher Maschinenbauer Romaco ist ganz schön was los, und das schon seit fünf Jahren. „Wir verfolgen seitdem eine grundsätzlich andere Strategie“, sagt Geschäftsführer Paulo Alexandre.
Das Unternehmen mit 500 Mitarbeitern und 130 Millionen Euro Umsatz stellte früher Maschinen her, mit denen Pharmahersteller diverse Produkte verpackten. Nach zwei größeren Zukäufen und dem Verkauf eines Unternehmensteils konzentriert sich Romaco heute nur noch auf Tabletten, hat aber neben Verpackungsmaschinen nun auch Anlagen für deren Produktion im Angebot. „Als Komplettanbieter sind wir näher an unseren Kunden, weil wir selbst mehr pharmazeutisches Wissen haben“, sagt Alexandre.
Zusätzlich hat Romaco Niederlassungen in Brasilien, China, Russland, Frankreich und den USA aufgemacht, der Umsatz ist seit 2011 um 35 Prozent gestiegen. „Die Veränderungen verlangen uns einiges ab, aber wir wachsen und sind selbstbewusst“, sagt Alexandre.
Mittelständische Unternehmen sind skeptisch
Hinter dem schnellen Wandel steckt der Finanzinvestor Deutsche Beteiligungs AG (DBAG), der das bis Anfang des Jahrtausends eigenständige Unternehmen 2011 von einem US-Konzern übernahm. „Maschinenbauer sind für uns besonders interessant, bei Romaco haben wir viel Potenzial für Wachstum bei einem stabilen Geschäft gesehen“, sagt DBAG-Manager Jochen Baumann. Die DBAG etablierte bei Romaco einen Beirat, beriet das Management bei den Übernahmen und stellte Kapital für die Expansion bereit. Nach fünf Jahren sind die Umbauarbeiten so gut wie abgeschlossen, das Unternehmen könnte bald wieder einen neuen Eigentümer finden.
Solche Storys würden Finanzinvestoren liebend gern öfter mit deutschen Mittelständlern schreiben. Doch so heftig sie auch werben: Die Unternehmer sind skeptisch, und wenn sie verkaufen wollen, erhalten meistens andere Bieter den Zuschlag.
Die Finanzinvestoren selbst stehen gewaltig unter Druck. Ihre Geldgeber haben ihnen viel Kapital zugesagt, das nun angelegt werden muss. Dabei steht Deutschland besonders im Fokus. In einer aktuellen Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) gaben 73 Prozent der Investoren an, dass der Standort ein attraktiver Zielmarkt für sie ist. Trotzdem übernahmen sie 2015 deutlich weniger Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als 500 Millionen Euro als im Jahr davor.
Die Top 10 der Weltmarktführer im deutschen Mittelstand
Peri
Branche: Schalungen / Gerüste
Marken-Performance*: 54,9
Unternehmens-Performance*: 68,2
Gesamt-Performance²: 123,1
* maximal 100 Punkte; ² maximal 200 Punkte; Quelle: Biesalski & Company
Kaeser
Branche: Kompressoren
Marken-Performance*: 61,9
Unternehmens-Performance*: 63,1
Gesamt-Performance²:124,9
* maximal 100 Punkte; ² maximal 200 Punkte; Quelle: Biesalski & Company
Duravit
Branche: Badausstattung
Marken-Performance*: 65,0
Unternehmens-Performance*: 61,9
Gesamt-Performance²: 126,9
* maximal 100 Punkte; ² maximal 200 Punkte; Quelle: Biesalski & Company
Haver & Boecker
Branche: Drahtweberei / Maschinenbau
Marken-Performance*: 68,7
Unternehmens-Performance*: 60,6
Gesamt-Performance²: 129,3
* maximal 100 Punkte; ² maximal 200 Punkte; Quelle: Biesalski & Company
Grimme Landmaschinenfabrik
Branche: Landmaschinen
Marken-Performance*: 66,6
Unternehmens-Performance*: 64,6
Gesamt-Performance²:131,2
* maximal 100 Punkte; ² maximal 200 Punkte; Quelle: Biesalski & Company
Windmöller & Hölscher
Branche: Verpackungsmaschinen
Marken-Performance*: 72,7
Unternehmens-Performance*: 61,3
Gesamt-Performance²:134,0
* maximal 100 Punkte; ² maximal 200 Punkte; Quelle: Biesalski & Company
Delo
Branche: Industrieklebstoffe
Marken-Performance*: 69,2
Unternehmens-Performance*: 68,6
Gesamt-Performance²: 137,7
* maximal 100 Punkte; ² maximal 200 Punkte; Quelle: Biesalski & Company
Lürssen Maritime Beteiligungen
Branche: Schiffbau
Marken-Performance*: 74,7
Unternehmens-Performance*: 64,2
Gesamt-Performance²: 138,9
* maximal 100 Punkte; ² maximal 200 Punkte; Quelle: Biesalski & Company
Otto Bock
Branche: Prothesen
Marken-Performance*: 70,7
Unternehmens-Performance*: 73,1
Gesamt-Performance²: 143,8
* maximal 100 Punkte; ² maximal 200 Punkte; Quelle: Biesalski & Company
Herrenknecht
Branche: Tunnelbohrmaschinen
Marken-Performance*: 72,8
Unternehmens-Performance*: 76,6
Gesamt-Performance²: 149,4
* maximal 100 Punkte; ² maximal 200 Punkte; Quelle: Biesalski & Company
Dabei ist der Wettbewerb um attraktive Unternehmen so intensiv wie selten zuvor. Neben Konkurrenten aus dem In- und Ausland treten hier auch immer öfter reiche Familien an, deren Vermögensverwalter attraktive Alternativen zu bisherigen Anlageformen sehen.
Deutsche Unternehmer verkaufen nur ungern
Durch die große Konkurrenz sind die Preise für Unternehmen enorm gestiegen. „Trotzdem verkaufen deutsche Unternehmer ohne Not nur ungern“, sagt Ken Oliver Fritz, Co-Chef der Investmentbank Lazard in Deutschland. „Ihre Unternehmen laufen meistens gut und werfen für die Eigentümer stabile Renditen ab. Nach einem Verkauf gäbe es dagegen ein Wiederanlageproblem.“
Hinzu kommen emotionale Gründe: Das Image der Private-Equity-Investoren ist, auch gut zehn Jahre nachdem der damalige SPD-Chef Franz Müntefering sie als „Heuschrecken“ beschimpfte, zweifelhaft. Eine Reihe unrühmlicher Insolvenzen wie die des Modellbahnbauers Märklin 2009 wirken noch immer nach. Viele Unternehmer sehen in einem Finanzinvestor eine fragwürdige Heimat für ihr Lebenswerk.
Auf der Suche nach neuen Branchen
Deshalb stürzen sich die Investoren nun auch auf Branchen, die lange nicht zu den klassischen Zielen gehörten. So haben sie in den vergangenen Jahren Bäckereien, Nachhilfeketten und Pflegeheime gekauft. Ende 2015 ging der Onlineshop KfZTeile24 an den Finanzinvestor EQT. Die Beteiligungsgesellschaft Sycamore stieg bei EMP Merchandising ein, einem Versand von Fanartikeln für Rock- und Heavy-Metal-Fans.
Da es an originären Zielen mangelt, kaufen sich die Investoren oft gegenseitig Unternehmen ab. Der Wursthüllenhersteller Kalle ist so schon beim dritten Eigentümer angekommen.
Die Skepsis der Unternehmer zeigt sich auch daran, dass sie deutlich weniger Anlässe für den Einstieg eines Finanzinvestors sehen als diese selbst. So ergab eine aktuelle Befragung der Düsseldorfer Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Baker Tilly Roelfs, dass jeweils nur ein Drittel der Unternehmen das Engagement eines Investors bei der Nachfolgesuche oder der Restrukturierung für sinnvoll hält. Bei den befragten Private-Equity-Gesellschaften waren es mehr als doppelt so viele. Und nur 16 Prozent der Mittelständler halten die Finanzierung von Wachstum für einen passenden Anlass, um sich mit einem Investor zusammenzutun. Andere – etwa die Glamour-Modekette Karl Lagerfeld – expandieren bewusst durch Geldgeber wie den britischen Finanzinvestor Apax.
Einstieg ist nur bei großen Umbrüchen im Unternehmen sinnvoll
Da es derzeit nur wenige Restrukturierungsfälle gibt, wollen sich Beteiligungshäuser als ideale Partner für den Geschäftsausbau empfehlen. „Durch Erfahrung und Netzwerk können wir ein wichtiger Sparringspartner sein“, sagt Marco Brockhaus, der als Gründer von Brockhaus Private Equity seit 15 Jahren Unternehmen finanziert. Allerdings ist dafür längst nicht jedes Unternehmen geeignet. „Die Suche nach Mittelständlern mit ausreichend Potenzial ist harte Arbeit“, sagt Brockhaus, der unter anderem den Aufstieg der Devisenplattform 360T und deren Fusion mit der Deutschen Börse begleitet hat.
„Der Einstieg eines Investors ist dann sinnvoll, wenn ein Unternehmen vor großen Umbrüchen steht, die es aus eigener Kraft schwer bewältigen kann“, sagt Henning Heuser von Baker Tilly Roelfs. Dazu zählen die Suche nach einem Nachfolger, die Expansion ins Ausland oder die Übernahme von Konkurrenten. Hier bringen Investoren nicht nur Kapital, sondern auch Erfahrung ein. Weniger revolutionäre Schritte können Unternehmen besser über aktuell historisch günstige Kredite finanzieren.
Um zum Ziel zu kommen, geben sich Investoren heute weniger ruppig als vor der Finanzkrise, sie arbeiten sich tief in Geschäftsmodelle ein und sind oft bereit, nur Minderheitsanteile und nicht gleich das ganze Unternehmen zu übernehmen. Dann kann auch das bisherige Management an Bord bleiben. Zu Schmetterlingen werden die Heuschrecken deshalb nicht, aber übergroße Angst vor ihrer Gefräßigkeit müssen Mittelständler auch nicht haben.